NRW:Die Angst der Schwarzen vor dem Wähler

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Das Verfassungsgericht Münster hat die Schuldenorgie der rot-grünen Regierung gestoppt, doch CDU und FDP trauen sich nicht, selbstbewusst Neuwahlen zu fordern.

Bernd Dörries

Am Montag noch haben Hannelore Kraft und ihre Minderheitsregierung Johannes Rau gedacht, der in diesen Tagen 80 Jahre alt geworden wäre. Kraft fielen die andächtigen Worte nicht schwer, ist doch das Gedenken an Rau ein großer Teil ihres Regierungsprogramms: Gute Freunde bekommen eine Biographie von Rau, die Haushalte mit Rekordschulden werden nach dem Motto des ehemaligen Landesvaters erstellt: "Die Schulden von heute sind die Einnahmen von morgen." Das hat schon damals nicht funktioniert, wenn man heute durch NRW fährt, sieht man ein Land mit maroder Infrastruktur, das sein Geld für Zinsen ausgibt, nicht für neue Schienen.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Juni 2010. (Foto: dapd)

Der Verfassungsgerichtshof Münster hat die Schuldenorgie der Landesregierung am Dienstag vorerst gestoppt. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Gericht einen laufenden Etat auf Eis legt, sich also in das Königsrecht des Parlaments einmischt, zum Schiedsrichter der Politik wird. Eigentlich müssten CDU und FDP jubeln, angesichts dieses Erfolgs. Eine richtige Opposition müsste sich hinstellen und selbstbewusst die Neuwahl fordern.

Aber: CDU und FDP trauen sich nicht, sie haben ein Urteil erstritten, ohne darüber nachzudenken, was sie damit anstellen können. Angesichts schlechter und katastrophaler Umfragewerte haben sie so große Angst vor dem Urteil der Bürger, dass sie Neuwahlen fast um jeden Preis verhindern wollen. Das hätten sie sich vorher überlegen sollen. Das Publikum sieht einen zitternden Prozessgewinner, der nun Angst hat vor der eigenen Courage

FDP-Fraktionschef Gerhard Papke, der noch im Sommer eine Ampelkoalition verhindert hatte, zeigt nun Interesse, einer solchen beizutreten. Und CDU-Mitglieder überlegen tatsächlich, Hannelore Kraft eine große Koalition unter Beteiligung der Grünen anzubieten. In dieser Verfassungsnotlage müssten alle Demokraten zusammenstehen, argumentieren sie. Das alles zeigt letztlich nur, wie groß die Notlage der CDU ist. Die CDU will nichts wagen; also wird sie auch nichts gewinnen.

Im Sommer hatte man in Düsseldorf alle möglichen Koalitionsvarianten durchgespielt, übrig blieb nur die Minderheitsregierung. Jetzt bestehen zwei Möglichkeiten: entweder, die Minderheitsregierung bleibt im Amt und beendet die Johannes-Rau-Gedächtnispolitik, deren Milliardenschulden das Gericht Ende März wohl endgültig für verfassungswidrig erklären wird.

Oder es gibt Neuwahlen. Die Grünen hätten sie gerne, um bei günstigen Umfragen aus der Minderheitsregierung eine Regierung aus eigenem Recht zu machen; sie haben noch nicht alle in der SPD davon überzeugen können.

Für die Auflösung des Parlaments braucht es nicht nur die Stimmen der Regierungsparteien, sondern auch eines Teils der Opposition. FDP und Linke haben fast noch mehr Angst vor Neuwahlen als die CDU; sie haben panische Angst und würden eher fusionieren, als einen Wahlgang zu unterstützen.

© SZ vom 19.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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