UN-Sicherheitsrat:Lustlos am Tisch der Mächtigen

Deutschland sitzt nun für zwei Jahre im UN-Sicherheitsrat. Außenminister Westerwelle aber hat bisher nicht erklärt, was er überhaupt mit dem Mandat anfangen will. Noch viel weniger lässt er erkennen, dass er über die nötigen Eigenschaften verfügt, um bei den Großen in New York mitspielen zu können.

Hubert Wetzel

Die meiste Zeit über braucht Deutschland eigentlich gar keinen Außenminister. Die Beziehungen der Bundesrepublik zum Rest der Welt werden von vielen Leitplanken begrenzt und geformt: die Verankerung in EU und Nato, die Freundschaft zu Amerika, Frankreich und Israel, das besondere Verhältnis zu Polen und Russland, das Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten. Eigentlich reicht ein fähiger Beamtenstab, um diese Außenpolitik zu verwalten.

UN-Vollversammlung

Noch klingt Guido Westerwelles Programm für den Sicherheitsrat unverbindlich.

(Foto: dpa)

Am 1. Januar verlässt Deutschland diesen geschützten Bereich. Von Samstag an gehört die Bundesrepublik dem UN-Sicherheitsrat an - jenem Gremium, auf dessen Tisch früher oder später jede halbwegs ernste Krise landet und wo zudem jedes wichtige Thema, von Aids in Afrika über Wahlfälschungen in Birma bis zu nordkoreanischen Artillerieüberfällen auf südkoreanische Inseln, zwischen die Mühlsteine nationaler Interessen, Eitelkeiten und Rivalitäten gerät. Diplomatie im Sicherheitsrat - das ist viel Spiegelfechterei, das ist aber auch ein außenpolitischer Boxkampf mit Blei in den Handschuhen.

Um da mithalten und womöglich sogar etwas durchsetzen zu können, reicht es nicht, die übliche Aktendeckel-Außenpolitik weiterzubetreiben. Stattdessen muss - um den derzeitigen Amtsinhaber zu zitieren - ein Außenminister an Deck auftauchen, der mit Leidenschaft, Wissen und Interesse das Kommando führt.

In der Praxis heißt das zum Beispiel: Bis Freitag, 24.00 Uhr, kann das Auswärtige Amt es sich noch leisten, seinen Sprecher in vagen Erklärungen die Lage in der Elfenbeinküste bedauern zu lassen. Von Samstag, 0.00 Uhr, an würde man erwarten, dass der Außenminister des Sicherheitsratsmitglieds Deutschland auch einen Vorschlag hat, wie der bedauernswerte Zustand beendet werden könnte.

Guido Westerwelle freilich hat bisher nicht erkennen lassen, dass er über die nötigen Eigenschaften verfügt, um bei den Großen in New York mitspielen zu können. Seit 14 Monaten ist er Außenminister, aber er wirkt immer noch so, als sei ihm der ganze Auslandskram eigentlich lästig, als kämpfe er sich durch ein mühseliges Pflichtprogramm. Das muss nicht so sein. Westerwelles Vorgänger haben gezeigt, dass auch ein deutscher Außenminister gelegentlich eine Initiative wagen oder ein Thema setzen kann. Joschka Fischer war dabei lauter, Frank-Walter Steinmeier leiser, aber beiden war anzumerken, dass sie ein paar Tropfen Herzblut in ihre Arbeit fließen ließen. Es ist kein Zufall, dass Deutschland seine Bewerbung um den Sicherheitsratssitz zur Amtszeit Steinmeiers eingereicht hat.

Ob Westerwelle Streit mit den USA riskieren würde?

Westerwelle hat den Sitz nun geerbt, aber was er damit will, hat er bislang nicht erklärt. Auf der Internet-Seite seines Hauses gibt es zwar ein kurzes Video, in dem der Minister vor einer himmelblauen UN-Flagge das deutsche Programm vorliest. Aber das klingt alles recht unverbindlich und wohlfeil: "Besonders am Herzen liegt uns der Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten", sagt Westerwelle da. Aber wer würde das nicht sagen, außer vielleicht jene afrikanischen Warlords, die Zehnjährigen eine Kalaschnikow in die Hand drücken und sie auf ihre Eltern schießen lassen? Ob Westerwelle wohl auch bereit ist, einen Streit mit den USA oder Großbritannien zu riskieren, beides Länder, die noch Jugendliche unter 18 Jahren in ihre Armeen aufnehmen und in den Krieg schicken?

Selbst den deutschen Wunsch nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat trägt Westerwelle so lustlos vor, als habe er den Kampf darum längst aufgegeben. Deutschland sei bereit, dauerhaft Verantwortung im Rat zu tragen, sagt Westerwelle - nur um dann ganz richtig darzulegen, dass nicht die Europäer, sondern Lateinamerika, Asien und Afrika in dem Gremium unterrepräsentiert sind. Zwei Jahre wird Deutschland nun im Sicherheitsrat sitzen. Für diese Zeit bräuchte es einen Außenminister.

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