Linke in Bayern:Der Genosse macht Klaus Ernst weiter Ärger

Der Landesverband hat entschieden: Trotz seiner scharfen Kritik an Linke-Chef Klaus Ernst darf Schatzmeister Ulrich Voß bleiben - und schickt sogleich eine Mängelliste an den Bundespräsidenten.

Uwe Ritzer

So ganz weiß Sepp Obermeier nicht, ob er zufrieden sein oder sich ärgern soll. Der Rosenheimer Kreisvorsitzende der Partei Die Linke ist am Sonntag als eine Art innerparteilicher Anwalt von Ulrich Voß aufgetreten. Der linke Landesschatzmeister Voß musste sich in Ingolstadt vor einem Schiedsgericht seiner Partei für Vorwürfe verantworten, die im August Aufsehen erregt hatten.

Linken-Chef Ernst: Ruecktrittsforderung war Einzelmeinung

Parteichef Klaus Ernst sieht sich weiter mit Vorwürfen konfrontiert.

(Foto: ddp)

Voß hatte damals Parteichef Klaus Ernst und dessen Getreuen vorgeworfen, mit getürkten Mitgliederstatistiken die Delegiertenzahlen auf Parteitagen zu verfälschen, um parteiinterne Wahlen in ihrem Sinne zu manipulieren. Ernst weist dies zurück. Seither bekämpft die Bundes- und Landesspitze ihren Kritiker Voß und fordert seinen Rauswurf. Doch der ist nun erst einmal vom Tisch.

Die Landesschiedskommission wies nach SZ-Informationen am Sonntag den Antrag auf Ausschluss zurück. Eine Begründung ist noch nicht bekannt. Den Antrag hatte der Kreisverband Schweinfurt gestellt, aus dem auch Parteichef Ernst kommt. Ein zweiter Antrag auf Ausschluss vom Kreisverband München wurde vorerst nicht weiter behandelt.

Dass Ernsts scharfer Kritiker Voß nun zumindest vorerst Mitglied der Linken bleiben darf, ist vor diesem Hintergrund auch eine Niederlage für den Parteichef und andere, die lautstark den Kopf des renitenten Landesschatzmeisters gefordert hatten. Ähnlich sieht das auch Voß' innerparteilicher Verteidiger Sepp Obermeier. "Man kann eben nicht einfach mit Pauschalverurteilungen Kritiker mundtot machen, sie aus der Partei werfen und glauben, dass damit die Sache aus der Welt ist."

Zugleich aber ist Obermeier auch über seinen Mandanten verärgert. Denn erst nach der Schiedsverhandlung hat er erfahren, dass Voß an allen Parteigremien vorbei den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert angeschrieben hat. Es ist ein brisanter Brief. Auf vier Seiten plus 241 Seiten Dokumenten, Protokollen und anderen Anlagen zerpflückt Voß den Rechenschaftsbericht der bayerischen Linken. Er listet angebliche rechtliche Fehler auf, weist auf fragwürdige Geldströme in dunkle Kanäle hin und wirft den verantwortlichen Genossen massenweise Manipulationen im Finanzwesen vor - bis hin zur Urkundenfälschung.

Erbitterter Kampf hinter den Kulissen

Das Dokument dürfte in der Bundestagsverwaltung auf großes Interesse stoßen. Stimmt auch nur ein Teil der Vorwürfe, dann könnte das für die Linke massive rechtliche Folgen und teure Strafzahlungen nach dem Parteienfinanzierungsgesetz nach sich ziehen. "Es wäre besser gewesen, diese Dinge erst einmal intern aufzuarbeiten", ärgert sich daher Obermeier. "Aber andererseits muss man sich auch nicht wundern, wenn Voß so reagiert, nachdem man ihn so in die Enge getrieben hat."

Auch politisch droht neues Ungemach. Das Unterlagen-Konvolut an den Bundestagspräsidenten reißt die Gräben wieder auf, die nach Voß' Attacken im August nur scheinbar und nach außen hin zugeschüttet waren. Hinter den Kulissen aber bekämpfen sich die Flügel in der bayerischen Linken so erbittert wie nie zuvor. Innerparteiliche Oppositionelle wie Ulrich Voß werfen der Mehrheit im Landesvorstand und dem Flügel um Parteichef Ernst und den Nürnberger Bundestagsabgeordneten Harald Weinberg vor, Kritiker rücksichtslos zu bekämpfen, sich selbst und ihresgleichen lukrative Posten zuzuschanzen, und, vor allem, in finanziellen Angelegenheiten dilettantisch herumzufuhrwerken.

So verweigerte Schatzmeister Voß die Unterschrift unter den Rechenschaftsbericht 2009, weil ihm nach seinen Angaben der Zugang zu Konten und wesentlichen Informationen verwehrt worden war. Der Rechenschaftsbericht wurde trotzdem über die Bundespartei beim Bundestag eingereicht - unterschrieben von Voß' Vorgängerin Gilberte Lebien-Schachner. Jener Frau, die einmal, als sie in Urlaub fuhr, kurzerhand ihrem Bruder die Zugangsdaten für Parteikonten überlassen und ihn um Überweisungen noch anstehender Zahlungen von dort gebeten haben soll.

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