Libanon: Fall Hariri:Hisbollah lässt Regierung scheitern

Die libanesische Schiiten-Partei Hisbollah kündigt wegen des Streits um die Aufklärung des Mordfalls Hariri die Koalition auf - die Regierung ist am Ende.

Tomas Avenarius

Die libanesische Regierung ist zerbrochen. Die militante Schiiten-Organisation Hisbollah und die mit ihr verbündete Christenpartei von General Michel Aoun zogen am Mittwoch ihre zehn Minister aus dem 30-köpfigen Kabinett zurück. Dies gab Energieminister Jibran Bassil von den Aounisten bekannt. Zudem trat ein weiterer, Hisbollah-naher Minister zurück. Mit elf fehlenden Kabinettsmitgliedern ist die Regierung offiziell arbeitsunfähig.

Gebran Bassil, Libanon

Der Energieminister Dschibran Bassil (mitte) von der Schiiten-Partei Hisbollah verkündete am Mittwoch seinen eigenen Rücktritt und den von neun seiner Kabinettskollegen. Mit dem Rückzug eines elften Ministers zerbricht die Regierungskoalition.

(Foto: REUTERS)

Die Hisbollah hatte von Premierminister Saad al-Hariri am Mittwoch als einzige Alternative zum Rücktritt ihrer Minister eine Sondersitzung des Kabinetts gefordert. Auf dieser sollte offenbar beschlossen werden, dass der Libanon die Zusammenarbeit mit dem UN-Tribunal zur Aufklärung des Mords an einem libanesischen Ex-Regierungschef aufkündigt oder zumindest einschränkt. Premier Hariri hatte dies verweigert. Er befindet sich derzeit in den USA, um Präsident Barack Obama zu treffen.

Energieminister Bassil sagte: "Dieses Kabinett war zu einer Belastung für den Libanon geworden. Es war arbeitsunfähig." Bassil sagte, nun gebe es die Chance für die Bildung einer neuen Regierung.

Eigentlicher Hintergrund des Zerwürfnisses zwischen der schiitischen Hisbollah, der ebenfalls schiitischen Amal sowie den christlichen Aounisten und den sunnitischen und christlichen Parteien um Regierungschef Hariri ist das UN-Sondertribunal zur Aufklärung des Mords an dem früheren Premierminister Rafiq al-Hariri. Die Hisbollah muss damit rechnen, dass mehrere ihrer Mitglieder in den kommenden Wochen vom Tribunal als Angeklagte benannt werden.

Die Schiiten-Partei fordert, dass der Premier die Zusammenarbeit mit dem Tribunal aufkündigt. Saad Hariri selbst ist der Sohn des ermordeten Politikers und Wirtschaftsmagnaten Rafiq al-Hariri. Dieser wurde im Februar 2005 bei einem Bombenanschlag in Beirut getötet.

Der Anschlag, bei dem neben Hariri 22 weitere Menschen starben, wird von einem von der UN und der libanesischen Regierung eingesetzten Tribunal untersucht. Der Verdacht hatte sich zunächst auf die Führung des Nachbarlandes Syrien konzentriert. Jetzt zeichnet sich ab, dass auch die mit Syrien verbündete Schiiten-Miliz Hisbollah zu den Verdächtigen gezählt wird.

Es wird damit gerechnet, dass der im niederländischen Den Haag ansässige Gerichtshof in den kommenden Wochen Anklage erhebt. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah nennt das Tribunal "ein israelisch-zionistisches Projekt" und verweigert dem Gerichtshof die Anerkennung. Aufkündigen kann die Zusammenarbeit Libanons mit dem UN-Gericht aber nur Premier Hariri selbst. Bisher besteht der junge Hariri darauf, dass das Tribunal weiter arbeitet.

Die Kabinettskrise hatte sich seit Monaten abgezeichnet. Eine syrisch-saudische Vermittlungsmission hatte keinen Erfolg: Syrien ist neben Iran der wichtigste Verbündete der Hisbollah; Saudi-Arabien stützt Premierminister Hariri. Unabhängige libanesische Kritiker des Tribunals befürchten, dass eine Anklageerhebung gegen Hisbollah-Mitglieder zu bürgerkriegsähnlichen Kämpfen zwischen der schiitischen Bevölkerungsgruppe und den Sunniten und Christen führen könnte.

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