Europäische Krisenstaaten:Ich bin pleite - bitte rettet mich mal!

Retten lassen ohne Gegenleistung: In einigen Krisenstaaten kursieren gewagte Gedankenspiele. Sie würden gerne den EU-Rettungsschirm anzapfen - ohne selbst Sparprogramme auflegen zu müssen.

C. Gammelin und C. Hulverscheidt

Das an strenge Sparauflagen gekoppelte Programm der Euro-Staaten zur Rettung der gemeinsamen Währung gerät aus den eigenen Reihen unter Beschuss. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gibt es in mehreren EU-Ländern die Überlegung, den 750 Milliarden Euro umfassenden Stabilisierungsfonds EFSF anzuzapfen, ohne sich zugleich den bisher üblichen Sanierungsvorgaben der Partner zu unterwerfen. Die Bundesregierung wies das Ansinnen entschieden zurück.

Euro-Skulptur in Frankfurt

Einige Südländer würden gerne den Rettungsschirm nutzen - ohne dafür viel tun zu müssen.

(Foto: dpa)

Nach bisherigem Verständnis muss ein in Not geratenes Land zunächst mit der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) ein Paket zur Haushaltssanierung vereinbaren, bevor es überhaupt Anspruch auf Hilfe der Euro-Partner hat. Erst wenn das nationale Parlament dieses Reformpaket verabschiedet hat, darf der EFSF Anleihen ausgeben und die Erlöse an die betroffene Regierung weiterreichen. Das Land ist dann nicht mehr auf private Geldgeber und deren womöglich überzogene Zinsforderungen angewiesen. Für die Rückzahlung der Anleihen bürgen die übrigen Euro-Staaten.

Nach Angaben aus Kreisen der EU-Mitgliedsländer fordern nun jedoch einige südliche Hauptstädte, auch ohne Auflagen im Notfall unterstützt zu werden. Sie fordern, dass der EFSF künftig gezielt Anleihen einzelner Euro-Staaten aufkaufen darf. Das würde bedeuten, dass diese Länder zinsgünstig Geld erhielten, ohne sich im Gegenzug zu einer strikten Sparpolitik verpflichten zu müssen. Alternativ schlagen sie vor, dass sich die Euro-Staaten verpflichten, jeweils einen bestimmten Anteil von Neuemissionen zu kaufen, die die Staaten ausgeben, um ihre Schulden zu refinanzieren. Zu den Verfechtern dieser Ideen gehören dem Vernehmen nach unter anderem Spanien und Portugal.

"Damit würde der vereinbarte Hilfsmechanismus schlichtweg ausgehebelt", hieß es in den Kreisen. Auch der Berliner Regierungssprecher Steffen Seibert wies den Vorstoß zurück. "Die Bundesregierung hat das geprüft und abgelehnt", sagte er. Die Idee sei nicht gut, weil zum einen die europäischen Verträge erneut geändert werden müssten und zudem der Druck auf Krisenländer gemindert würde, ihre Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums erklärte, der jetzige Rettungsschirm funktioniere und erreiche sein Ziel, den Euro zu stabilisieren. "Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass dieses Ziel durch weitere Maßnahmen besser erreicht werden könnte", sagte er.

Die Staats- und Regierungschef der Europäischen Union wollen bei ihrem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel erneut über die Schuldenkrise in der Eurozone beraten. Dabei wird es unter anderem um die Frage gehen, wie das Hilfsverfahren effizienter gemacht und im Notfall auch beschleunigt werden kann. Im Falle Irlands hatte es wochenlang gedauert, bis alle Formalitäten erledigt waren. Zudem stehen von den 750 Milliarden Euro derzeit nur 677 Milliarden zur Verfügung, weil der EFSF einen Teil seiner Mittel als Sicherheit einbehalten muss, um von den Ratingagenturen die beste Bonitätsnote zu erhalten. Sie ist notwendig, um die Zinsen für die Kredite so niedrig wie möglich zu halten.

Deutschland drängt auf eine härtere Formulierung

Außerdem geht es in Brüssel um eine Anschlussregelung für das derzeitige Rettungsprogramm, das Mitte 2013 ausläuft. Am Montag stritten die EU-Staaten noch über den genauen Wortlaut der anvisierten EU-Vertragsänderung.

Nach dem bisherigen, der SZ vorliegenden Formulierungsvorschlag verpflichten sich die Euroländer, einen Rettungsschirm zu schaffen, der "die Stabilität der Eurozone als Ganzes bewahrt". Jegliche Finanzhilfe wird zudem an Auflagen geknüpft. Deutschland dringt jedoch auf einen härteren Text, der deutlich macht, dass der Krisenmechanismus nur eine "ultima ratio" ist. Diese würde erst greifen, wenn die Eurozone insgesamt gefährdet ist.

Werner Hoyer (FDP), Staatsminister im Auswärtigen Amt, sagte der SZ, Berlin lehne die Ausgabe gemeinsamer Staatsanleihen aller Euroländer weiter strikt ab. Langfristig würden diese "zur Destabilisierung des Euroraumes" beitragen, sagte er in Brüssel.

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