Weihnachtsgebäck aus aller Welt:Fest der Mogelpackungen

Seit September sind die Läden mit billigen Plagiaten von allerlei Weihnachtsgebäck überschwemmt. Wie das Original eigentlich schmeckt, haben wir indes lange vergessen. Fünf Beispiele

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Weihnachtsgebäck-Herstellung

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Seit September sind die Läden mit billigen Plagiaten von allerlei Weihnachtsgebäck überschwemmt. Wie das Original eigentlich schmeckt, haben wir indes lange vergessen. Fünf Beispiele in Bildern.

Vanillekipferl

Den Advent in Böhmen, Bayern und dem Alpenraum überstrahlt nicht der Christstern, sondern der Halbmond - in Gestalt des Vanillekipferls. Wer nun mutmaßt, die türkische Belagerung Wiens hätte womöglich halbmondförmige Kekse zur Folge gehabt, der irrt. Die delikaten Hörnchen wurden erst im 19. Jahrhundert zum Thema, weil die Entdeckung des Vanillins die Produktion ankurbelte. Angeblich heidnischen Ursprungs, sollen sie von den Christen toleriert worden sein, weil sie Weihnachten verschönern. In Österreich sind Vanillekipferl bis heute das Weihnachtsgebäck schlechthin, wenn Supermärkte sie auch längst ganzjährig anbieten. Wie gut, dass feine Konditoren sich auf die Weihnachtszeit beschränken. Das erhält den Genuss. Und die nach alter Art im Advent gebackenen Exemplare retten ohnehin das Image des Kipferls.

Plätzchen Vanillekipferl Weihnachten Gebäck Backen

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Das Vertrackteste an dem Hörnchen aus Mürbteig ist seine Brüchigkeit. Darum lagern gute Vanillekipferl immer in der Dose, in der Tüte zerfielen sie rasch in zuckrigen Mulm. Der Mürbteig ist je nach Region mit gemahlenen Mandeln, Haselnüssen oder (seltener) auch mit Walnüssen angereichert. Perfekte Kipferl sind recht grobkörnig. Das macht den Teig so mürbe und verlangt höchste Knetkünste. Entscheidend ist auch, ob die Kipferl schon im Teig ihr Vanille-Aroma erhalten, idealerweise vom Mark einer Schote. Oder ob sie, wie bei Billigprodukten üblich, den Duft erst vom reichlich drüber gestreuten Schneegestöber aus Puder- und Vanillezucker haben. Wahre Könner verzichten hingegen ganz auf Puderzucker und ummanteln die Hörnchen lieber mit wenig gröberem Zucker sowie mit Nussbröseln. Das macht sie weniger süß und umso duftiger. Kniffe wie eine Spur Zitronenschale oder Rosenwasser im Teig sind erlaubt - die Varianten und Hausrezepte vielfältig, und viele sind gut. So wird fast jede neue Dose mit Kipferl zur Überraschung, auch wenn schon drei andere auf der Anrichte stehen.

Michael Frank

Lebkuchen Stollen

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Weihnachtsgebäck aus aller Welt:Nürnberger Lebkuchen

Wer wissen will, was ein guter Lebkuchen ist und was ein schlechter, dem bleibt im Grunde gar keine andere Möglichkeit als bei Utz Ulrich in Nürnberg anzufragen. Im Fernsehen wurde er mal als "Lebkuchenhistoriker" vorgestellt - das ist wirklich gut gesagt. Immerhin ist Ulrich der Ururenkel jenes Mannes, der von sich behaupten darf, den Elisenlebkuchen erfunden zu haben - und damit fraglos den edelsten aller denkbaren Lebkuchen. Im frühen 19. Jahrhundert war das, Ulrichs Ururgroßvater war damals mit Lieschen verheiratet, ihr wollte er ein Denkmal setzen mit seinem Süßgebäck. Wo "Elisen" draufsteht, da dürfen bis heute maximal zehn Prozent Mehl drin sein und mindestens ein Viertel Anteil bester Nüsse, der Ururgroßvater von Utz Ulrich wollte es so.

