Archäologie: Zahi Hawass:Wut auf Ägyptens Indiana Jones

Zahi Hawass ist der Nationalheld der ägyptischen Archäologie. Doch nach dem Aufstand steht der Chef der Antikenbehörde unter Druck - wegen seiner Nähe zum Mubarak-Regime und des Diebstahls von Antiquitäten.

Sonja Zekri, Kairo

Selbst wenn er nicht das bekannteste Gesicht Ägyptens ist, das zweitbekannteste ist er sicher: Zahi Hawass, Chef der Altertümerbehörde, der ägyptische "Indiana Jones" mit Hut und Dauerpräsenz auf den Fernsehkanälen der Welt, Zahi Hawass dürfte dem gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak an internationaler Aufmerksamkeit wenig nachstehen. Aber wenn es schlecht für ihn läuft, könnte er auch dessen Schicksal teilen und eines der nächsten Opfer der Revolution werden.

To match Interview EGYPT/ANTIQUITIES

Zahi Hawass in seinem Reich, dem Ägyptischen Museum in Kairo. Jetzt steht er im Kreuzfeuer der Kritik.

(Foto: Reuters)

Nicht allein, dass Hawass jüngst zugeben musste, dass aus dem Ägyptischen Museum acht Objekte gestohlen wurden, darunter eine vergoldete Statue Tutanchamuns auf den Schultern eines Gottes und einer Echnaton-Figur - allesamt wie es scheint, Beute der eigenen Mitarbeiter. Am Montag versammelten sich zudem Hunderte Angestellte der Antikenbehörde und Archäologiestudenten vor seinem Amtsitz in Kairos Botschaftsviertel Samalek und riefen, was sie bis vor kurzen Mubarak entgegenschleuderten: "Geh!"

Hawass, so ihr Vorwurf, kümmere sich vor allem um die eigene Publicity und nicht um den akademischen Nachwuchs. Der Kulturtourimus spült jährlich Milliarden in den Haushalt, aber Hawass' Behörde habe den Universitätsabsolventen nur Dreimonatsverträge für 55 Euro monatlich angeboten, außerdem gingen Jobs nicht an Qualifizierte, sondern an Bewerber mit Verbindungen.

Auch an den Pyramiden - wo gähnende Leere herrscht, seit die Touristen wegbleiben - gärt es. Medien berichten von aufgebrachten Kamelbesitzern, die Hawass vorwerfen, dass er die Pyramiden abgezäunt habe, so dass die Ägypter die Touristenpolizei bestechen müssen, um ihre Gäste näher heranzubringen. "Er würde mit Freuden eine ganze Familie verhungern lassen, nur um eine Mumie zu retten", zitieren Zeitungen einen der Männer.

Hawass leitet die Antikenbehörde seit 2002, und in dieser Zeit hat er die ägyptische Archäologie nach Jahrzehnten westlicher Dominanz triumphal nationalisiert. Zum ersten Mal wird die siebentausendjährige Geschichte des Landes nicht von Engländern oder Franzosen, sondern von einem Ägypter erklärt. Hawass zwang die Museen der Welt, geraubte Stücke zurückzugeben, sofern sie weiterhin auf die Kooperation mit Kairo Wert legten, und verlangte von Deutschland sogar die Rückgabe der Nofretete.

Aber mindestens so sehr wie Mumien und Tempel propagierte Hawass von jeher sich selbst: Als ständiger Entdecker für die renommierte National Geographic Society warb er auf CNN und BBC, dem History Channel und im deutschen Fernsehen für die Mysterien des alten Ägyptens, Pyramidenerkundungen vor laufender Kamera inklusive.

Die Vertreter des Ancien Régime sind diskreditiert

Dann aber beging Zahi Hawass einen unverzeihlichen Fehler: In den letzten Tagen des untergehenden Regimes hatte er sich von Mubarak zudem zum Antikenminister ernennen lassen, dem ersten in Ägyptens Geschichte. Dass Mubaraks Frau Susanne Hawass gesponsert hatte, kommt erschwerend hinzu. In einem Blogeintrag hatte Hawass geschrieben: "Viele Menschen glauben irrtümlicherweise nicht daran, dass Träume wahr werden können." Für die Gegner des Mubarak-Regimes wurden sie wahr.

Ägypten übt den Bildersturm. Die Vertreter des Ancien Régime sind diskreditiert, ihr Eintreten für Mubarak wirkt heute wie Verrat an der Demokratiebewegung. Journalisten, Tourismusangestellte, Fabrikarbeiter und Beamte, Mitarbeiter von Banken und Ministerien von Alexandria bis Assuan fordern mehr Lohn, oft aber auch ein neues Management. Die bisherigen Bosse gelten als korrupt, auf höchste Posten gehievt durch Kontakte in regierende Kreise und stets ausgestattet mit dem Parteibuch der Mubarak-Partei NDP.

Dass einige Vertreter des alten Establishments wie Zahi Hawass durchaus Verdienste erworben haben, fällt angesichts der aufgestauten Wut kaum ins Gewicht. Einige haben offenbar schon Konsequenzen gezogen. Hawass habe viele seiner Bücher und persönlichen Papiere schon aus seinem Büro schaffen lassen, heißt es, er selbst sei durch die Ereignisse "am Boden zerstört". Am Montag soll er durch einen Hinterausgang vor den Demonstranten geflohen sein. Der Chef der staatlichen Fluggesellschaft Egypt Air, Alaa Aschur, wurde nach den Streiks entlassen, andere wollen freiwillig gehen. Am Dienstag, dem Geburtstag des Propheten, ebbte die Streikwelle ab. Viele befürchten, andere hofften, dass sie bald weitergeht.

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