Flügelflitzer: Cristiano Ronaldo in Madrid:Sei mit uns, CR9!

Der Fußballer Cristiano Ronaldo wird von 75.000 Fans mit biblischem Getöse in Madrid empfangen. Doch der Fußballgott dürfte sich (noch) langweilen.

Thomas Hummel

Mann, war das ein Schauspiel! Es war, als wäre der Heiland selbst vom Himmel gestiegen, um der darbenden Stadt Madrid ihren Stolz zurückzugeben. Und also stieg Cristiano Ronaldo, von nun an genannt "CR9", aus seinem Privatflugzeug, gab sein Zeichen - zwei hochgereckte Daumen - und rief dem schmachtenden Volk zu: "¡Hala Madrid!" - Vorwärts Madrid! So soll es sein.

Flügelflitzer: Cristiano Ronaldo in Madrid: Überdimensionaler CR9: Cristiano Ronaldo spricht, Alfredo di Stéfano beobachtet.

Überdimensionaler CR9: Cristiano Ronaldo spricht, Alfredo di Stéfano beobachtet.

(Foto: Foto: AP)

Madrid ist dem 24-jährigen Fußballspieler von der portugiesischen Insel Madeira mit Haut und Haar verfallen. Sein erster offizieller Tag als Profi von Real geriet zu einem "historischen Tag", wie der Reporter der Sportzeitung Marca ergriffen ins Mikrofon rief.

Neun Leibwächter und vier Limousinen hatten CR9 am Militärflughafen Torrejón abgeholt. Eine Landung am Flughafen Barajas, wo der 08/15-Mensch landet, wäre dann doch zu profan gewesen. Zudem hätte Gefahr bestanden, dass die Real-Fans den schnieken CR9 dort in Stücke gerissen hätten vor lauter Verehrung. Dann doch lieber Militärflughafen.

Es ging weiter so: Privatklinik zur letzten Untersuchung, spitze Schreie von jungen Frauen auf dem Parkplatz. Unterschrift im Santiago-Bernabéu-Stadion, draußen drängelten sich Zehntausende um Einlass. "Das ist der wahrhaftige Irrsinn", urteilte Julio Cendal. Cendal ist der Sicherheitschef von Real Madrid, der allein für diesen Tag 1000 Aufpasser engagiert hatte.

Dann stieg er heraus aus den Katakomben der Stadions, braungebrannt, jedes Haar an der vorbestimmten Stelle, im königlich weißen Trikot (wo war eigentlich der König?). CR9 in seiner ganzen gockelhaften Pracht. 75.000 Menschen füllten das Stadion und stimmten ein Geschrei biblischen Ausmaßes an. Es erinnerte an das Vuvuzela-Getöse vom Confederations Cup in Südafrika. Manche versuchten, zu ihm zu gelangen, ihn zu berühren. Aber Cendals Aufpasser hielten sie zurück.

Über einen grünen Laufsteg schritt CR9 auf das extra gebaute Podest, links und rechts drängelten sich die Fotografen und verpassten sich Beulen mit ihren Objektiven. Florentino Pérez empfing ihn, der Real-Präsident, der in dieser schlimmen Wirtschafts- und Bankenkrise von den Banken mehr als 160 Millionen Euro Kredit bekam, um zum Beispiel 94 Millionen Euro Ablöse für diesen CR9 in Weiß ausgeben zu können.

Ein 1,84 Meter großer Mensch inmitten einer rasenden Arena. Irgendwie wirkte CR9 in diesem riesigen Ambiente klein, doch Real Madrid löste das Problem der 1,84 Meter mit einer riesigen Leinwand, auf der CR9 übergroß zu sehen war. Angemessen groß für einen 94 Millionen Euro teuren Fußballer, der direkt von einer Party mit Paris Hilton kommt.

Mit auf der Bühne saßen auf zwei Barhockern Alfredo di Stéfano, 83, und Eusébio, 67. Hier eine Legende des Klubs, dort eine Legende des portugiesischen Fußballs. Sie blickten recht ernst durch die Gegend, fast gelangweilt. Sie sahen aus, als würden sie denken: Was soll der ganze Wirbel? So weit wie wir musst du es noch bringen, du Bürschchen!

Alfredo di Stéfano und Eusébio haben es ziemlich weit gebracht, so weit, dass sie zu Lebzeiten ihre eigenen Statuen polieren können. Di Stéfano steht in Bronze vor dem Trainingszentrum Reals, Eusébio vor dem Estadio da Luz in Lissabon. Im alten Olympia schon haben sich alle Sieger eine bauen lassen. Ein Herr namens Dikon ging am Ende durch einen wahren Statuen-Wald seiner selbst, 15 Mal ließ er sich selbst ein Denkmal setzen. Und von Uwe Seeler steht immer ein überdimensionaler Fuß vor dem Hamburger Stadion.

Unter den strengen Augen von di Stéfano und Eusébio fischte CR9 im Bernabéu-Stadion noch einen Jungen aus der Menge, beugte sich zu ihm herab und, nein, segnete ihn nicht, sondern überreichte ihm einen Ball. Es war ergreifend! Er lief dann noch eine Runde, die Jünger, äh, Fotografen eilten ihm hinterher, die 75.000 Gläubigen jubelten ihm zu. Und irgendwann reckte er seine Arme zum Himmel und, nein, er stieg nicht hinauf. Er gab das Zeichen des doppelten Daumens und verschwand in den Katakomben. Was er dort am dritten Tage tun wird, weiß vielleicht der Fußballgott.

Apropos Fußballgott: Auch Diego Maradona dürfte das Spektakel gelangweilt im Fernsehen beobachtet haben. Als er 1984 in das Stadion San Paolo in Neapel per Helikopter eingeflogen war, hatten zwar nur 65.000 Leute gewartet. Aber er, Diego, hat schon seine eigene Kirche, die Iglesia Maradonia mit Zehntausenden wirklichen Gläubigen, in der als tatsächlicher Erlöser verehrt wird. Und zwar als D10S.

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