Shakira in München:Viel Hüfte mit ein bisschen Stimme

Shakira macht auf ihrer Welttournee Station in München. Im Olympiastadion schwingt sie die Hüften, hüpft und räkelt sich über die Bühne. Einzig der Gesang bleibt bei so viel Akrobatik auf der Strecke.

Anna-Lena Roth

Sie schreitet im pinkfarbenen Kleid in die Münchner Olympiahalle, bahnt sich ihren Weg durchs Publikum, berührt Hände, verteilt Küsschen. Ins Mikrofon haucht sie dabei einen ihrer ersten großen Hits, die Popballade "Pienso en ti" von 1995. Gänsehaut. Shakira, 33, fleischgewordener Männertraum, zum Greifen nah. Und: Sie kann tatsächlich singen. Denkt man.

Shakira - Tourauftakt zur Deutschlandtournee

Die kolumbianische Sängerin Shakira begeistert in der Olympiahalle - mit Hüften und Stimme.

(Foto: dpa)

Dann erhebt sie sich über ihr Publikum, erklimmt die Bühne - und die eigentliche Show beginnt. Das Licht wird grell, Shakira reißt sich das Kleid vom Leib und rockt in schwarzer, hautenger Legging und sehr kurzem goldenem Oberteil zu "Why Wait" vom neuen, siebten Album "Sale el Sol". Mit dem Kleid schwindet offenbar auch die stimmgewaltige, unschuldige Shakira. "Ich bin hier um euch gefällig zu sein", schreit die Kolumbianerin ins Mikrofon und verspricht: "Heute Nacht gehöre ich nur euch."

Sie gibt dem Publikum, was es verlangt.

Fünf junge Frauen fischt sie gleich zu Beginn aus der Menge, sie dürfen zu ihrem Idol auf die Bühne steigen. Jessica, als Erste erkoren, kann ihr Glück kaum fassen und fällt Shakira heulend um den Hals. Dann gibt es für die Fünf Tanzunterricht von der Meisterin: "Nach links, nach rechts, nach links", fordert Shakira und lässt dazu ihre Hüften hüpfen. Die Mädchen versuchen, es ihr gleich zu tun. Bei dem Versuch bleibt es. Eine der Damen ist von dem unverhofften Auftritt im Rampenlicht so begeistert, dass sie sich mehrfach ihr Shakira-Fan-Shirt hochzieht um ihren nackten Bauch zu entblößen. Das sieht man dann doch lieber von Miss Hüftschwung persönlich.

Sechs verschiedene Outfits präsentiert Shakira in den anderthalb Stunden, sie alle sind ähnlich aufreizend. Mit ihren 1,57 Metern hüpft, rennt und turnt sie über die Bühne, räkelt sich lasziv an der Mikrofonstange oder an ihren Tänzern, schleudert ihre langen Haare vor und zurück und verfällt regelmäßig in ekstatische Zuckungen. Bei so viel körperlichem Einsatz bleibt jedoch der Gesang auf der Strecke. Die Musik kommt vom Band, mehrfach verpasst sie ihre Einsätze oder bewegt die Lippen zum falschen Zeitpunkt. Doch wer wird denn kleinlich sein.

Die Hüften beben

Den größten Applaus spendet die Menge ja doch, wenn Shakiras Hüften beben. Die Männer sowieso. Aber auch die vielen Frauen im Publikum, von kleinen Mädchen mit Pippi-Langstrumpf-Zöpfen bis hin zu Damen mit Föhnfrisur, erfreuen sich an den akrobatischen Tanzeinlagen zu altbekannten Pop- und Merengue-Rhythmen. Wer gehofft hatte, an diesem Abend Shakiras größte Hits zu hören, wurde nicht enttäuscht.

Mit "Whenever, Wherever" gelang Shakira vor rund zehn Jahren der internationale Durchbruch. "Waka Waka", offizieller Fifa-Song zur Weltmeisterschaft in Südafrika, wurde zum Ohrwurm des Sommers. Auch zu "She Wolf", "Loca" und natürlich zu "Hips don't lie" fegt Shakira über die Münchner Bühne. Und sie hat Recht: Ihre Hüften lügen nicht. Aber sie alleine machen auch keine gute Show aus.

Bei der demonstrativen Zurschaustellung ihres durchtrainierten Körpers könnte man beinahe vergessen, dass Shakira - mit zehn Grammys und über 50 Millionen verkauften Alben derzeit eine der erfolgreichsten Künstlerinnen - auch anders kann, ernsthafter. Mit ihrer Stiftung "Pies Descalzos" setzt sie sich seit Jahren für mehr Bildung in ihrem Heimatland Kolumbien ein.

Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez zählt sich zu ihren Freunden. Und lange bevor sie als erblondete Vollblut-Entertainerin Europa eroberte, zählte sie mit ihren selbst geschriebenen Liedern in Lateinamerika als Superstar. Nur selten taucht diese ernsthaftere, einzigartige Shakira in München auf. Aber es gibt sie. Etwa, wenn sie mit einer Gitarre allein auf der Bühne steht und das melancholische Liebeslied "Inevitable" singt, eines ihrer liebsten, wie sie selbst sagt. Oder wenn sie barfuß auf einem Hocker sitzt und den Metallica-Klassiker "Nothing else matters" interpretiert, begleitet nur von Trommeln, einer Gitarre und Geige.

Für "Underneath your clothes" nimmt sie sich Zeit, bleibt doch tatsächlich einmal auf der Stelle stehen, haucht mit geschlossenen Augen ins Mikrofon - und konzentriert sich aufs Wesentliche, das Singen. Und sie kann es ja.

Das sind die richtig guten Momente. Dann steht ihre Stimme im Vordergrund. Nicht ihre Hüften.

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