Lebkuchen Weihnachten Gebäck Backen

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Also, Herr Ulrich, wo kauft man ihn nun, den Edelkuchen aus Nürnberg? Die Antwort ist desillusionierend, denn Ulrich, 71, backt ausschließlich selbst in einem speziellen Ofen. Ohne den gehe es nicht, sagt er, "die meisten Heimbäcker produzieren pures Kompromissgebäck". Nur den Anfang kann noch jeder: Mehl, Eier, Rohrzucker und Haselnüsse in den Mixer, dazu Waldhonig fürs Aroma. Dann aber kommt schon das Häufeln auf die Oblate: ein Balanceakt. Danach muss das Ding noch zehn Minuten antrocknen, bei leicht geöffneter Ofentüre, damit die Feuchte gut entweichen kann. Erst wenn sich oben eine Haut zieht, darf man auch backen. Sowas können nur die Guten.

Wer sich dazu nicht rechnen darf, dem empfiehlt Utz Ulrich den Gang zu Nürnberger Bäckereien, die können das auch. Dort aber nur Lebkuchen ohne Schokoguss kaufen, dieser ganze Guss verdirbt die Kunst. Und im Supermarkt? Da, sagt Ulrich, "ist es dann auch schon wurscht, welchen man nimmt".

Olaf Przybilla

Stollen

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Weihnachtsgebäck aus aller Welt:Dresdner Stollen

Es gibt eine zutreffende Theorie des Schriftstellers Thomas Rosenlöcher: Erst die Vermischung von Hochkultur mit "plebejischer Drastik" mache das eigentlich Dresdnerische aus. Der Christstollen ist der laibhaftige Beweis dafür. Hochkultur deshalb, weil er vom Aufstieg und Wohlstand Sachsens kündet. Zu Beginn war der Stollen ein Fastengebäck, zusammengeknetet aus Mehl, Hefe und Wasser. Dass es dabei nicht blieb, ist auch der katholischen Kirche zu verdanken. 1491 erlaubte Papst Innozenz VIII. die Zugabe von Butter, weil man in Dresden "des Öhles nicht genug, sondern viel zu wenig und nur stinkend habe". In der DDR, in der man auch des Vanillezuckers und der Rosinen zu wenig hatte, wurde Stollen gern für das kapitalistische Ausland gebacken. Was es an Zutaten zu wenig gab, schickte der Westen - im Osten wurden die Striezel gebacken und als Rosinenbomber wieder ausgeführt. Diese Praxis sollte wiederbelebt werden, wenn man sieht, welchen Unfug der Stollen heute aushalten muss. Macadamia-Nüsse im Teig sind da ein Beispiel. Oder Ingwer, Pflaumen und Heidelbeeren.

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"Plebejische Drastik" aber nutzt der Dresdner gern, um sein Traditionsbewusstsein wieder einmal bis über die Grenzen des Erträglichen hinaus zu betonen. Für den Stollen gilt das ganz besonders. So hat man den "Schutzverband Dresdner Stollen e.V." gegründet. Dessen Rezept führt 16 Zutaten und ist ernährungswissenschaftlich eine kleine Katastrophe: Die viele Butter (knapp 50 Prozent) ist nötig, um den vielen Zucker zu binden. Auf die Butter aber kommt es an. Nimmt man zu wenig, können die daumendicken Stücke zu trockenen Bröseln zerfallen. Nimmt man zu viel, gibt es Schliff. Davor schützt ein Brauch, wie ihn viele Dresdner Familien noch pflegen: Sie kaufen Zutaten, bereiten sie auf und tragen alles zum Stollenbäcker. Macadamia-Nüsse wird man in solchen Stollen eher nicht finden.

