USA: Insiderhandel:Im Sumpf der Wall Street

US-Behörden ermitteln gegen riesiges Netz von Insidern, die sich auf den Handel mit vertraulichen Informationen spezialisiert und so illegal Millionengewinne eingestrichen haben sollen.

Moritz Koch

Seit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers hat die Wall Street viele rufschädigende Superlative erlebt: die tiefste Krise, die massivsten Staatshilfen und die üppigsten Bonuszahlungen. All das in nur zwei Jahren. Nun kommt ein weiterer Superlativ hinzu und bringt die Finanzbranche erneut in arge Bedrängnis. Die US-Justiz hat die umfassendsten Ermittlungen wegen Insidergeschäften angestoßen, die es in den USA je gegeben hat. Wie US-Medien berichten, haben die Bundespolizei FBI, die Börsenaufsicht SEC und die Staatsanwaltschaft von Manhattan eine Kultur des Betrugs aufgedeckt. Ganze Netzwerke aus Investmentbankern, Spekulanten, Analysten und Unternehmensexperten sollen sich auf den Handel mit vertraulichen Informationen spezialisiert und illegal Millionengewinne eingestrichen haben.

USA: Insiderhandel: Traders work on the floor of the New York Stock Exchange Thursday, Nov. 11, 2010. (AP Photo/Richard Drew)

Traders work on the floor of the New York Stock Exchange Thursday, Nov. 11, 2010. (AP Photo/Richard Drew)

(Foto: AP)

Das Ausmaß der Ermittlungen ist gewaltig. In ihrem Mittelpunkt stehen unabhängige Expertenfirmen, die professionelle Anleger wie Hedgefonds mit Fachkenntnissen über einzelne Branchen versorgen. Oft heuern diese Firmen frühere Unternehmensmanager als Berater an, deren Insiderwissen sie besonders wertvoll macht. Erneut stehen Mitarbeiter der Investmentbank Goldman Sachs im Visier der Ermittler. Sie sollen vertrauliche Informationen über anstehende Unternehmensfusionen im Gesundheitssektor an Händler weitergereicht haben. Doch die Ermittlungen gehen weit über Goldman hinaus. Der Kreis der Verdächtigen umschließt Mitarbeiter von fast allen namhaften Wall-Street-Häusern. Auch die Deutsche Bank wurde von den Ermittlern aufgefordert, interne E-Mails preiszugeben. Insgesamt sollen drei Dutzend Firmen verwickelt sein.

Die Ermittlungen kamen durch das Verfahren gegen einen Betrügerring um den Hedgefonds-Manager Raj Rajaratnam in Gang. Mehrere seiner Mitarbeiter sind geständig und haben erste Einblicke in die Insider-Kultur an der Wall Street gewährt. Vieles spricht dafür, dass die Strafverfolger eine regelrechte Prozesswelle vorbereiten. Der für Manhattan zuständige Bundesstaatsanwalt Preet Bharara hat die Verfolgung krimineller Geschäftemacher an der Wall Street zu seiner wichtigsten Aufgabe erhoben - und die Banker fürchten seinen Eifer. Bhararas Beamte gehen mit einer Methode vor, die sonst nur gegen Terroristen, Drogendealer und Mafiosi eingesetzt wird: Sie hören systematisch Telefone ab. Ein Lauschangriff auf die Wall Street. Offenbar haben die Behörden genug Material gesammelt, um noch vor Jahresende erste Verdächtige zu verhaften.

Auch wenn bisher vieles dafür spricht, dass zunächst nur einfache Mitarbeiter angeklagt werden und nicht hochrangigen Manager, treffen die Ermittlungen gerade die Großbanken an einer empfindlichen Stelle. Denn sie werfen ein Schlaglicht auf ihr umstrittenes Geschäftsmodell. Großbanken sind einerseits als Berater tätig und kommen so an vertrauliche Informationen. Andererseits agieren sie als Spekulanten und können jeden Informationsvorsprung versilbern. Das lädt zum Missbrauch ein und zur Umgehung der internen Trennwände, die den Informationsfluss zwischen beiden Geschäftsbereichen unterbinden sollen. Der ramponierte Ruf der Wall Street wird unter den neuen Insider-Fällen daher noch weiter leiden. Sie nähren den Verdacht, dass die gesamte Branche von Korruption durchdrungen ist.

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