Klimawandel:Die Nordsee wird zum Mittelmeer

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Der Klimawandel heizt das Wasser an deutschen Küsten auf. Badegäste mögen sich darüber freuen - doch für viele Tiere und Pflanzen ist die Entwicklung fatal.

P. Illinger

Es herrscht Badewetter an den deutschen Küsten. 19 Grad Wassertemperatur meldet die Nordseeinsel Norderney, 18 Grad waren es am Mittwoch bei Fehmarn in der Ostsee. Da lohnt sich eine Flugreise zu den Azoren nicht mehr - dort ist das Meer um kein Grad wärmer.

Luftmatratze statt Gummistiefel: Die Nordsee wird immer wärmer. (Foto: Foto: dpa)

Nun berichtet auch das Deutsche Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie BSH: Die Nordsee ist trotz eines vergleichsweise kühlen und windigen Junis erheblich wärmer als sie es im Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte war.

"Keine Zweifel", hat der BSH-Referatsleiter Hartmut Heinrich, zuständig für die Physik des Meeres, dass sich hier die Auswirkungen des globalen Klimawandels zeigen. Dabei spielen das zuströmende wärmere Atlantikwasser und die im Zuge des Treibhauseffekts verstärkte Sonnenwärme eine Rolle.

Sollte das sonnige Wetter der vergangenen Tage an der deutschen Küste anhalten, rechnen die BSH-Experten in diesem Sommer mit Rekordtemperaturen in der Nordsee, die mit den Ausnahmejahren 2003 und 2006 vergleichbar sind.

Damit setzt sich ein Trend fort, der seit 22 Jahren anhält. Im vergangenen Jahrhundert war es noch üblich, dass die Temperatur der Nordsee in acht bis zwölf Jahre dauernden Zyklen schwankte. Warmphasen wechselten sich mit Kaltphasen ab.

Seit 1987 wird das Gewässer jedoch von einer hartnäckigen Warmphase bestimmt. Erstaunt sind die Wissenschaftler darüber, dass sich die Erwärmung besonders in den tieferen Wasserschichten nahe dem Meeresboden bemerkbar macht.

Mit Hilfe eines Netzwerks aus unterseeischen Sensoren haben die BSH-Experten festgestellt, dass sich das bodennahe Nordsee-Wasser im Schnitt zwei Grad Celsius über dem langjährigen Durchschnitt eingependelt hat. In rund 40 Meter Tiefe ist das Wasser der Nordsee nunmehr um die 13 Grad warm, im 20. Jahrhundert waren es durchschnittlich elf Grad.

Noch prägnanter zeigt sich der Trend in der westlichen Ostsee: Im sogenannten Arkonabecken liegt die Wassertemperatur seit dem Jahr 2000 um etwa vier Grad über dem langjährigen Mittel.

Während sich Badegäste an den deutschen Küsten über diese Entwicklung freuen mögen, sind die Konsequenzen für die lokale Tier und Pflanzenwelt zum Teil fatal. Mit steigenden Wassertemperaturen fällt der Sauerstoffgehalt des Wassers, was einige einst angestammte Fischarten wie den Kabeljau in nördlichere Gefilde vertreibt.

Vor Grönland ist die Befischung des Kabeljaus bereits im vollen Gang. "Dabei wäre es für den Erhalt der Bestände besser, der Kabeljau könnte sich dort erstmal erholen", mahnt Michael Welling, Sprecher des für Fischerei zuständigen Hamburger Thünen-Instituts.

Gleichzeitig stoßen neue Fischarten aus südlichen Gewässern in die für sie lebensfreundlich gewordene Nordsee vor. Einige dieser Einwanderer werden im Südwesten der Nordsee bereits befischt. Dazu gehören die Streifenbarbe und die vielen Menschen von der Pizza bekannten Anchovis.

Mit Sorge beobachten Meeresbiologen auch, dass die Erwärmung des Wassers gravierend in die Nahrungsketten eingreift. Speziell der von Überfischung und Sauerstoffverknappung bereits bedrohte Kabeljau hat nun zusätzlich darunter zu leiden.

Für die Larven und Jungtiere dieser Fischart stehen plötzlich nicht mehr die als Nahrung benötigten Kleinstlebewesen zur Verfügung. Diese haben ihren Jahreszeitenzyklus mit dem wärmer werdenden Wasser einfach verschoben.

© SZ vom 02.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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