Online-Dating bei Partnerbörsen:"Für Liebe zu zahlen ist anrüchig"

Wer sein Single-Dasein beenden will, geht immer häufiger im Netz auf Partnersuche. Die Ethnologin Julia Dombrowski hat sich das genauer angeschaut. Ein Gespräch über romantische Liebe, Effizienz und die Definition von "gutem Wein".

Mirjam Hauck

sueddeutsche.de: Mehr als sieben Millionen Deutsche sind in Online-Partnerbörsen registriert, doch kaum einer spricht darüber. Woran liegt das?

Julia Dombrowski: Da gibt es mehrere Gründe. Da ist zum einen das etwas zwielichtige Image, das den Partnerbörsen anhaftet oder zumindest in den Medien so dargestellt wird. In vielen nachmittäglichen Fernsehsendungen lernen Kriminelle ihre späteren Opfer im Internet bei Datingbörsen kennen. Zudem möchten die Partnersuchenden nicht als Übriggebliebene gelten, die auf dem vermeintlich normalen Weg niemanden gefunden haben. Ein anderes Problem: Die Mitgliedschaft in Datingbörsen kostet Geld. Und für Liebe zu zahlen ist nach wie vor anrüchig.

sueddeutsche.de: Viele Börsen werben mit der "Wissenschaftlichkeit und Effizienz", dazu gehören die psychologischen Tests, die Kunden bei Börseneintritt machen. Widerspricht das nicht unserem Bild der romantischen Liebe, die einem durch Zufall begegnet?

Dombrowski: Ja, das widerspricht unserer Vorstellung von romantischer Liebe, aber das ist gerade auch der Grund, warum die Online-Partnerbörsen so erfolgreich sind. Viele Mitglieder fühlen sich einfach enttäuscht. Sie haben auf den Zufall gehofft, sind alleine in Cafés, in Klubs und auf Reisen gegangen, haben aber niemand Passendes kennengelernt.

Die propagierte Wissenschaftlichkeit der Börsen, also die Persönlichkeitstests, bei denen Interessen miteinander verglichen und Profile erstellt werden, wirken als überzeugendes Gegenmodell. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es letztendlich doch vor allem das Bild ist, das Interesse weckt. Bei einem attraktiven Foto reichen auch wenige Übereinstimmungen aus, um kontaktiert zu werden.

sueddeutsche.de: Wer sich gut verkauft, findet also einen Partner?

Dombrowski: Zumindest erhöht das die Chancen, potentielle Partner kennenzulernen. Die Suchenden wissen aber, auf welches Spiel sie sich da einlassen. Sie verbringen ja auch Nächte damit, die Fotos in den Börsen wie in einem Katalog duchzustöbern und ganz klar nach äußeren Kriterien auszuwählen. Aber mit Kapitalismuskritik kommt man hier nicht weiter.

Es gibt einfach eine allgemeine Tendenz zur Selbstdarstellung, sei es bei sozialen Netzwerken wie Facebook oder in den Medien bei Kuppelsendungen wie Bauer sucht Frau. Und die Suchenden wissen das und sie reagieren häufig mit Selbstironie darauf. So schreiben sie in ihrem Profil beispielsweise, jetzt probiere ich auch per Katalog einen Partner zu finden.

sueddeutsche.de: War das Foto gut und die Selbstpräsentation erfolgreich, läuft das Kennenlernen über E-Mail oder Chat, also in erster Linie über Sprache. Wie macht man sich sprachlich attraktiv?

Dombrowski: Auf keinen Fall sollte es zu direkt werden. Sexualisierte Bemerkungen führen schnell zu einem Kontaktabbruch, beispielsweise, wenn Frauen nach ihrer Unterwäsche gefragt werden. Auch eine Chatsprache mit vielen Abkürzungen und Smileys kommt bei vielen nicht gut an. Wichtig ist, dass man sich sprachlich gut ausdrücken kann, die Grammatik stimmt und keine Rechtschreibfehler gemacht werden.

sueddeutsche.de: Können Männer das? Oder ist es ein Klischee, dass eher Frauen mit Sprache umgehen können?

Dombrowski: Ich habe festgestellt, dass gerade nicht so sprachgewandte Männer sich schriftlich sehr gut ausdrücken können und per E-Mail viel von sich erzählen.

sueddeutsche.de: Wenn sich die Suchenden per Mail schon die eigene Lebensgeschichte erzählt hat, was passiert dann beim ersten Treffen?

Dombrowski: Da findet dann eine subtile Überprüfung statt, ob das auch stimmt, was der andere erzählt hat. Wer sich selbst als tolerant bezeichnet, kann auf sein Gegenüber dennoch spießig wirken. Oder bei der Definition von "gutem Wein" können bei zwei Menschen Welten dazwischen liegen.

sueddeutsche.de: Wenn es nicht geklappt hat, was dann?

Dombrowski: Dann wird eben ein neuer Versuch gestartet. Wer in einer Online-Singlebörse registriert ist, will unbedingt einen Partner finden. An Freundschaften ist er nicht interessiert. Passt es zwischenmenschlich nicht, schlafen die Kontakte in der Regel sehr schnell ein. Die Börsen erhöhen geradezu den individuellen Leidensdruck, jemanden zu finden. Bei den mehr als sieben Millionen Mitgliedern muss doch sozusagen einer für mich dabei sein.

sueddeutsche.de: Wie haben Sie Ihren Partner kennengelernt?

Dombrowski: Ganz klassisch, beim Sport.

JULIA DOMBROWSKI: Die Suche nach der Liebe im Netz. Eine Ethnographie des Online-Datings. Transcript Verlag, Bielefeld, 2011, 377 Seiten, 29,80 Euro.

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