HSH Nordbank: Dirk Jens Nonnenmacher:Reif für den Rauswurf

Der New Yorker Schmuddelfall und die Folgen: Die Vertrauten von HSH-Chef Nonnenmacher rücken von ihm ab. Es beginnt schon die Suche nach einem Nachfolger.

Hans Leyendecker, Kristina Läsker und Klaus Ott

Im "Haus B" am Kieler Landeshaus haben schon viele denkwürdige Kabinettssitzungen stattgefunden. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), der im Obergeschoss ein Büro mit Ruheraum und Bad hat, empfing am Dienstagmittag streng vertraulich einen besonderen Gast: Hilmar Kopper, 75 Jahre alt, früher die Nummer eins der Deutschen Bank, heute Aufsichtsratschef der HSH Nordbank. Mit dabei Carstensens Wirtschaftsminister Jost de Jager und Hamburgs Finanzsenator Carsten Frigge (beide CDU). Einziges Thema: das berufliche Schicksal des umstrittenen Chefs der HSH, Dirk Jens Nonnenmacher.

Die Rolle von HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher (rechts) im Spitzelskandal ist umstritten. HSH-Aufsichtsratschef Hilmar Kopper spricht ihm erneut das Vertrauen aus.

Die Rolle von HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher (rechts) im Spitzelskandal ist umstritten.

(Foto: dpa)

Zu Beginn des Gesprächs betonte Carstensen, die Vorbehalte gegen Nonnenmacher seien in den vergangenen Wochen gewachsen. Vor allem in der Affäre um bespitzelte Banker und Politiker gebe es eine Vielzahl von unbeantworteten Fragen, assistierte de Jager. Nonnenmacher sei zu einer "Belastung" geworden, stimmte Frigge zu. Kopper widersprach zunächst. Nonnenmacher sei es gelungen, die Sanierung der maladen Bank auf einen "guten Weg" zu bringen. Im zweiten Quartal etwa habe die Bank schwarze Zahlen geschrieben. Carstensen entgegnete, es gebe einen Unterschied zwischen einer bankinternen und der politischen Betrachtung des Falles.

Kopper sagte dann etwas, was die drei Christdemokraten aus dem Norden später als Einlenken Koppers interpretierten. Der oft kolportierte Satz, dass er sein Schicksal mit dem Schicksal Nonnenmachers verknüpfe, sei falsch, sagte der Aufsichtsratschef. Damit schlug er einen neuen Ton an. Noch vor sieben Wochen hatte Kopper, ebenfalls in Kiel, sich vehement vor seinen Schützling gestellt. Damals verwies er auf Prüfberichte amerikanischer Anwälte, die sorgfältig im Präsidialausschuss und im Aufsichtsrat bewertet worden seien. Fazit: An den Vorwürfen gegen Nonnenmacher sei nichts dran.

Dabei gab es schon damals den wirklich ungeheuerlichen Verdacht, dass HSH-Helfer dem ehemaligen New Yorker Filialleiter der Bank, Roland K., im Herbst vergangenen Jahres Kinderporno-Fotos untergeschoben haben sollen, um ihn ohne Abfindung feuern zu können. Eben dieser Roland K. sagte vergangene Woche erstmals bei der Kieler Staatsanwaltschaft aus; er belastet die Bank schwer.

Nach all dem ist offensichtlich: Nonnenmacher ist fällig. Das Geldhaus gehört zu 85,5 Prozent den Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein, und die staatlichen Anteilseigner reagieren. Einer von ihnen hat in der vergangenen Woche bereits erste Gespräche mit potentiellen Nachfolgern geführt. Als heißer Kandidat gilt ein ausländischer Banker, der sich auf die Sanierung kranker Banken versteht.

In Schleswig-Holstein fordert der einflussreiche FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki die Absetzung Nonnenmachers, und auch der Christdemokrat Carstensen und dessen Parteifreund, der Wirtschaftsminister Jost de Jager sind deutlich von dem Bankchef abgerückt. In Treue fest steht noch Finanzminister Rainer Wiegard (CDU). Noch.

Das Opfer sagt aus

In Hamburg rückt die einstmals ebenfalls treue CDU allmählich von Nonnenmacher ab. Ähnlich wie der Koalitionspartner GAL favorisieren die Christdemokraten eine Abberufung ohne Abfindung. Die Grünen gehen nicht nur öffentlich offensiver mit der Personalie um als die CDU, sondern einige von ihnen sind sogar zum Äußersten bereit. Das heißt: Im Notfall würden sie auch einer Abberufung Nonnenmachers mit einer Millionen-Abfindung zustimmen. Lieber wäre auch ihnen, der "goldene Fallschirm" bliebe zu - dafür sollen bald Justizbehörden die Argumente liefern.

Mit den Abläufen in dem Kreditinstitut beschäftigen sich seit einer Weile Staatsanwaltschaften in New York, Kiel und Hamburg. Strafverfolger der Hansestadt ermitteln wegen eines Verlustes von mehreren Hundert Millionen Euro, den die HSH bei einem Geschäft namens Omega erlitten hatte - eines von vielen Landesbank-Verfahren. Nonnenmacher bekam ein Aktenzeichen, weil er damals bei Omega noch Finanzvorstand war.

