Polizei:Treu, brav - und frustriert

Überstunden, Urlaubssperren, demütigende Einsatzbedingungen: Frust ist ein verbreitetes Lebensgefühl unter Deutschlands Polizisten. Dennoch trauen sie sich nicht, für ihre Interessen zu kämpfen.

Detlef Esslinger

Wer sich als junger Mensch überlegt, Polizist zu werden, der sollte folgende Eigenschaften mitbringen: Fähigkeit zu 30-Stunden-Diensten im Wendland; Bereitschaft, seine Notdurft im Wald zu verrichten und sich dabei von Demonstranten filmen zu lassen; genug Kondition, um bald darauf Flughäfen und Bahnhöfe vor al-Qaida zu schützen; Duldsamkeit, um kurzfristige Urlaubssperren einzusehen; gerne auch ein Talent zur Illusion, zum Beispiel, irgendwann einmal 700 Überstunden abbauen zu dürfen.

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Egal bei welchem Wetter, egal unter welchen Umständen: Polizisten sind brave Beamte.

(Foto: dapd)

Niemanden wird wundern, dass in dieser Berufsgruppe Frust ein verbreitetes Lebensgefühl ist, und daher zeugt es von einer gewissen Noblesse, wenn der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) deren Bundeskongress ausdrücklich mit einer Mahnung eröffnete. Er habe zwar Verständnis für Emotionen, sagte Bernhard Witthaut. "Aber wir wollen fair bleiben." Daraufhin nimmt der Kongress seinen Lauf, und schon bald wird klar, dass nichts so überflüssig war wie dieser Satz. Vielleicht liegt das im Wesen von Polizisten: Sie sind nun mal nicht auf Krawall gebürstet.

Sie überlassen es allein ihrem bisherigen Vorsitzenden Freiberg und seinem Nachfolger Witthaut, auf die von der Politik gesetzten Arbeitsbedingungen zu schimpfen. Bei der sogenannten Aussprache gibt es genau zwei Wortmeldungen, wegen Fehlern im Seniorenteil des Geschäftsberichts. Zwei Politiker waren bisher auf dem Kongress zu Gast, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Sie wären Adressaten für Unmut und Zorn gewesen. De Maizière aber brauchte nur die Gewerkschaftschefs zu einem Gespräch über die Sicherheitslage einzuladen, Gabriel reichten ein paar Witzchen über sich selbst - und beide Politiker verließen reich beklatscht den Saal.

So wird das nichts mit den Polizisten. So werden sie nicht erreichen, dass die Regierung sich auch mal über sie Gedanken macht, bevor man einen Atomkonsens aufkündigt und einen Großkonflikt wieder lostritt. So werden sie nicht verhindern, dass in den kommenden zehn Jahren noch einmal Tausende Planstellen bei ihnen gestrichen werden. So werden sie keine Regelung bekommen, mit der sie Überstunden abbauen können.

Für Polizisten gilt dasselbe wie für jede andere Berufsgruppe auch: Man bekommt im Leben nichts geschenkt. Man muss es sich erkämpfen. Minister de Maizière aber schien sehr genau zu wissen, dass er zu einer Schar von im Grunde treuen, braven Beamten sprach, die kein Streikrecht haben, ja, die sich nicht einmal trauen, Dienst nach Vorschrift zu machen. Er hatte die Stirn, die GdP-Chefs in der Terrordebatte zur Mäßigung aufzurufen - mit der Begründung, sie gälten bei den Bürgern als Experten, anders als ein IG-Metall-Chef, der als reiner Interessenvertreter wahrgenommen werde. Das war ein geradezu höhnischer Vergleich. Denn das dürfte der Innenminister wissen: Metaller würden sich Bedingungen wie bei der Polizei niemals bieten lassen.

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