Mutmaßlicher Bombenfund:Der Koffer aus Windhuk - eine Attrappe?

Batterien, ein Zünder und eine Uhr: Warum bei der Sendung, die in Namibia gefunden wurde, alles auf eine Bombe deutete - und sich dann die Zweifel mehrten.

A. Ramelsberger, S. Wimmer, N. Richter und A. Perras

Der Anruf in der deutschen Botschaft in Windhuk ging am Mittwoch um 16.45 Uhr ein. Es war dringend. Die Deutschen sollten sofort zur Zentrale der namibischen Polizei kommen. Es war etwas gefunden worden. Die Botschaft in Windhuk handelte sofort. Es musste etwas Ernstes sein: Der Anrufer war der stellvertretende Generalinspekteur der namibischen Polizei.

Mutmaßlicher Bombenfund: Idyllisch wirkt der Flughafen von Windhuk. Am Mittwoch rückte er unerwartet in den Fokus westlicher Terrorfahndung.

Idyllisch wirkt der Flughafen von Windhuk. Am Mittwoch rückte er unerwartet in den Fokus westlicher Terrorfahndung.

(Foto: AP)

Als die Deutschen im Polizeihauptquartier von Namibia eintrafen, wurde ihnen dort ein Gerät vorgeführt: ein Koffer, in dem Batterien lagen, die über Kabel an einem Zünder hingen, sowie eine weitere Batterie, die mit einer tickenden Uhr verbunden war. Das geht aus einem internen Bericht der deutschen Behörden hervor, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Landläufig nennt man ein solches Gerät, wie es den Deutschen gezeigt wurde, eine Bombe. Sie war, so berichteten die Namibier, für einen Flug der Gesellschaft Air Berlin nach München bestimmt gewesen. Kurz vor der Verladung in das Flugzeug war sie herausgefischt worden. Der Spurenexperte der namibischen Polizei erklärte, das Teil sei "wahrscheinlich sehr gefährlich".

Zumindest hatten sich die Menschen, die dieses Gerät auf die Reise schicken wollten, sehr viel Mühe gegeben. Der Zündmechanismus war nach Informationen der SZ in ein Kissen gewickelt, das in einer Laptoptasche steckte. Und die war wiederum mit Plastikfolie umwickelt und verschweißt. Der namibische Polizei-Generalinspekteur erklärte, es sei der erste Fall eines Bombenfunds in Namibia gewesen. Es sei aber nicht untypisch, dass Terroristen sich friedliche Länder als Ausgangspunkt ihrer Aktionen aussuchten.

Als die Polizei in Namibia den verdächtigen Koffer entdeckte, war er nach Erkenntnissen des BKA bereits auf einem Gepäckwagen zum Flugzeug. 296 Passagiere warteten dort darauf, dass der Flug AB7377 nach München startete. Den Sicherheitsleuten fiel - so die Namibier - auf, dass dieser Koffer keinen Gepäckanhänger trug, also nicht eingecheckt und überprüft war. Sofort wurde der Koffer von dem Gepäckwagen genommen. Der Pilot wurde gewarnt: Es könne sein, dass unsicheres Gepäck an Bord seiner Maschine sei. Der Pilot brach sofort die Startvorbereitungen ab.

Das gesamte Gepäck in der Maschine wurde wieder ausgeladen, und jeder Passagier musste seinen Koffer selbst identifizieren. Die Polizei führte Sprengstoffspürhunde durch die Maschine. Erst dann durfte die Maschine starten. Allerdings ohne die Luftpost, die vorher bereits im Bauch der Maschine verstaut worden war - das war den Behörden nach der Entdeckung von explosiven Luftfrachtpaketen aus dem Jemen dann doch zu gefährlich. Diese Sprengstoffpakete waren erst vor zwei Wochen in Passagiermaschinen gefunden worden und sollten über der Ostküste der Vereinigten Staaten explodieren.