Weit unangenehmer ist das New Yorker Verfahren mit Kinderpornos und sonstigem Unrat, dessen Ausläufern Kieler Ermittler nachgehen. Sie haben zudem den unschönen Verdacht, dass Verantwortliche der HSH den früheren HSH-Vorstand Frank Roth als Informanten der Presse beschuldigt hätten, um auch ihn ohne Abfindung loszuwerden. Angeblich hatte er Geschäftsgeheimnisse verraten. In einem Beschluss der Generalstaatsanwalts Schleswig vom 18. Oktober schreibt der erfahrene Oberstaatsanwalt Uwe Dreeßen: "Einiges spreche dafür", dass Roth "Opfer einer Aktion" geworden ist, mit der "falsche Spuren gelegt worden" sind.

Außenstehenden fällt es schwer, alle be- und entlastenden Details prüfen zu können, weil die Bank wichtigsten Zeugen im Schmuddel-Fall New York unter Androhung von Strafen in offenbar zweistelliger Millionenhöhe verboten hat, über die Angelegenheit zu reden. Hauptakteure reagieren auf Anfragen der Süddeutschen Zeitung in diesen Tagen zurückhaltend. Die Drohung mit der Pönale galt auch für Roland K., der allerdings Staatsanwälten oder Bankenaufsehern Auskunft geben darf. Davon machten jetzt deutsche Ermittler Gebrauch.

Vorige Woche reiste Roland K. nach Kiel. Erst sagte er bei den Strafverfolgern aus, dann befragten ihn noch Spezialisten der Bafin in Hamburg. K. hatte Material aus New York mitgebracht, das den deutschen Ermittlern bislang unbekannt war. Darunter ist eine Übersicht über die Ermittlungen der New Yorker Fahnder gegen Nonnenmacher, sowie gegen den mittlerweile freigestellten Justitiar der Bank und gegen weitere Verdächtige. Mehrere zehntausend Seiten sollen die US-Akten dick sein, darunter sind auch Vernehmungsprotokolle.

Schmutziges Geld und untergeschobene Kinderpornographie

Können Akten riechen? Diese jedenfalls stinkt gewaltig. In den Aktenstücken befindet sich auch die bislang geheime Zeugenaussage eines pensionierten FBI-Beamten bei der New Yorker Justiz. Er soll berichtet haben, er sei Mitte 2009 von der im Auftrag der HSH tätigen Sicherheitsfirma Prevent angeheuert worden. Ziel sei es gewesen, den in HSH-Kreisen missliebig gewordenen Roland K. zu durchleuchten. Offenbar wurden K. einige Wochen später heimlich Kinderporno-Bilder untergeschoben, von wem auch immer, die dann prompt entdeckt wurden. K. ist in dieser Geschichte das Opfer.

Der FBI-Mann soll ausgesagt haben, er sei am 17. September 2009 dabei gewesen, als rund ein Dutzend Mitarbeiter der HSH, von Prevent sowie Anwälte das Büro von K. gestürmt und die untergeschobenen Kinderporno-Bilder entdeckt hatten. Im Magazin Spiegel, der diese Affäre enthüllte, die in Details an die Affäre des unglücklichen Kieler CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel erinnert, war von einem "HSH-Rollkommando" die Rede.

Diese Einschätzung soll, sagt ein Insider, der die Aussage des ehemaligen FBI-Beamten gelesen hat, noch eine Untertreibung gewesen sein. Der FBI-Mann soll ausgesagt haben, er sei während der bankinternen Razzia angehalten worden, einen Kontakt zur Polizei herzustellen und für eine Verhaftung des Managers zu sorgen. Das habe einer der HSH-Leute verlangt. Er habe das aber abgelehnt und stattdessen erklärt, er mache da nicht weiter mit. "It smells", die Sache stinke.

Prevent, das für seine diversen Handreichungen von der HSH im Zeitraum Februar 2008 bis Ende Oktober 2009 immerhin 7,083 Millionen Euro erhalten hat, mag sich zu dem Vorwurf nicht äußern. "Wir haben Verträge, die unseren Mandanten absoluten Vertrauensschutz gewähren," sagt ein Sprecher. Eigentlich dürfe er nicht einmal sagen, dass die HSH ein Mandant von Prevent gewesen sei. Die Sicherheitsfirma habe allerdings "nie irgendetwas gegen Recht und Gesetz getan - nie". Sämtliche kursierenden Vorwürfe gegen das Unternehmen seien "frei erfunden".

Die HSH verweist bei Fragen nach der seltsamen Rolle des ehemaligen FBI-Beamten auf bekannte Erklärungen und führt dann an: "Desweiteren hat der Vorstand der Bank mehrfach den Vorwurf von Kenntnis jeglicher unredlicher Vorgänge mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen - er hätte ein derartiges Vorgehen nie gebilligt oder geduldet."

Damit warten wichtige Fragen weiter auf Aufklärung: Sollte K. mit frisierten Belegen ins Gefängnis gebracht werden oder nicht? Wurden einem ehemaligen FBI-Beamten vom HSH-Dienstleister Prevent 50.000 Euro für fragwürdige Dienste angeboten? Hat er das schmutzige Geld erhalten? Auf all diese und andere Fragen antwortet die Bank nicht. Noch nicht.

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