Bundesverfassungsgericht: Klage zu Asylrecht:Die Richter richten nicht

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Weil Deutschland derzeit keine Asylbewerber mehr nach Griechenland schickt, will das Bundesverfassungsgericht kein Urteil zum Asylrecht fällen. Die Klage sei zu einer "abstrakten Frage" geworden.

Das Bundesverfassungsgericht wird kein Urteil zum Asylrecht fällen. Wie der Zweite Senat an diesem Mittwoch in Karlsruhe mitteilte, wurde das Verfahren eines Asylbewerbers gegen seine Abschiebung nach Griechenland eingestellt.

Nach der 2003 beschlossenen Dublin-II-Verordnung können Menschen prinzipiell nur in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie erstmals EU-Boden betreten. Beobachter halten die Umstände der Asylverfahren in Griechenland allerdings für katastrophal. Diese afghanische Frau demonstriert in Athen mit ihrem Baby gegen die schlechte Behandlung. (Foto: REUTERS)

Am 28. Oktober 2010 war über den Fall mündlich verhandelt worden. Zur Begründung verweist das Gericht auf den inzwischen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verhängten Abschiebestopp.

Demnach überstellt Deutschland bis Januar 2012 keine Asylsuchenden mehr nach Griechenland, sondern führt die Asylverfahren selbst durch. Die Anordnung erging aufgrund der schweren Defizite bei der Durchführung und Unterbringung der Asylbewerber in Griechenland.

Wie das Bundesverfassungsgericht weiter mitteilte, hat es selbst auf die Entscheidung des Bundesinnenministeriums gedrängt. Unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung im Oktober habe der Zweite Senat eine entsprechende Prüfung in Berlin angeregt.

Aufgrund des daraufhin erlassenen Rückführungsstopps wurde das Karlsruher Verfahren jetzt eingestellt. Wörtlich heißt es dazu: "Der Zweite Senat hat keinen Anlass gesehen, das Verfahren zur Klärung lediglich abstrakter, gegenwärtig nicht aktueller Fragen des nationalen Verfassungsrechts fortzuführen."

Die Anwälte des Asylbewerbers waren mit der Einstellung einverstanden. Sie hatten bereits vergangene Woche das Verfahren für erledigt erklärt. Nach der Dublin-II-Verordnung ist jenes europäische Land für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, über das der Flüchtling einreiste.

Die Mitgliedstaaten haben allerdings die Möglichkeit, das Asylverfahren abweichend von Dublin II in nationaler Verantwortung selbst durchzuführen. Davon machte Deutschland jetzt im Falle von Überstellungen nach Griechenland Gebrauch. Das Bundesinnenministerium erteilte dem Bundesamt für Migration eine entsprechende Anweisung.

Griechenland ist aufgrund seiner geografischen Lage vom Zustrom von Asylbewerbern besonders stark betroffen. Sowohl bei der Versorgung als auch bei den Verfahren gibt es schwere Mängel. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte deshalb am 21. Januar 2011 die Überstellung nach Griechenland für menschenrechtswidrig erklärt. Die Entscheidung von Bundesinnenminister de Maizière war allerdings vor dem Straßburger Urteil gefallen.

(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 2 BvR 2015/09)

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