"Es gibt Ungereimtheiten"

Bis zum Donnerstagabend war nicht klar, ob es sich wirklich um eine Bombe handelte - doch allein der Verdacht reichte, um die Republik in Alarm zu versetzen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärte, er gehe davon aus, dass die mutmaßliche Bombe für den Air-Berlin-Flug nach München bestimmt war. Am Donnerstag reagierte das BKA zurückhaltend: Erste Untersuchungen deuteten darauf hin, dass es sich um einen dilettantisch gebauten Zünder handeln könnte. Möglicherweise könnte es sich auch um einen Testkoffer handeln, der lediglich aufgegeben wurde, um die Sicherheitskontrollen in Windhuk zu prüfen.

Skeptisch machte die Deutschen, dass sie bis zum Donnerstagabend keine Ergebnisse aus Windhuk bekamen - obwohl manches unplausibel erscheint. "Es gibt Ungereimtheiten", sagte ein hoher Sicherheitsbeamter der SZ. "Angeblich wurde der Koffer durch eine Videoüberwachung entdeckt. Das erscheint uns unwahrscheinlich."

In Berlin geht man immer mehr von einem möglicherweise schiefgelaufenen Test aus. Nach der Entdeckung der explosiven Luftfrachtpakete aus dem Jemen würden derzeit an allen Flughäfen die Sicherheitsvorkehrungen einer Kontrolle unterzogen. Dabei würden auch "in erheblichem Umfang" Testläufe gemacht, ob die Kontrolleure Sprengstoff entdecken würden. Dies könnte eine plausible Erklärung für den eigenartigen Koffer von Windhuk sein. Darauf deuten nach Informationen der SZ zwei Aufkleber hin, die sich auf dem Koffer befanden. "X-ray" (Röntgen) und die Erreichbarkeit einer amerikanischen Firma, die Alarmgeräte herstellt, sowie der Hinweis: "non-hazard" (nicht gefährlich). Eine Sprecherin des Flughafens Windhuk erklärte jedoch, es habe sich nicht um eine Übung gehandelt.

Nach ersten Erkenntnissen des Bundeskriminalamts wurde der Koffer am routinemäßigen Screening des Gepäcks vorbeigeschleust und auf dem Gepäckwagen für den Air-Berlin-Flug gefunden - allerdings, wie gesagt, ohne Gepäckanhänger. Air-Berlin-Sprecherin Sabine Teller erklärte: "Damit hatte das Objekt kein Ziel, keine Fluggesellschaft, keinen Eigentümer". Das verdächtige Objekt sei dem Flughafenpersonal erst aufgefallen, als die Maschine schon beladen gewesen sei. Daraufhin sei entschieden worden, das Gepäck der Air-Berlin-Maschine nochmals auszuladen und abermals zu überprüfen. Nach Informationen vom Flughafen in Windhuk stand der Koffer in der Abfertigungshalle und nicht auf einem Gepäckwagen für Air Berlin.

"Das Objekt sieht wie ein Sprengsatz aus", sagte der namibische Polizeichef Sebastian Ndeitunga im Telefonat mit der Süddeutschen Zeitung. Am Donnerstagnachmittag wurde es laut Ndeitunga noch in einem Speziallabor untersucht. Ergebnisse der Analyse sollten zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben werden, versicherte der Polizeichef. "Wenn das Gerät zünd- oder sprengfähig gewesen wäre, wenn es nach Deutschland gelangt wäre, dann wäre hier jetzt die Hölle los", sagte ein hoher deutscher Sicherheitsexperte. Aber bis zum Abend war unklar, wie es wirklich war. Zur Beruhigung von Polizei und Geheimdiensten trug der Fund jedenfalls nicht bei.

"Es könnte ein Real-Test gewesen sein", hieß es am Donnerstag in Sicherheitskreisen. "Wenn wir so etwas machen, packen wir auch kein Kinderköfferchen und legen eine Kerze rein. Das muss dann schon auch gefährlich aussehen und im Screening als gefährlich erkannt werden können."

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