Fanartikel:Geschäfte mit dem Totenkopf

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Auf dem Laufsteg ins Stadion: St. Pauli macht mit Mode Geld, andere Bundesligisten ziehen nach. Nicht jeder Fan ist von den neuen Fummeln begeistert.

Miriam Olbrisch und Thomas Mersch

In Hamburg ist er allgegenwärtig. Nicht nur auf den Rängen des Millerntor-Stadions, wo der FC St. Pauli zu Hause ist, auch in Szenevierteln wie der Schanze trägt man stolz Totenkopf. Die Pullis, Mützen und T-Shirts mit dem Markenzeichen der Kiez-Kicker bringen dem Klub auch dann verlässlich Einnahmen, wenn es auf dem Platz mal nicht so gut läuft.

Dress to impress: Das traditionelle Trikot hat bei vielen Fans ausgedient. (Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

"Mode wird immer gekauft", sagt Stefan Hoffmeister, kaufmännischer Leiter der Firma Upsolut Merchandising, die die Fanartikel des Bundesligaklubs vertreibt. "Bei Trikots dagegen hängt der Absatz stark davon ab, wie das Team sportlich drauf ist."

Baumwolle statt Polyester, schicker Schnitt statt Schlabberlook: Zunehmend erweitern Fußballklubs wie der FC St. Pauli ihr Standard-Fan-Sortiment aus Trikots und Schals um Modelinien. Sie werben damit um neue Zielgruppen jenseits der treuen Stadiongänger mit Dauerkarte. Wobei manch langjähriger Fan über diese Nutzung seiner geliebten Vereinssymbole schnell verärgert ist - ein Balanceakt.

"Das Trikot-Geschäft ist zwar immer noch ein dynamischer Markt", sagt Peter Rohlmann, Inhaber der Sportberatungsfirma PR Marketing in Rheine. Allerdings sähen sich die Klubs daneben verstärkt nach anderen Einnahmequellen um. In der sogenannten stadionfernen Mode, wie es im Marketing-Sprech heißt, sieht er großes Wachstums-Potential. "Wenn der Merchandising-Markt in den kommenden Jahren noch zulegt, dann auf diesem Gebiet."

In der Vergangenheit sind die Erlöse aus dem Merchandising stetig gestiegen. Waren es zur Jahrtausendwende gerade mal 50 Millionen Euro, die die Fußball-Bundesligisten damit einnahmen, so sind es dem gerade veröffentlichten Fanartikel-Barometer von PR Marketing zufolge inzwischen 130 Millionen Euro, ein Rekord. Um zwölf Prozent konnten die Erstliga-Vereine in der abgelaufenen Saison zulegen.

Quer durch den Farbkasten

Ein Blick in die Fanshops zeigt, wie die Klubs sich um neue Kundschaft bemühen: Auch für Frauen und Kinder gibt es nun eigene Kollektionen. Im Mittelpunkt steht dabei statt des klassischen Trikots eine stark abgeschwächte Variante - ein Trikot light sozusagen. "Auch wer sich auf dezente Art zu seinem Verein bekennen möchte, findet etwas", sagt Miroslav Grebenar, für Merchandising-Produkte bei Puma zuständig, dem Ausrüster von 1899 Hoffenheim und VfB Stuttgart.

Der 1. FC Köln hat seine Modeprodukte Geißbock-Linie getauft: schlichte Polos mit dem Schriftzug GEISSBOCK in Schwarz oder Hellbau - nicht gerade die typischen Farben des Kölner Traditionsvereins, der seine Spieler in Rot-Weiß auflaufen lässt. Das eigentlich königsblaue Schalke 04 umgarnt die weiblichen Fans mit Blumenranken auf lila Grund, dazu ein winziges Vereinslogo.

Borussia Dortmund - sonst gerne im Bienenlook - hat für Damen pinke Poloshirts mit dezentem Klubwappen im Angebot. "Wir wollen auch diejenigen erreichen, die nicht regelmäßig zu Spielen kommen", sagt Tobias Blick, Marketing-Leiter von Kappa, dem Ausrüster des Bundesliga-Spitzenreiters. "Im gut geschnittenen T-Shirt mit kleinem Vereins-Emblem fühlen sich viele auch außerhalb des Stadions wohl."

