Microsoft: Internet Explorer 9:Schnüffler müssen draußen bleiben

Microsoft hat dem neuesten Internet Explorer eine Funktion spendiert, die Spähprogramme blockiert. Damit legt die Firma eine erstaunliche Kehrtwende hin.

Moritz Koch

Mit einem neuen verbraucherfreundlichen Computerprogramm beschwört der Softwarekonzern Microsoft einen schweren Konflikt mit der Werbebranche herauf. Der Internet Explorer9, also ein Browser, mit dem Internetseiten aufgerufen werden können, kann Schnüffeldienste im Netz blockieren, wie Microsoft am Dienstagabend meldete.

Datenschützer und die US-Regierung reagierten erfreut. Erst in der vergangenen Woche hatte die Verbraucherschutzbehörde Federal Trade Commission (FTC) die Hersteller von Surfsoftware dazu aufgefordert, eine solche Funktion anzubieten.

Schnüffeldienste breiten sich im Internet immer weiter aus. Sie sind mit Miniprogrammen versehen, die das Surfverhalten von Computernutzern ausspionieren und sich merken, welche Webseiten ein Surfer besucht. Werbefirmen nutzen diese Daten dann, um im Netz maßgeschneiderte Anzeigen zu schalten. Wer sich beispielsweise über Last-Minute-Reisen informiert, stößt plötzlich im Internet immer häufiger auf Werbung für günstige Ferienziele.

"Den Verbrauchern ist heute kaum bewusst, und sie haben auch kaum Kontrolle darüber, wer ihre Online-Aktivität verfolgen kann", schrieb Microsoft-Manager Dean Hachamovitch in einem Blog. Der neue Internet Explorer gibt Surfern ein Werkzeug an die Hand, um den Datenfluss an Werbefirmen zu kontrollieren.

Die Branche der Web-Werber, mit einem Jahresumsatz von insgesamt 23 Milliarden Dollar in den USA inzwischen ein mächtiger Industriezweig, ist alarmiert und warnte sogleich vor den Konsequenzen einer Beschädigung des Marktes für Online-Anzeigen.

Mit der neuen Browser-Funktion könne Werbung blockiert werden, mit der andererseits kostenlose Inhalte im Netz finanziert würden, sagte Randall Rothenberg, Chef der Branchenvereinigung Interactive Advertising Bureau, der Wirtschaftszeitung Wall Street Journal. Dadurch könnten etwa die Anbieter von Nachrichtenseiten unter Druck geraten.

Wachsende Konkurrenz

Konkret funktioniert die Blockierfunktion des neuen Internet Explorers so: Surfer können eine Sperrliste, die sogenannte Tracking Protection List, erstellen. Die dort hinterlegten Internetadressen ruft der Explorer nur noch dann auf, wenn der Surfer es fordert. Automatische Aufrufe im Hintergrund, derer sich die meisten Schnüffelanzeigen bedienen, sollen auf diese Weise künftig unterbunden werden.

Bei der Erstinstallation des neuen Explorers ist die Sperrliste allerdings leer. Der Nutzer muss sie selbst füllen oder im Internet nach Listen suchen, die Verbraucherschützer erstellt haben, und diese dann übernehmen. Bisher ist der neue Internet Explorer nur als Testversion verfügbar. Die Vollversion soll Anfang nächsten Jahres erscheinen.

FTC-Chef Jon Leibowitz lobte Microsoft und forderte dessen Wettbewerber auf, ihrerseits ebenfalls solche Blockierfunktionen in ihren Internet-Navigationsprogrammen anzubieten. Vertreter von Apple, Google und Mozilla lehnten eine Stellungnahme zunächst ab. Vor allem für Google ist die Sache heikel. Denn der Internetkonzern ist unbestrittener Marktführer im Bereich der Onlinewerbung.

Die wachsende Konkurrenz mit Google, etwa bei Textverarbeitungsprogrammen und Betriebssystemen, könnte einer der Gründe sein, warum Microsoft die Sperrfunktion jetzt einführen will. Das Softwareunternehmen legt mit der Einführung der Blockliste jedenfalls eine erstaunliche Kehrtwende hin.

Noch vor zwei Jahren hatte Microsoft eine vergleichbare Funktion für den Internet Explorer 8 gestoppt. Damals hatte Microsoft gerade die Online-Werbefirma aQuantive gekauft. Und damit ein sechs Milliarden Dollar-Investment, das der Konzern nicht gefährden wollte.

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