Baden-Württemberg: Archäologie:100 Tonnen Keltengeschichte

"Das wird die Wissenschaft über die Keltenzeit verändern": Archäologen bergen im "schwäbischen Troja" die 2600 Jahre alte Grabkammer einer Fürstin - komplett, mittels zweier Schwerlastkräne.

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Mitten auf einem schneebedeckten Acker im Umfeld der Heuneburg bei Herbertingen stehen zwei Schwerlastkräne. Sie heben einen 7,5 mal 6 Meter großen Block aus der Erde. Der Block ist ein keltisches Grab: die Ruhestätte einer Fürstin, etwa 2600 Jahre alt und bestens erhalten.

Für den Grabungsleiter Dirk Krausse ist der Fund in Baden-Württemberg ein "Meilenstein der Archäologie". Der Landesarchäologe ist sich sicher: "Das wird die Wissenschaft über die Keltenzeit verändern." Das Grab sei sehr gut erhalten und die reichen Schmuckbeigaben etwas ganz Besonderes. Sie ermöglichten erstmals die exakte Datierung eines frühkeltischen Fürstengrabes.

Ganz behutsam heben die Kräne den Fund an dicken Stahlseilen auf einen Spezialtransporter. Etwa 120 Schaulustige wohnen dem Spektakel trotz Minustemperaturen bei.

Ganz ohne Risiko ist die spektakuläre Aktion nicht. "Das Gefährliche an der Bergung ist das Gewicht, da werden mal eben 100 Tonnen bewegt", sagt Grabungstechniker Hans Lang.

Der Boden und die Wände der Grabkammer bestehen aus starken Eichenbrettern, die laut Krausse sehr gut konserviert sind. So können die Wissenschaftler die Jahresringe des Holzes zählen und so das Alter des Grabes aufs Jahr genau bestimmen. "Diese Datierung wird von enormer wissenschaftlicher Bedeutung sein und hat weitreichende Konsequenzen für die prähistorische Archäologie und die Landesgeschichte", sagt Krausse.

2005 hatten Archäologen ganz in der Nähe ein Kindergrab entdeckt. Erst in diesem Jahr stellte sich heraus, dass dies nur ein Nebengrab war und dass in der Hauptkammer möglicherweise die Eltern liegen.

Perlen aus Gold und Bernstein

Im Sommer waren die Archäologen des baden-würrtembergischen Landesamts für Denkmalpflege dann auf die Ruhestätte der Fürstin gestoßen. Das Kammerschachtgrab befand sich unterhalb der Heuneburg. Ursprünglich lag es im Zentrum eines mächtigen Grabhügels, etwa 80 Zentimeter tief in der Erde. Fast hätte der Pflug das Grab zerstört - im Laufe der Jahrhunderte wurde der Grabhügel abgetragen, zuletzt seien es nur wenige Zentimeter bis zur Maisfeld-Oberfläche gewesen.

Keltengrab in Herbertingen gefunden

"Meilenstein der Archäologie": In dem Keltengrab bei der Heuneburg in Baden-Württemberg entdeckten Forscher aufwendig verzierte Schmuckstücke.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Beim Sondieren stießen die Forscher auf Frauenschmuck wie Perlen aus Gold und Bernstein. Eine Überraschung, denn in den bis dahin entdeckten Zentralgräbern rund um die Heuneburg konnten die Forscher nur wenig finden: Alle waren Ziele von Grabräubern geworden. Dennoch gibt es so viele Fundstellen, dass Politiker aus der Region schon einmal von der Heuneburg als "schwäbischem Troja" sprechen.

Wegen der reichen Schmuckbeigaben geht Krausse davon aus, dass es sich bei dem neuen Fund um das Grab einer Frau aus dem Heuneburg-Adel handelt. Ob neben der Fürstin auch ihr Mann mit seinem Schwert als Machtsymbol liegt, ist unsicher.

Warum das Grab mit seinem prunkvollen Inhalt nicht wie die anderen Gräber geplündert wurde, kann Krausse nicht genau sagen. "Vermutlich stürzten die Holzwände der Kammer sechs Meter unter der Erde schnell ein, dadurch konnten antike Grabräuber nicht so leicht hineingelangen." Unter großer Geheimhaltung legten Krausse und sein Team die Graboberfläche frei - in Sorge, Grabräuber könnten mit 2500 Jahren Verspätung doch noch ihr Zerstörungswerk verrichten.

Krausses Team wird in den nächsten Monaten vor allem im Labor des Landesamts für Denkmalpflege bei Stuttgart weiter arbeiten: Dort werden einzelne Erdblöcke ganz fein herausgelöst, dann folgen hochauflösende computertomographische Untersuchungen.

Nach der Auswertung des Grabinhalts könne man viel genauer einschätzen, wie stark der phönizische und griechische Einfluss in dem Jahr X vor Christus im heutigen Süddeutschland gewesen sei.

"Anhand von 3-D-Bildern können die Beigaben gezielt restauriert und konserviert werden", sagt Krausse. Die ersten Ergebnisse sollen bereits am 7. Juni 2011 in einer Ausstellung in Esslingen präsentiert werden. Im September 2012 soll der Fund dann aufgrund seiner herausragenden Bedeutung Teil der großen Keltenausstellung in Stuttgart werden.

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