Cornelius Pollmer

Panettone

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Weihnachtsgebäck aus aller Welt:Panettone

Streng genommen ist der Panettone ja auch nur eine Art Gugelhupf aus der Zeit, als Leonardo für den Sforza-Fürst Ludovico il Moro in Mailand rauschende Feste ausstattete. Doch gerade das vermeintlich Einfache ist oft am schwersten. Der Panettone neigt leider heute zu Trockenheit, gummiartiger Konsistenz und künstlich-parfümiertem Aroma. Dabei sollte er weich, locker und bissfest zugleich sein. Vor allem aber muss er duften: nach frischem Teig und nach Früchten. Denn zu den Zutaten gehören neben Weizenmehl, Butter, Eigelb und Hefe, auch mindestens 20 Prozent Sultaninen, kandierte Orangenschale und kleine Stücke Zitronat. Konservierungs- oder Farbstoffe sind verboten, woran sich aber viele nicht halten. Selbst Hersteller, die sich auf traditionelle Verfahren berufen, sparen zudem leider oft an den Früchten, die später dann ungleich im Teig verteilt sind. Und die Böden von Panettoni aus Industriebäckereien sind mitunter verbrannt.

Panettone Weihnachten Gebäck Italien Backen

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Die Verbraucherzeitschrift Altroconsumo hat für ihre Dezemberausgabe gerade die neun gängigsten Marken wie Motta oder Bauli zu Preisen zwischen 3,30 und 11,30 Euro aufwendig getestet. Ergebnis: Keine konnte die Tester überzeugen. In einigen fand man sogar Spuren von Schimmel. Am besten schnitt der "Panettone milanese" aus dem Hause Tre Marie ab, mit mageren 65 von möglichen 100 Punkten.

Echter Panettone erfordert eben Fingerspitzengefühl: Er muss ohne Chemie hoch aufgeschossen sein. Und Zeit: Gute Bäcker lassen ihn mit dem Kopf nach unten hängend trocknen. Der berühmte Mailänder Zuckerbäcker Marchesi gilt noch als Bürge für Panettone-Qualität. Oder die kleinen Pasticcerien in Mailand und Turin (wo er breiter gebacken ist). Der Rest hat mit der Weihnachtsspezialität dagegen oft wenig zu tun.

Henning Klüver

Pudding England

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Weihnachtsgebäck aus aller Welt:Christmas Pudding

Es liegen zwar keine wissenschaftlichen Erhebungen vor, aber die Erfahrung lehrt, dass Britanniens bekannteste Weihnachtsspezialität von vielen nicht mit festlicher Vorfreude sondern eher mit vorauseilendem Magendrücken erwartet wird: der Christmas Pudding. Er gehört unverzichtbar zur angelsächsischen Weihnacht wie dämliche Papierhüte, Truthahn und die Weihnachtsansprache der Queen.

Das heißt noch lange nicht, dass man ihn mögen muss. Feinkostläden und Supermärkte stapeln die topfförmige Delikatesse von Mitte November an in Pyramidenform auf und preisen das jeweils eigene Produkt als bestes an. Schmecken tun sie alle ähnlich: mittelmäßig, vom schwarzen Teigmantel bis zur Brandybutter oben drauf. Das mag auch an den Zutaten liegen, die in den Christmas Pudding gehören und die weder kulinarische Höhenflüge noch Abstürze erlauben.

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Quelle: AFP

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Mehl, Brotkrumen, Melassesirup, Eier, Nüsse, Rosinen, Orangeat und Zitronat und - unabdingbar - Rindernierenfett machen den Pudding aus, der einst unter dem Namen Plumpudding bekannt war, obschon er nie Pflaumen enthielt. Alle Zutaten werden verrührt und in einer Form gekocht oder gedünstet. Damit erhält der Pudding die Konsistenz eines Lehmziegels. Wobei die Fertigprodukte bei der Verdaulichkeit nicht unbedingt vorn liegen. Die Puritaner unter Oliver Cromwell, die Lebensfreude zu unterbinden suchten, verboten auch den Christmas Pudding. Vielleicht ist das Verbot der Grund, weshalb bis heute keine Region Anspruch auf den besten Weihnachtspudding des Königreichs erhebt. Selbst im Pudding Club, wo man die Tradition aller englischen Puddings pflegt, murmelt man unverbindlich, dass auch die Supermarktkette von Marks and Spencer "recht ordentliche" Puddings im Sortiment hat.

Wolfgang Koydl

© SZ vom 10.12.2010/holl
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