Guttenberg in Bedrängnis:Der Minister wird dünnhäutig

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Der angeschlagene Minister Guttenberg muss im Verteidigungsausschuss eine Informationspanne einräumen - weist aber sonst jede Verantwortung weit von sich. Damit sind nicht einmal die Parteifreunde zufrieden.

Thorsten Denkler, Berlin

Ein schneidiges "So!", dann kann es losgehen. Über vier Stunden hat die Befragung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Verteidigungsausschuss gedauert. Jetzt kommt er weit nach 14 Uhr aus dem Sitzungsaal 2700 im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages, reibt sich die Hände und postiert sich vor einer Phalanx von Kameras, um sich den Fragen der Presse zu stellen.

Der Kopf ist rot vom vielen Reden: Verteidigungsminister Guttenberg stellt sich nach der Ausschusssitzung den Fragen der Reporter. (Foto: dpa)

Die Haut glänzt verschwitzt, der Kopf ist rot vom vielen Reden. Er sei etwas "dünnhäutig" gewesen im Ausschuss, wird der SPD-Obmann Rainer Arnold später feststellen. Und selbst sein CDU-Kollege Ernst-Reinhard Beck wird eingestehen, dass es die ein oder andere Situation gegeben habe, wo man diesen Eindruck habe gewinnen können.

Situationen wohl, in denen er sich wegen der vielen Vorgänge um geöffnete Feldpost, tödliche Unfälle von Soldaten und Führungsversagen auf der Gorch Fock von Fragen persönlich angegriffen fühlte.

Hier draußen versucht er sich zunächst als umsichtigen Aufklärer zu positionieren. Er habe den Eindruck, dass jetzt "die Gebäude, die auf Vorwürfen aufgebaut sind, in sich zusammenbrechen". Sachaufklärung sei der Maßstab, daran halte er sich. Er wolle sich lieber mit Tatsachen auseinandersetzen, als mit Vorwürfen.

Das wollen ihm die Oppositionspolitiker nicht so ohne weiteres abnehmen, weder im Ausschuss, noch später, als er der gleichen Losung in der Aktuellen Stunde des Bundestages folgt. Das hat einen einfachen Grund. Am vergangenen Freitagmittag noch hatte er im Bundestag die Losung ausgegeben: erst aufklären, dann bewerten, dann handeln.

Am selben Abend jedoch hat Guttenberg plötzlich ohne ersichtlichen Grund den Kommandanten der Gorch Fock, Kapitän Norbert Schatz, vorläufig suspendiert. Erst hieß es, wegen neuer Erkenntnisse, die sich zum Abend hin verdichtet hätten. Welche Erkenntnisse das sein sollen, darüber schweigt sich der Minister auch im Ausschuss aus. Nach wie vor sei unklar, auf welcher Faktengrundlage Guttenberg den Kapitän der Gorch Fock von seinem Kommando abgelöst habe, so der SPD-Wehrexperte Arnold.

Schatz befindet sich einem Sprecher Guttenbergs zufolge noch immer an Bord des Schiffes, das derzeit vor dem argentinischen Hafen Ushuaia ankert. Er soll dort von der Untersuchungskommission befragt werden, die am Freitag auf dem Schiff ihre Arbeit aufnimmt, um die Ereignisse vor und nach dem Tod einer jungen Soldatin aufzuklären.

Doch ärgerlicher aber ist für die Mitglieder des Ausschusses, dass sie sich im Fall eines in Afghanistan getöteten Soldaten schlecht bis falsch informiert fühlen mussten. Dem Soldaten ist offenbar von einem Kameraden versehentlich in den Kopf geschossen worden, der mit seiner Waffe herumgespielt hatte. Das Verteidigungsministerium verbreitete noch vergangene Woche im Ausschuss die Version, der Unfall sei beim Reinigen der Waffen passiert. Von Fremdverschulden war keine Rede, bis der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus intervenierte. Solche Pannen werde es "hoffentlich künftig nicht mehr geben", sagte die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff.

Merkel ist da, aber zeigt wenig Interesse

Die Ausschusssitzung habe gezeigt, "dass das Verteidigungsministerium in weiten Teilen chaotisch ist", sagte der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour. Weitgehend einig waren sich aber alle Ausschussmitglieder darin, dass die Informationspolitik von Seiten des Verteidigungsministeriums gegenüber dem Parlament verbessert werden müsse. "Wir haben über alle Fraktionen die gemeinsame Feststellung: Der Minister täte gut daran, das Verhältnis zum Verteidigungsausschuss auf eine bessere, solidere Basis zu stellen", sagte Arnold. Auch Vertreter von Union und FDP forderten schnellere und umfassendere Informationen zu Vorgängen in der Bundeswehr.

Im Ausschuss räumte zu Guttenberg immerhin ein, dass es eine Informationspanne gegeben habe. Wie sie zustande gekommen ist, könne er aber noch nicht sagen. Im Ausschuss konnte Guttenberg nicht einfach gehen. Hier draußen kann er es schon. Es werden Fragen nach seiner persönlichen Verantwortung gestellt, nach Ungereimtheiten in seiner Argumentation.

Guttenberg wehrt alles ab, die Kopffarbe wechselt ins Dunkelrote: Ein Minister könne nicht alles wissen, es gebe auch eine Verantwortung der jeweiligen Vorgesetzen, sagt er.

Dann reicht es ihm, er geht, ohne sich noch eine weitere Frage anzuhören. Dabei hätte er noch eine gute halbe Stunde gehabt, bis im Bundestag die Aktuelle Stunde zu den Vorgängen in der Bundeswehr beginnt.

Auch vor dem Parlament räumt der CSU-Mann die Informationspanne ein, weist aber "mit Nachdruck" den Vorwurf zurück, er habe das hohe Haus gezielt in die Irre geführt. Wie als wolle sie durch ihre pure Präsenz zeigen, dass Guttenberg für sie unantastbar ist, sitzt da auch die Kanzlerin auf ihrem Stuhl mit der erhöhten Lehne auf der Regierungsbank - das passiert nicht allzu oft in einer Aktuellen Stunde.

Nicht dass Merkel ein irgendwie erkennbares Interesse zeigen würde. Sie tippt lieber SMS in ihr Handy und liest Akten, während Guttenberg schräg hinter ihr nervös mit den Fingern auf sein Pult tippt.

Aber immerhin steht sie zu ihm. Das kann man inzwischen wohl nicht mehr von jedem Mitglied der Koalitionsfraktionen behaupten.

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