Duisburgs OB:Sauerland taucht ab

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Kaum traute sich Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland aus der Deckung, beendete eine Ketchup-Attacke sein Comeback. Nun ist der wegen der Loveparade-Katastrophe umstrittene Politiker erneut von der Bildfläche verschwunden.

Bernd Dörries

Vor einigen Wochen, als Adolf Sauerland begann, wieder aus dem Haus zu gehen, da hat er sich vor allem mit Kindern getroffen und mit Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Die einen tun Erwachsenen in der Regel keine körperliche Gewalt an, die anderen mögen Sauerland, weil er sich für den Bau der größten Moschee Deutschlands eingesetzt hat. Mit der Zeit ist der Duisburger Oberbürgermeister mutiger geworden.

Einige Minuten lang blieb Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland mit Ketchup verschmiert in der Öffentlichkeit stehen - ehe er erneut abtauchte. (Foto: dapd)

Am Mittwoch wollte er einen Marktplatz eröffnen in Duisburg-Rheinhausen und eine kleine Rede halten auf einer Bühne, vor ganz normalen Bürgern. Nach ein paar Sätzen, kam ein Mann und spritzte ihn von oben bis unten mit Ketchup voll. Sauerland wischte sich die Soße aus dem Gesicht und blieb noch einige Minuten stehen, mit dreckigem Anzug und Mantel. Adolf Sauerland will nicht klein beigeben. Er ist immer noch da und will auch nicht gehen.

Der Widerstand gegen Sauerland (CDU) nimmt aber auch nicht ab. Es sind nicht viele Menschen, die da gegen ihn protestieren, aber sie sind ziemlich hartnäckig. "Duisburg 21" hat sich eine Gruppe von Gegnern des Stadtoberhaupts genannt, in Anlehnung an die Proteste gegen den geplanten Bahnhof in Stuttgart, und weil es durch das Unglück auf der Love-Parade 21 Tote gab. Sie kommen, wenn er irgendwo ein Buffet eröffnet oder ein paar Grußworte spricht, sie pfeifen ihn aus und schreien ihn nieder.

Vor ein paar Wochen, als die Katastrophe fast 100 Tage zurücklag, verschickten Unbekannte auf dem Papier der Stadt eine Rücktrittserklärung Sauerlands, die ziemlich echt aussah. Auch der Angreifer vom Mittwoch wollte Sauerland noch einmal an die Verantwortung erinnern, die dieser an der Katastrophe trage. Rolf Karling ist Vorsitzender eines Duisburger Vereins, der Obdachlosen mit einer Straßenambulanz hilft. Nach dem Angriff berichtet er, dass er bei der Wahl der Mittel erst Farbbeutel und Eier ausgeschlossen habe, um den OB nicht zu verletzen. Die Folgen einer Ketchup-Attacke habe er in den Tagen zuvor persönlich getestet und für unbedenklich gehalten.

Was er geschafft hat, ist zumindest, dass in Duisburg wieder über den OB gesprochen wird, darüber, warum er noch im Amt ist. Die SPD verurteilt zwar die Form des Protestes, erinnert aber auch noch einmal daran, dass Sauerland nicht einfach so tun könne, als sei nichts passiert, als trage er keine Verantwortung. Sauerland hatte ein Anwaltsbüro beauftragt, das Handeln der Stadt zu untersuchen und ihm zu bescheinigen, dass keine Fehler gemacht wurden bei der Planung der Veranstaltung. Damit hat sich die Sache für ihn erledigt.

Ermittlungen noch im Anfangsstadium

Ein Antrag auf Abwahl fand im Stadtrat keine Mehrheit. Die CDU unterstützt Sauerland, vor allem, weil sie weiß, dass sie nach seinem Rücktritt keine Chance hätte, auch den Nachfolger zu stellen. Das einzige, was Sauerland zu einem Rücktritt zwingen könnte, wäre, wenn die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn aufnimmt oder sogar Anklage erhebt. Ob es dazu kommt, kann man derzeit nicht sagen, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft befinden sich auch nach fast vier Monaten eher im Anfangsstadium als kurz vor dem Abschluss. E-Mails, SMS und Handyvideos mit einem Volumen von ungefähr 50 Terabyte müssen gesichtet werden, dazu 1000 Stunden Material aus den Überwachungskameras. Etwa 80 Polizisten ermitteln, 400 Strafanzeigen liegen vor. Es ist ein mühsamer Weg.

Die Frage nach Verantwortung, sie wird kaum noch gestellt in der Stadt und auch im Land. Aus der Landesregierung hat sich schon lange niemand mehr zu Duisburg geäußert, sich gekümmert, wie es den Opfern und Hinterbliebenen geht. Der Veranstalter Rainer Schaller ist abgetaucht. Oberbürgermeister Sauerland hat keine Anzeige erstattet wegen des Ketchup-Angriffs. Er wolle dem Vorfall nicht noch mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Er will seine Ruhe. Ein paar öffentliche Termine hat er nun an seine Stellvertreter delegiert.

© SZ vom 13.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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