Wikileaks-Chef Assange:Hunderte Todesdrohungen und eine unbestimmte Angst

Während Wikileaks eine Liste mit Objekten veröffentlicht, die für die nationale Sicherheit der USA wichtig seien, muss der Gründer der Plattform um sein Leben bangen.

Jetzt soll es unmöglich sein, Wikileaks "jemals völlig aus dem Internet zu verbannen". Das sagt jedenfalls Wikileaks. Zwar war die Seite Wikileaks.org am Freitag offline, nachdem der US-Verzeichnisanbieter EveryDNS.net seine Dienste für die Internetplattform eingestellt hatte. Doch Wikileaks wich innerhalb weniger Stunden in die Schweiz aus (wikileaks.ch) - und zahlreiche Unterstützter von Wikileaks haben mehr als 70 andere Adressen für die Enthüllungsplattform eingerichtet. Mit solchen Mirrors (Spiegelungen) der Website an unterschiedlichen Orten bleibt Wikileaks weiterhin erreichbar.

File photo of Julian Assange in London

Julian Assange wird von Interpol gesucht. Angst hat er vor anderen Mächten.

(Foto: REUTERS)

Und so konnte der Gründer von Wikileaks, Julian Assange, beruhigt weitere Veröffentlichungen ankündigen. Nachdem bereits die vergangene Woche ins Netz gestellten US-Botschaftsdepeschen für Aufsehen gesorgt hatten, will Wikileaks nun brisantes Material über Russland veröffentlichen.

"Wir haben Tausende Dokumente, in denen es um Russland geht", sagte Assange am Sonntagabend in einem Interview mit dem russischen Fernsehsender NTW. Darin gehe es "um die Oligarchen, um den Moskauer Bürgermeister und die größten Unternehmen". Diese Dokumente sollen in den kommenden Monaten ins Netz gestellt werden.

Außerdem veröffentlichte Wikileaks eine geheime Liste von wichtigen Infrastrukturen, die aus Sicht der USA vor Terrorangriffen geschützt werden müssen. Angriffe auf die in der Liste aufgeführten Orte würden die Sicherheit der USA aus Sicht des US-Außenministeriums "in besonderem Maße" gefährden, heißt es in einer entsprechenden Depesche.

In einem Kabel des US-Außenministeriums vom Februar 2009 wurden die US-Botschaften weltweit aufgefordert, Orte oder Infrastrukturen zu benennen, "deren Verlust entscheidende Folgen für die öffentliche Gesundheit, die wirtschaftliche Sicherheit und/oder die nationale und innere Sicherheit der USA bedeuten würde". Die Liste enthält etwa Unterwasserkabel, Kommunikationseinrichtungen, Mineralreserven sowie strategisch wichtige Unternehmen in Ländern rund um den Globus.

In dem Interview mit dem russischen Nachrichtensender beteuerte Assange, er fühle sich trotz des gegen ihn vorliegenden internationalen Haftbefehls noch sicher. "Es gibt noch solche (sicheren) Orte, wir haben viele Freunde. Es gibt noch Länder, die uns wohlgesonnen sind", sagte er. "Die Devise von Wikileaks ist die völlige freie Meinungsäußerung, das ist ein Test für die Staaten. Viele haben es leider nicht geschafft, auch mein Geburtsland Australien nicht", fügte der 39-Jährige hinzu. In Europa könne er sich "ebenfalls nicht sicher fühlen", sagte Assange, hier müsse er "stets auf der Hut" sein.

Auf die Bemerkung des NTW-Journalisten, wonach sich viele wundern, dass Assange überhaupt noch am Leben sei, sagte der Wikileaks-Gründer, er denke nicht, dass ein Land wie die USA ihn töten könne, das "Risiko" sei "zu groß". "Ich stehe im Zentrum der Aufmerksamkeit, das ist mein Schutz." Anders hingegen sei es bei großen Firmen, "vor allem außerhalb der USA", sagte Assange, ohne diese Aussage zu erläutern.

In der spanischen Zeitung El Pais wird Assange mit den Worten zitiert, er habe "Hunderte von Todesdrohungen" erhalten. Einige seien auch gegen seine Kinder und Anwälte gerichtet gewesen.

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