Heidelberg: LKA-Spitzel im Hörsaal:Ausspioniert vom Kommilitonen

Simon Brenner war der nette Surfertyp, der in der linken Szene in Heidelberg schnell Freunde fand. Jetzt ist klar: Er war ein Spitzel des Landeskriminalamts - angesetzt auf die eigenen Kommilitonen.

Er war der nette blonde Typ im Surferlook. Immer zuvorkommend, für jede Aktion zu haben. Simon Brenner schrieb sich im Sommer 2010 für die Fächer Germanistik und Ethnologie an der Universität Heidelberg ein, gewann schnell Freunde, nahm an Protestaktionen gegen den Castortransport teil und demonstrierte gegen Stuttgart 21.

Studenten an der Uni Heidelberg

Einer wie alle? Von wegen. Mitunter findet sich auch ein LKA-Spitzel unter den Studenten der Universität Heidelberg.

(Foto: dpa)

Jetzt steht fest: Simon Brenner gibt es gar nicht. Der junge Mann mit diesem Decknamen war ein Spitzel des Landeskriminalamts, angesetzt auf die linke Szene an der Uni Heidelberg. Das baden-württembergische Innenministerium hat seinen Einsatz als V-Mann offiziell bestätigt .

Brenner, der im Dezember enttarnt worden war, beobachtete demnach neun Monate lang Mitglieder der antifaschistischen und anarchistischen Szene. Ziel sei es gewesen, durch Erhebung personenbezogener Daten "Straftaten mit erheblicher Bedeutung" vorzubeugen, erklärte das Ministerium. Das Polizeigesetz erlaube den Einsatz von verdeckten Ermittlern zur Gefahrenabwehr oder zur vorbeugenden Strafbekämpfung.

Als "völlig lächerlichen Vorwand" bezeichnet die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) diese Begründung in einer Erklärung. Und auch die Opposition in der Landesregierung fordert Erklärungen. "Welche Straftaten wurden denn geplant und durch die Tätigkeit des verdeckten Vermittlers verhindert?", will der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Uli Sckerl, wissen. Eine pauschale Erklärung genüge nicht, sei der Einsatz verdeckter Ermittler doch an sehr enge Voraussetzungen geknüpft.

Laut AIHD sei die Hausdurchsuchung bei einem linken Studenten auf die Aktivitäten Brenners zurückzuführen, ebenso wie der massive Polizeieinsatz am Rande der antifaschistischen Proteste gegen das "Heldengedenken" in Heidelberg im November 2010.

Staatliche Repression

Unter den Studenten ist die Empörung groß - viele von ihnen glaubten, einen Freund gefunden zu haben, verbrachten ihre Freizeit mit ihm und planten innerhalb der linken Hochschulgruppe des Sozialistischen Demokratischen Studierendenverbands (SDS) gemeinsame politische Aktionen. "Einfach mal so bespitzeln ist doch echt STASI" empört sich ein Nutzer über Twitter.

Die linke Gruppierung "Kritische Initiative Heidelberg" zeigte sich in einer schriftlichen Erklärung schockiert: Dass die Polizei so massiv in unser Leben eingreift, ist schockierend. Dass damit gerechnet werden muss, ist und war uns immer bewusst. Eine so groß aufgezogene Taktik war uns jedoch nicht vorstellbar."

Auf der linksradikalen Seite indymedia.org wurden bereits vermeintliche Handynummern, E-Mail-Adressen und Anschrift des Mannes hinter Simon Brenner veröffentlicht. Der Fall zeige auf erschreckende Weise, "wie sehr Teile der Exekutive das im Grundgesetz verankerte Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst schlicht ignorieren und mit welcher Rücksichtslosigkeit, auch und insbesondere gegenüber der psychischen Verfasstheit der unmittelbar Betroffenen, der staatliche Repressionsapparat arbeitet", heißt es von den Machern der Seite.

Die Geschichte hatte Wellen geschlagen, nachdem der V-Mann im Dezember von einer Urlaubsbekanntschaft auf einer Party als Polizist enttarnt worden war. Damals hat er sich laut Zeugenberichten den Fragen der Studenten gestellt und seine wahre Profession nicht abgestritten. Im Netz kursieren Fotos dieses Abends. Zu sehen ist ein junger Mann mit langen Haaren, der sich die Hand vors Gesicht hält. Danach habe er sich verabschiedet - und wurde seitdem nicht mehr in Heidelberg gesehen.

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