Dass der Fan-Block von Borussia Dortmund deshalb bald nicht mehr in Schwarz-gelb, sondern im modischen Pink jubelt, hält er aber für ausgeschlossen: Ihre Vereinsfarben ließen sich die Fans nicht nehmen.

Auf den Shirts von Mainz 05 fehlt das Logo sogar ganz - es reihen sich rot-weiße Kickermännchen aneinander. Die Hemden würden bei der schwedischen Textilkette H&M nicht weiter auffallen.Die Modelinien sprechen auch Sparsame an: Trikots der Fußball-Bundesligisten kosten meist knapp 70 Euro. "Die neue Freizeit-Kleidung dagegen ist deutlich günstiger", sagt Marktforscher Rohlmann.

Den Weg in die Modewelt hat die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland geebnet. "Seitdem hat sich Fußball zu einem Familien-Event entwickelt", erklärt er. Große Hoffnungen setzen Vereine und Ausrüster auf die Frauen-Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Deutschland, die das Fußballmode-Fieber noch einmal steigern könnte.

Trotz der Modelinien: Noch bestimmt der Fanblock das Merchandising-Geschäft. "Das Trikot ist mit Abstand die umsatzstärkste Fantextilie", sagt Thomas Spiegel, Sprecher von Schalke 04. Einzig bei St. Pauli halten sich die beiden Segmente heute schon die Waage. Da viele Vereine die Freizeit-Kollektionen deutlich ausbauen wollen, wird deren Bedeutung aber weiter zunehmen.

"Wir arbeiten stetig an neuen modischen Ansätzen", sagt ein Sprecher von Adidas. Der Ausrüster aus Herzogenaurach hat sechs Erstliga-Klubs unter Vertrag. Der 1. FC Köln wird zudem von der Adidas-Tochter Reebok eingekleidet.

Die Roten Teufel sind die Ausnahme

Der einzige Verein, der sich im Modebereich zurückhält und weiblichen Fans nicht einmal ein speziell geschnittenes Trikot anbietet, ist der 1. FC Kaiserslautern. Die Roten Teufel beschränken sich jenseits der Trikots auf Kappen und Unterwäsche.

St. Pauli dagegen peilt schon das nächste Ziel an: das Ausland. "Wir beliefern schon mehrere Shops im Ausland, sind in England, in Wien und Kopenhagen vertreten", sagt Stefan Hoffmeister von der Vertriebsfirma Upsolut. "Das wollen wir ausweiten."

Den Wettbewerb durch die anderen Klubs fürchtet er nicht. "Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zu anderen Bundesliga-Vereinen, sondern vielmehr zu Modemarken", sagt er. "Auch ein Bayern- oder Dortmund-Fan kann in seiner Freizeit ein Totenkopf-Shirt tragen."

Entfremdung der Kiez-Kicker?

Grenzenlos sind die Möglichkeiten der Vermarktung allerdings nicht - das muss der FC St. Pauli gerade schmerzhaft erfahren. Schicke Modelinien, teure Logenplätze für Geschäftsleute über der Haupttribüne und große Werbebanner an der angrenzenden Kindertagesstätte: Vielen Fans geht das zu weit. Binnen kurzer Zeit haben mehr als 4000 Anhänger eine Internet-Petition gegen die Kommerzialisierung ihres Vereins unterzeichnet und drohen mit Stadion-Boykott. Einige haben sich schon ganz von den Kiez-Kickern abgewendet und pilgern jetzt zum Hamburger Fünftligisten Altona 93.

Ganz ohne Kommerz und Trikotverkäufe kommt der aber auch nicht aus. Wobei das Original-Trikot lediglich moderate 35 Euro kostet. Laut Dirk Barthel, dem Vereinsvorsitzenden, ist das Geschäft im Fanshop trotzdem überschaubar: "Pro Woche kommen zehn bis 15 Leute."

© SZ vom 02.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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