SPD: Karrierekämpfe:Andrea Nahles - schwanger und Furcht um den Job

Die hochschwangere SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles offenbart Probleme ihrer Schwangerschaft und die Angst um ihren wichtigen Job. Denn da sind ja auch noch die lieben Parteifreunde ...

Lena Jakat

Vielleicht ist der Zeitpunkt exakt gewählt. Vielleicht ist es aber auch Zufall, dass an diesem Mittwoch in der Brigitte ein Interview mit Andrea Nahles erscheint. Darin sagt sie Dinge, die sich als Redebeiträge perfekt in mindestens zwei aktuelle Debatten fügen: Die SPD-Generalsekretärin spricht über pränatale Diagnostik und über ihre Rolle als Frau, Politikerin und Mutter.

Kinderkueche in Lutherstadt Wittenberg

Hochschwanger war Andrea Nahles kürzlich zu Gast bei einer Sozialeinrichtung für bedürftige Kinder in der Lutherstadt Wittenberg.

(Foto: dapd)

Andrea Nahles wird nach der Geburt ihres ersten Kindes - einer Tochter, wie sie bei dieser Gelegenheit gleich verriet - im Januar nur eine knapp zweimonatige Auszeit nehmen: Schon rechtzeitig zu den Landtagswahlen im März will sie zurück auf dem Posten sein. Großteils wird sich ihr Mann Marcus Frings um das Kind kümmern. Als müsse sie sich dafür rechtfertigen, sagte Nahles der Frauenzeitschrift: "Emotional stelle ich mir das für mich unheimlich schwer vor."

So richtig freiwillig scheint ihre Entscheidung nicht zu sein: "Mein Job ist einer, der Begehrlichkeiten weckt", offenbart Andrea Nahles. Es gebe "einige", von denen sie ganz genau wüsste: "Bei der ersten Gelegenheit, in der es schwierig wird, kann ich mit deren Solidarität nicht rechnen."

Nahles hat Angst um ihren Job und sie macht keinen Hehl daraus, im Gegenteil. Sie unterstreicht ihre Zukunftsängste sogar noch einmal und setzt ein dickes Ausrufezeichen: "Damit meine ich nicht nur den politischen Gegner, sondern befürchte das auch in der eigenen Partei."

Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Andrea Nahles scheint daran nicht zu glauben. Ihre Botschaft ist: In einer Männerwelt haben Mütter keinen Platz.

Das verweist das Wortgefecht zwischen der altgedienten Feministin Alice Schwarzer und der jungen CDU-Familienministerin Kristina Schröder einerseits endgültig in die Sphären des akademischen Elfenbeinturms - und lässt andererseits eine Frage offen:

Wenn noch nicht einmal in der SPD ein Mindestmaß an Solidarität zu finden ist, wo dann? Auch fragt man sich, welche alten Rechnungen die 40-Jährige mit diesem Angriff auf ihre Genossinnen und Genossen zu bezahlen gedenkt.

Bundeskanzlerin Nahles

"Hausfrau oder Bundeskanzlerin" gab Andrea Nahles einst in ihrer Abiturzeitung als Lebensperspektive an, diese Kamelle ist hinlänglich bekannt. Letzteres Berufsziel scheint sie durch ihre Mutterschaft nicht noch mehr gefährden zu wollen als unbedingt nötig. Zunächst äußerte sie sich dazu zwar noch zurückhaltend: "Ich habe in meiner politischen Laufbahn ja schon einige schwere Abstürze erlebt, und eine Sache habe ich gelernt: Planen von Karrieren ist zumindest in der Politik mit vielen, vielen Fragezeichen verbunden."

Doch dann zog die Hochschwangere in Brigitte unerwartete Parallelen: "Die ehemalige Generalsekretärin Angela Merkel hat irgendwann zugegriffen, als sich die Gelegenheit ergab." Vielleicht auch eine Kampfansage an die ihr so wenig wohlgesonnenen Parteifreunde.

Was die Bundeskanzlerin und ihre CDU auf dem Parteitag einen ganzen Vormittag lang beschäftigte - die Präimplatationsdiagnostik (PID) - hängt eng mit dem zusammen, was die Mutter Andrea Nahles umtreibt.

Einige Wochen lang habe es Komplikationen gegeben, erzählte sie Brigitte. "Da kam schon Panik auf." Auf eine Fruchtwasseruntersuchung und andere Diagnostik verzichtete die gläubige Katholikin dennoch: "Wir nehmen es, wie es kommt", sagte die Politikerin über ihr ungeborenes Kind. "Nicht alle Möglichkeiten auszureizen, sondern zu sagen: Wir sind auch bereit, ein nicht perfektes Kind zu bekommen und zu lieben - da haben wir unsere Grenzen gespürt."

Deutliche Worte zu einer Zeit, in der heftig um die Freigabe der PID gerungen wird. Die freilich geht einen großen Schritt weiter und untersucht künstlich erzeugte Embryonen schon, bevor diese in die Gebärmutter eingepflanzt werden. Der Parteitag der CDU sprach sich mit knapper Mehrheit gegen die PID aus.

Die SPD ist in dieser Frage ebenfalls gespalten und forderte längere Bedenkzeit. Wenn eines Tages entschieden werden sollte, dann ist sicherlich auch Andrea Nahles wieder iim Bundestag.

Es könnte ja sonst ein Parteifreund ihren Job übernehmen.

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