Würzburg: Drohende Ausweisung:Mustermigrant - ab in die Türkei

Eigentlich ist Hakan Cengiz ein Musterbeispiel für gelebte Integration. Der Türke hat in Würzburg ein hochgelobtes Bildungswerk für Migranten aufgebaut. Doch nun soll er ausgewiesen werden.

O. Przybilla

Am 17. Dezember wird Würzburgs Oberbürgermeister die Preise für einen besonderen Wettbewerb überreichen. "Meine Stadt Würzburg" heißt er, 300 Schüler haben sich daran mit Gedichten, Aufsätzen und selbst gemalten Bildern beteiligt. "Würzburg ist eine wunderschöne Stadt", heißt es in der Ausschreibung.

Mitarbeiter von Integrations-Foerderverein soll abgeschoben werden

"Es ist so, dass wir hier Wurzeln geschlagen haben", sagt der von Abschiebung bedrohte Hakan Cengiz.

(Foto: dapd)

Und weiter: "Wir haben leider feststellen müssen, dass Touristen teilweise mehr über Würzburg wissen als manche Würzburger selbst. Bedauerlicherweise stellten wir gleichzeitig eine Bewusstseins-Abstumpfung bei jungen Würzburgern für die Wahrzeichen fest." Das will dieser Wettbewerb ändern. Der Mann, der auf die Idee gekommen ist, heißt Hakan Cengiz. Wenn sich nichts ändert, dann soll er demnächst ausgewiesen werden, samt Familie.

Die Geschichte von Hakan Cengiz, 29, trägt unwirkliche Züge. Cengiz ist Koordinator einer Institution, die sich mit Integrationsarbeit einen Namen gemacht hat. Im Main-Bildungswerk am Würzburger Beethoven-Center werden Migranten angeleitet, die deutsche Sprache zu sprechen und einen möglichst guten Schulabschluss zu machen. Das Bildungswerk funktioniert so gut, dass die Stelle des Einrichtungsleiters - bislang eine Halbtagsstelle - demnächst umgewandelt werden sollte in eine ganze Stelle.

Immerhin betreut der Förderverein 70 Schüler in Nachhilfekursen; dazu kommen noch die Integrationskurse. Das Problem des Bildungswerks klingt nun wie ein mäßiger Witz, könnte aber Wirklichkeit werden: Nach dem Stand der Dinge steht Hakan Cengiz - der Mann, der den Wettbewerb für Würzburg entworfen hat - für die Stelle nicht mehr zur Verfügung. Denn die Ausländerbehörde hat entschieden, dass sich Cengiz zu Unrecht in Würzburg aufhält. Und das Verwaltungsgericht hat dies in erster Instanz so bestätigt.

Cengiz trägt einen hellen Anzug und Krawatte, eigentlich möchte er über den Fall nicht mehr reden. "Meine Familie ist momentan sehr angespannt", sagt er. Es ist nicht das mögliche Ziel in der Türkei, das ihn unter Spannung hält. Denn Cengiz ist Bauingenieur, Bekannte in Istanbul betreiben eine Baufirma, und sie haben ihm angeboten, dort zu arbeiten. Seine Frau, sie ist gerade hochschwanger, ist Bio- und Chemielehrerin, auch sie würde in Istanbul sicher einen guten Job finden.

"Es ist nur so, dass wir hier Wurzeln geschlagen haben", sagt Cengiz. Sein zweijähriger Sohn ist in Würzburg geboren, die Frau von Cengiz gibt ehrenamtlich Nachhilfekurse, und er selbst hat Spaß daran gefunden, junge Migranten zu motivieren, einen Realschulabschluss oder das Abitur zu machen. "Es wäre einfach schade", sagt er.

OB bittet Innenminister um Hilfe

Cengiz aber hat offenkundig einen Fehler gemacht: Der Türke habe angegeben, erklärt die Würzburger Ausländerbehörde, in Deutschland studieren zu wollen. Zwar ist Cengiz tatsächlich an Hochschulen in Nürnberg und Darmstadt eingeschrieben gewesen. Jeglichen Nachweis für ein ernsthaft betriebenes Studium habe er allerdings vermissen lassen. Somit, das bestätigt das Verwaltungsgericht, wäre die Aufenthaltsgenehmigung unter falschen Voraussetzungen zustande gekommen. Cengiz muss das Land verlassen.

Integrationslehrer aus dem Bildungswerk ringen angesichts einer möglichen Abschiebung um Fassung: Natürlich, sagt Rabia Ünlü, werde man notfalls jemanden finden, der die Einrichtung leitet. "Aber kaum jemanden mit diesem Engagement und diesen Kontakten." Auch mehrere CSU-Politiker sprechen sich unterdessen für eine Sonderregelung aus. Man könne nicht ständig über die Notwendigkeit von Integration sprechen und Migranten mit guter Ausbildung fordern - "und wenn sich dann einer darum kümmert, dann weist man ihn aus", sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Paul Lehrieder.

Der Oberbürgermeister von Würzburg, Georg Rosenthal (SPD), hat Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gebeten, den Fall an die Härtefallkommission des Landtags weiterzuleiten. Die Stadt Würzburg habe lediglich Bundesrecht vollzogen, erklärt der Rathauschef: "Viele können nicht verstehen, dass alle Integrationsbemühungen nicht ausreichen, um Herrn Cengiz Bleiberecht zu ermöglichen."

Warum hat Cengiz nicht studiert? "Es gibt doch auch viele Deutsche, die ihr Studium abbrechen", erklärt er. Seine Frau sei schwanger geworden, er habe eine Halbtagsstelle in der Würzburger Integrationseinrichtung angenommen - "und irgendwann habe ich gemerkt, dass das genau mein Ding ist".

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