TV-Kritik: Menschen bei Maischberger:Geschäftsmodell Mumpitz

Die Gäste von Sandra Maischberger diskutieren scheinbar darüber, ob es Raumklärung, Gedankenlesen und Kontakt zu Toten wirklich gibt. In Wirklichkeit jedoch verfolgen sie andere Ziele.

Jürgen Schmieder

Zuallererst, das ist bei so einem Thema natürlich zwingend nötig, muss das Fernsehstudio gereinigt werden. Es wuseln jedoch keine fleißigen Menschen mit Putzlappen und Staubsauger um Sandra Maischberger herum: Es geht ja auch nicht um Staub oder Schmutz, sondern um negative Energie.

ARD-Projekt '60 x Deutschland - Die Jahresschau'

ARD-Moderatorin Sandra Maischberger: Vor der Diskussion muss erst das Studio gereinigt werden.

(Foto: dpa)

Die Raumklärerin Nora Rhiola Klee steht in einem Kraftkreis, sie schlägt zweimal auf einen Gong, sie reibt einen Klöppel an einem Bergkristall und zündet eine Kerze an, die von Rosenblättern umgeben ist. Das Studio ist sauber, es kann losgehen.

Sind übersinnliche Kräfte Mysterium oder Mumpitz?

Wer nun sofort den Zeigefinger zur Schläfe führt, dem seien die Worte des amerikanischen Neurologen Andrew Newberg ans Herz gelegt: "Aus neurologischer Sicht muss man feststellen, dass so etwas wie Liebe nicht außerhalb des menschlichen Bewusstseins funktioniert." Ein Wissenschaftler müsse also zu dem fundierten Beschluss kommen, dass es Liebe nicht gibt - oder dass sie zumindest nicht beweisbar wäre.

Dennoch wird sich kaum ein Mensch finden, der nicht an die Liebe glaubt - oder der als Spinner abgetan wird, weil er es tut. Wenn aber jemand daran glaubt, er könne einen Raum von negativer Energie befreien, er könne Gedanken lesen oder Löffel verbiegen, dann fallen ganz schnell die Begriffe "Scharlatan" oder "Fall für die Psychiatrie".

Darum geht es in Menschen bei Maischberger an diesem Abend. Sind übersinnliche Kräfte Mysterium oder Mumpitz?

Expeditionen ins Jenseits sind bei den Irdischen derzeit mehr als beliebt, der Heidelberger Zukunftsforscher Eike Wenzel schätzt, dass mit Esoterik allein in Deutschland 18 bis 25 Milliarden Euro umgesetzt werden. Pro Jahr.

Nicht einmal die Toten werden in Ruhe gelassen: Kim-Anne Jannes will vor wenigen Wochen bei RTL mit dem vor 23 Jahren unter rätselhaften Umständen verstorbenen Politiker Uwe Barschel gesprochen haben.

Sandra Maischberger hat eine illustre und grundsätzlich auch streitfreudige Runde zusammengestellt. Den Physiker Heinz Oberhummer etwa, der sogleich die Raumklärerin Klee angreift: "Sie vertreiben Energie, von der Sie nicht wissen, was es ist!" Er fordert einen Beweis dafür, dass so etwas wie Raumreinigung, Kontakt zum Jenseits oder Reinkarnationstherapie wirklich gibt.

Maischberger fragt ihn nicht, ob er schon einmal verliebt war. Leider.

"Den Menschen wird das Geld aus der Tasche gezogen"

Die Aufforderung Oberhummers nach einem Beweis indes bringt die selbsternannten Medien in Erklärungsnot. Der Physiker berichtet vom versunkenen Schatz des Kurfürsten Maximilian I., der etwa 2,5 Millionen Euro wert ist - zusätzlich gibt es eine Million Euro für den Finder vom Verband der Skeptiker. "Nehmen Sie doch Kontakt auf, das Geld spenden wir an eine karitative Einrichtung." "Sie sind kein Verwandter des Kurfürsten", sagt Jannes. "Und außerdem ist es interessant, dass es den Skeptikern immer ums Geld geht."

Eine ausweichende Antwort, welche die Forderung Oberhummers nicht uninteressanter macht. Denn in der Tat verweisen Menschen, die sich selbst übersinnliche Kräfte zuschreiben, bei Erfolg immer auf ihre Fähigkeiten.

"Nutzlose Brimborien"

Klee etwa berichtet von Existenzgründern, die in einem von ihr gereinigten Gebäude überaus erfolgreich waren, während sechs Firmen zuvor in diesem Haus gescheitert sind. Misserfolg dagegen wird damit begründet, dass den Menschen der Glaube fehlen würde - oder gar als Erfolg verkauft. Die Pleite eines gereinigten Autohauses sei ein Segen für die Familie gewesen, behauptet Klee.

"Das ist doch Mumpitz in Reinkultur", schimpft da sofort der Psychologe Colin Goldner. "Es sind nutzlose Brimborien, mit denen Menschen das Geld aus der Tasche gezogen wird."

Er behauptet, dass es zwei Sorten von Menschen gebe, die esoterische Hilfestellung anbieten würden: jene, die wirklich glauben - und jene, die Scharlatane sind. "Die ersten sind ein Fall für den Psychiater, die zweiten ein Fall für den Staatsanwalt."

Er kritisiert auch, dass selbsternannte "Medien" und Raumklärerinnen zuvor als Goldschmied oder Bankangestellte gearbeitet haben, es gebe ja keine anerkannte Methode, Menschen zu Medien oder Gedankenlesern auszubilden.

Auch in diesem Fall vergisst Maischberger die Frage an Goldner, ob man den Studiengang "Liebe" belegt haben muss, um sich ordentlich zu verknallen.

Esoterik als lukrative Einnahmequelle

Die Diskussion ist schnell verfahren, weil die einen eben an der These festhalten, dass es übersinnliche Kräfte gibt - und die anderen daran, dass es eben Mumpitz sei. Das kennt man von politischen Diskussionen, und da kennt sich Maischberger bestens aus. Deshalb holt sie auch noch den Gedankenleser Thorsten Havener auf die Bühne, der zwei Tricks vorführen darf, von denen nur einer funktioniert.

Die wirklich interessanten Informationen während dieser Sendung erhält der Zuschauer deshalb auch eher durch die kurzen Einblendungen, bei denen der Name des Gastes gezeigt wird und darunter, was er sonst noch so macht, wenn er nicht gerade in Talkshows sitzt - und natürlich beim Blick auf den Tisch, um den alle sitzen.

Die Gäste haben allesamt Bücher geschrieben, die Namen tragen wie Die Psycho-Szene, Ich weiß, was Du denkst oder Die Spuren der Seele. Sie tingeln mit Programmen durchs Land, die "Science Busters" heißen oder "Denken und andere Randsportarten". Sie bieten Zeremonien wie "Space Clearing" an oder versprechen Kontakt zu den Toten.

Es lässt sich offensichtlich viel Geld mit übersinnlichen Kräften verdienen - ob man nun dafür ist oder dagegen.

Colin Goldner fasst es am Ende der Sendung schön zusammen: "Es gibt noch keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass es übersinnliche Kräfte gibt - deshalb fällt es in den Bereich des Glaubens. Und jeder Mensch darf glauben, was er will."

Er hat nur vergessen hinzuzufügen: Alle dürfen glauben, was sie wollen - so lange sie Bücher und Eintrittskarten kaufen und die Gebühren für die Seminare rechtzeitig bezahlen.

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