Plagiatsvorwurf:Guttenberg soll auch in Einleitung abgeschrieben haben

Die Vorwürfe gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mehren sich: Für die Einleitung seiner Doktorarbeit soll er fast wortwörtlich aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgeschrieben haben. Auch Kanzlerin Merkel interessiert sich für den Fall.

Roland Preuß, Tanjev Schultz und Martin Kotynek

Die Plagiatsvorwürfe gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verschärfen sich. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind noch mehr Stellen in der veröffentlichten Doktorarbeit des CSU-Politikers betroffen, als bisher bekannt. Dazu zählen auch gleich die ersten beiden, auf zwei Druckseiten verteilten Absätze der Einleitung. Sie stimmen fast wortgleich mit einem Beitrag überein, den die Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig 1997 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht hat.

Zwar führt Guttenberg den Artikel im Literaturverzeichnis auf und nennt ihn in einer Fußnote auf Seite 339. Die Passagen in der Einleitung sind jedoch nicht als Zitate gekennzeichnet. Generell ist es auch unüblich, eine Einleitung mit der Wiedergabe eines anderen Textes zu beginnen, selbst wenn dieser korrekt zitiert wird. Auch an anderen Stellen der Dissertation wird ohne Quellenangabe aus besagtem Artikel zitiert.

Wie die SZ berichtet hatte, erheben zwei Juristen aus Bremen und Frankfurt schwere Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg. Ihre Vorwürfe beziehen sich auf insgesamt neun Passagen in Guttenbergs Dissertation. Nach Recherchen der SZ könnten aber noch weitere Abschnitte betroffen sein.

Auch Passagen des Tübinger Juristen Martin Nettesheim soll Guttenberg verwendet und nicht korrekt gekennzeichnet zu haben. Das berichtet die Saarbrücker Zeitung. Nettesheim habe sich 2002 in einem Aufsatz "Die konsoziative Föderation von EU und Mitgliedstaaten", erschienen in der Zeitschrift für Europarechtliche Studien, mit einem ähnlichen Thema beschäftigt wie Guttenberg in seiner Doktorarbeit. Der Minister zitiert laut Bericht aus dem Aufsatz sechs Passagen ganz oder weitestgehend wortgleich, ohne sie in Anführungszeichen zu setzen. Auf die Quelle wird in den Fußnoten nur ungenau oder gar nicht hingewiesen.

Die Opposition reagierte scharf. "Guttenberg hat zum ersten Mal das Problem, dass er die Verantwortung auf keinen anderen abschieben kann", sagte der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin. Wenn die Plagiatsvorwürfe zuträfen, könne "das nicht ohne Konsequenzen bleiben", sagte der Chef der Linksfraktion, Gregor Gysi.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat unterdessen vor einer Vorverurteilung des Verteidigungsministers gewarnt. "Die Bundeskanzlerin hat davon wie der Rest der Republik auch gerade erst erfahren, interessiert sich dafür und glaubt, dass es beim Ombudsmann der Universität Bayeruth in genau den richtigen Händen ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Es sei jetzt sinnvoll, "das Verfahren abzuwarten".

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt kommentierte die Angriffe auf Guttenberg mit den Worten: "Deutschland hat eine geistvollere Opposition verdient als SPD und Grüne, die sich mit dem Abzählen von Fußnoten und Anführungszeichen in juristischen Dissertationen abmühen."

Auch der Münchner Plagiatsexperte Volker Rieble schloss sich der Kritik an Guttenbergs Arbeit an: "Es geht so einfach nicht. Es ist unverfroren", sagte der Jura-Professor. Rieble ist Autor des Buches "Das Wissenschaftsplagiat" und lehrt Bürgerliches Recht an der Universität München.

Die Passauer Professorin Barbara Zehnpfennig hat keinen Zweifel daran, dass Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) aus einem von ihr verfassten Zeitungsbeitrag abgeschrieben hat. "Eindeutig ist das ein Plagiat", sagte sie in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Bei Studenten sei ihr so etwas bereits vorgekommen, bei einem Minister allerdings noch nicht. Weiter sagte sie: "Ich fühle mich überhaupt nicht geschmeichelt. Ich möchte lieber direkt durch meine Veröffentlichungen wirken und nicht auf einem solchen Umweg."

Der Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) am Sonntag, Felix Müller, hat von Guttenberg eine Entschuldigung für das Abschreiben eines NZZ-Artikels verlangt. "Guttenberg schmückt sich mit fremden Federn", sagte Müller Focus online. Der Minister solle das zugeben. "In einem zweiten Schritt müsste er eigentlich zu uns kommen und sagen, dass es ihm leid tut", meinte Müller.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat den Vorwurf zurückgewiesen, Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben zu haben. "Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus", erklärte der Minister. Er sei jedoch bereit zu prüfen, "ob bei über 1200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten". Dies würde er dann bei einer Neuauflage berücksichtigen.

Laut ARD hat Guttenberg für seine Doktorarbeit auch den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages genutzt. Der damalige einfache CSU-Abgeordnete beauftragte nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios den wissenschaftlichen Dienst für seine Parlamentarier-Tätigkeit mit Fachfragen, wie dies viele Abgeordnete üblicherweise tun. Die Expertisen seien später teilweise aber auch in seine Dissertation eingeflossen. Die Verwendung dieser Informationen sei allerdings stets kenntlich gemacht worden.

Minister Guttenberg hatte seine mit der Bestnote bewertete juristische Dissertation 2006 an der Universität Bayreuth eingereicht. Sie erschien 2009 in einem Fachverlag. Die Plagiatsvorwürfe beziehen sich derzeit auf die publizierte Druckfassung. Der Erstgutachter von Guttenbergs juristischer Dissertation, der Bayreuther Wissenschaftler Peter Häberle, teilte mit, die Vorwürfe kenne er nicht. Sie "wären bei einer solch erstklassigen Arbeit auch absurd". Die Dissertation sei "kein Plagiat".

Die Schweizer Publizistin Klara Obermüller, von der sich ein Zeitungsartikel in einer langen Passage wortgleich in der Arbeit findet, nannte Guttenbergs Vorgehen "sehr peinlich". Auf rechtliche Schritte wolle sie jedoch verzichten, sagte sie der SZ.

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