Wikileaks:Die CSU sucht ihre Maulwürfe

Wer hat bei den US-Diplomaten über den CSU-Chef gelästert? In einer Vorstandssitzung nennt Horst Seehofer die mutmaßlichen Maulwürfe beim Namen. Diese wehren sich.

Birgit Kruse

Horst Seehofer ist stinksauer. Auf seine Partei, auf seine Beamten. Auslöser für seinen Ärger sind die Veröffentlichungen bei Wikileaks. Rund 250.000 vertrauliche und teils geheime Protokolle hat die Enthüllungsplattform ins Internet gestellt, die unter anderem wenig Schmeichelhaftes über Politiker weltweit enthalten. Auch dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer haben die US-Botschafter ein paar Zeilen gewidmet. Darin wird er unter anderem als "unberechenbarer Politiker mit begrenztem Horizont" beschrieben, als "Populist".

Plenarsitzung im bayerischen Landtag

CSU-Chef Horst Seehofer ist sauer: Zwei hohe Beamte sollen bei US-Diplomanten über ihn gelästert haben.

(Foto: dapd)

Auf der Vorstandssitzung am Montag hat Seehofer seinem Ärger dann Luft gemacht. Immer wieder habe er sich über diese Indiskretionen aufgeregt, berichtet ein Teilnehmer. Anfangs sei es mehr wie ein "running gag" gewesen. Seehofer sei enttäuscht über die Geschwätzigkeit seiner Partei gewesen, heißt es.

Doch es war wohl mehr als Enttäuschung. Denn das Thema lässt den Parteichef nicht los. Dass es sich bei der Causa um eine Regierungsangelegenheit handelt und nicht um eine Angelegenheit der Partei, scheint Seehofer egal zu sein. "Scheibchenweise" nennt er immer mehr Details. Anfangs noch, was Bundeskanzlerin Angela Merkel zu den Enthüllungen über ihre eigenen Person und den CSU-Chef gesagt haben soll. "Horst", zitiert er sie, "das sind die Sachen, die bei Cocktailempfängen über uns erzählt werden."

Doch damit schien sich Seehofer nicht zu begnügen. Er will wissen, wer diese Informationen verbreitet hat. Grundlage für die Depesche soll ein Treffen zwischen US-Diplomaten und Repräsentanten der Staatsregierung am 8. Dezember 2009 gewesen sein.

Ein "State Secretary for Federal and European Issues" soll den Depeschen zufolge dem Generalkonsul bei einem privaten Treffen geplaudert haben. Eine Funktion, die es in Bayern so nicht gibt. Man sei peinlich berührt über Seehofers Äußerungen zur Außenpolitik, erzählt der Informant. Auch werfe man ihm vor, sich wie ein Populist zu verhalten.

Man habe die Quellen bei Wikileaks ausgewertet, so Seehofer, und sei dabei auf "Zuträger aus dem Apparat" gestoßen, berichtet ein Vorstandsmitglied aus der Sitzung. Seehofer scheut im Laufe der Sitzung nicht, zwei Namen zu nennen: Martin Neumeyer und Michael Höhenberger. Beide sind hohe Beamte der bayerischen Regierung. Beide gelten als engste Stoiber-Vertraute.

Martin Neumeyer war erst als Regierungssprecher, später als Amtschef in der Staatskanzlei. In dieser Rolle war er zuständig für Bundes- und Europaangelegenheiten. Doch Neumeyer war mehr als ein hoher Beamter in Stoibers Staatskanzlei. Er galt als "Chefeinflüsterer". Als der Mann, auf den Stoiber mehr hörte, als auf seine Kabinetts- oder Fraktionskollegen. Vielen in der Fraktion war das ein Dorn im Auge.

Neumeyer blieb zwar auch unter Seehofer in der Staatskanzlei. Doch mit der Rolle des "Chefeinflüsterers" war es vorbei. Zwar hörte Seehofer anfangs noch auf den Juristen, heißt es. Doch die Rolle seines wichtigsten Beraters wollte Seehofer dem Stoiber-Intimus nicht zukommen lassen.

In einer großen Personalrochade Anfang 2010 trennt sich Seehofer dann von alten Stoiber-Vertrauten - auch von Neumeyer. Er wechselt als Amtschef ins Landwirtschaftsministerium. Seitdem ist es relativ ruhig geworden um ihn. Bis jetzt.

Dementi der Beschuldigten

Die Anschuldigungen, die Seehofer im Vorstand gegen ihn erhoben hat, will er nicht auf sich sitzen lassen. In einer persönlichen Erklärung stellt Neumeyer fest: An dem von Wikileaks genannten Termin, dem 8. Dezember 2009, hatte Neumeyer laut Kalender "keinerlei Kontakt mit amerikanischen Stellen". Am Vortag sei er laut Terminkalender "als Delegationsleiter einer rund 20-köpfigen Delegation" zu einem Gespräch für die Planung von gemeinsamen Terminen mit der Staatsregierung im amerikanischen Generalkonsulat gewesen. "Andere Themen wurde bei diesem Gespräch nicht angesprochen", heißt es in dem Schreiben weiter.

Fast "geschockt" habe Seehofer bei der Vorstandssitzung gewirkt, beschreibt ein Teilnehmer. Und je länger die Sitzung gedauert hat, je mehr soll sich der Parteichef in Rage geredet haben - vor allem über Neumeyer. Er habe richtig "abgelästert", erzählt einer, der dabei war. Während er und seine Vorgänger sich mit den kleinen Dingen in Bayern beschäftigt hätten, hätten sich die Beamten um Weltpolitik gekümmert. Damit meinte er auch Michael Höhenberger. Ebenfalls ein alter Stoiber-Vertrauter.

Bekannt wurde dieser im Jahr 2006, als die einstige CSU-Rebellin Gabriele Pauli ihm vorgeworfen hatte, er habe im Auftrag von Edmund Stoiber ihr Privatleben ausspioniert. Für Stoiber war das der Anfang vom Ende seiner 14-jährigen Amtszeit als Ministerpräsident. Für Höhenberger folgte eine interne Versetzung und ein Disziplinarverfahren, an dessen Ende er jedoch voll rehabilitiert wurde. Seinem Einfluss auf den einstigen Ministerpräsidenten und CSU-Chef hat die Affäre um Pauli nicht geschadet. Ebenso wenig wie die Umfrage-Affäre, mit der Höhenberger vier Jahre später im Sommer 2010 erneut für Schlagzeilen sorgte.

Er soll für 2008 eine Resonanzstudie in Auftrag gegeben haben. Darin war unter anderem zu lesen, wie die CSU mit der FDP umgehen soll, ihrem heutigen Koalitionspartner. Die Folge war eine ausgewachsene Koalitionskrise im Freistaat. Auch Höhenberger weist die Maulwurf-Vorwürfe zurück. Eine Sprecherin des Umweltministeriums, in dem Höhenberger als Amtschef tätig ist, bezeichnet diese als "völlig absurd".

Seehofer selbst hat in der Vorstandssitzung angekündigt, dass beide zu den Vorwürfen befragt werden sollen.

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