Fifa:"WM-Votum könnte unwirksam sein"

Während die Fifa die neuen Bestechungsvorwürfe zurückweist, plant ein bereits suspendierter Vorständler, die WM-Vergabe am Donnerstag anzufechten.

Thomas Kistner, Zürich

Intern herrscht Aufregung nach den Enthüllungen bezüglich der Fifa- Vorständler Ricardo Teixeira (Brasilien), Nicolas Leoz (Paraguay) und Issa Hayatou (Kamerun), die auf einer vom britischen Sender BBC veröffentlichten Liste mit Bestechungszahlungen stehen. Rund um den Sitz des Fußballweltverbandes wurde am Dienstag gar die von der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International erhobene Forderung debattiert, die Vergabe der WM- Turniere 2018 und 2022 am Donnerstag müsse ausgesetzt werden.

Korruptionsvorwürfe gegen FIFA-Funktionäre

Wem gehört der Fußball FIFA-Präsident Joseph Blatter und sein Vorstandskollege Ricardo Teixeira.

(Foto: dpa)

Nach außen aber reagierten die Fifa-Bosse mit kalter Routine: Die Bestechungsvorwürfe seien alt und gegenstandslos, hieß es in einer Mitteilung, die Vorgänge seien von den Schweizer Strafbehörden untersucht worden. "Im Urteil vom 26. Juni 2008 hat das Strafgericht Zug keinen Fifa-Funktionär verurteilt", heißt es lapidar.

Dieser Sprachregelung bedient sich die Fifa schon lange. Dabei ist es in besagtem Insolvenzprozess um die bankrott gegangene ISL 2008 in Zug, die ehemalige Hausagentur der Fifa, nie um Korruption gegangen. Auch ist nie gegen bestechliche Funktionäre ermittelt worden. Ein solches Vorgehen gibt die Schweizer Gesetzeslage bislang nicht her. Bestechung von Sportfunktionären war jedoch im Zuger Prozess durchaus festgehalten worden, allein in den neunziger Jahren habe die ISL 138 Millionen Schweizer Franken an Sportfunktionäre verschiedener Weltverbände ausgeschüttet, stellte das Strafgericht im März 2008 fest.

Montagabend, hieß es in Zürich, habe Fifa-Boss Sepp Blatter einige Getreue um sich geschart, Chefs der Kontinentalverbände und Generalsekretäre. Die Reaktion am Dienstag war erwartbar, zielt aber am Thema vorbei. Die Probleme, die sich aus den Enthüllungen ergeben, sind nicht juristischer Natur; die dokumentierten Geldflüsse enden 1999. Unter Druck gerät die Fifa aber, weil sie die - durch vielerlei Erkenntnisse aus dem ISL-Prozess belegte - Bestechlichkeit hoher Amtsträger nicht geahndet und offenbar sogar an diskreten Regelungen mit Insolvenzverwalter und Ermittlern mitgewirkt hat.

Den Reaktionen Schweizer Medien war am Dienstag zu entnehmen, dass Blatter nicht länger abgenommen wird, kein Mitwissen an all diesen Vorgängen zu haben. Anne Schwöbel von der Sektion Transparency Schweiz wies die Fifa darauf hin, dass "in ihrem eigenen Ethik-Code das Thema Bestechung, Artikel 11 enthalten ist; rätselhaft, warum auf der Grundlage nichts passiert".

Auch in politischen Kreisen herrscht Bewegung. Strafrechtsexperten diskutieren die bisherige Straffreiheit für korrupte Sportfunktionäre im Alpenland. Schwöbel erklärt, dass "Integrität und Glaubwürdigkeit der Fifa, die schon in der Vergangenheit angezweifelt wurde, nun schwer angeschlagen" seien. Transparency fordert Untersuchungen "von einem unabhängigen Gremium", keinesfalls durch die hauseigene Ethikkommission; zudem solle der Rechtsstatus von im Land ansässigen Sportverbänden geklärt werden. Die WM-Vergabe am Donnerstag gehöre vertagt.

Druck erhält die Fifa diesbezüglich auch von Reynald Temarii aus Haiti, der Mitte November (wie der Kollege Amos Adamu aus Nigeria) suspendiert worden war, weil er auf ein Scheinangebot britischer Medien zum Stimmenkauf eingegangen war. Die Fifa drängt Temarii derzeit, den Entscheid ihrer Ethikkommission komplett anzuerkennen - und lockt: Dann könne Ozeanien wieder mit einem Votum im Fifa-Vorstand vertreten sein.

Doch Temarii wehrt sich gegen die Strafe. Anwältin Geraldine Lisieur verlangt den schriftlichen Beschuss der Fifa-Ethiker, ab Zustellung des Papiers kann Einspruch eingelegt werden. Bei der Suspendierung am 18. November hatte es in Zürich geheißen, die Zustellung erfolge binnen der nächsten zehn Tage, jetzt liegt noch immer nichts vor und Lisieur feilt am Vorgehen. "Ich kann meinem Klienten doch nicht empfehlen, eine Strafe zu akzeptieren, für die es gar keinen Beschluss gibt", sagte sie der SZ. Erfolgt die Zustellung zu spät, könnte Temariis Recht auf Anhörung verletzt worden sein.

Vorwürfe prallen ab

"Das Risiko der Fifa ist, dass ihr WM-Votum unwirksam sein könnte, wenn wir dem juristischen Prozedere folgen und der Sportgerichtshof Cas am Ende die Suspendierung aufheben sollte", sagt Lisieur. Die neuen drei Sündenfälle verfolge sie gespannt. "Ich verstehe nicht, warum einige in Korruption verwickelte Funktionäre verhindern können, dass sie vor die Ethikkommission müssen. Wenn die Fifa die aktuellen Fälle nicht wie bei meinem Klienten verfolgt, werde ich das in einem Prozess nutzen."

Auf den Gedanken, das WM-Votum anzufechten, könnte noch mancher Bewerber kommen, der am Donnerstag den Kürzeren zieht. Zumal just die zwei neu belasteten Südamerika-Vertreter Teixeira und Leoz sich letzte Woche schon öffentlich festlegten: Sie wollen 2018 an das Duo Spanien/Portugal vergeben.

Die Vorwürfe ließen die beiden so kühl abprallen wie die Fifa. Da sei nichts dran, sagte Leoz, und Teixeira, der als Boss der nächsten Fußball-WM 2014 in seiner Heimat Brasilien größte Protektion genießt, erklärte, es handele sich um eine alte Untersuchung, das käme alle paar Jahre hoch. Er vermutet eine englische Attacke dahinter.

Damit ist nicht kaum zu rechnen. Während bei der BBC in London Montagabend die Senderbosse ihrem TV-Team gratulierten, sehen Englands WM-Bewerber in Zürich ihre Chancen im Sinkflug. Bis zuletzt hatten sie versucht, die Ausstrahlung des Beitrags zu verhindern. Neue Stimmen dürfte er ihnen nicht gebracht haben.

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