Reaktorsicherheit:Nachrüstung in der Schublade

Dringend wollte EnBW das Kernkraftwerk Neckarwestheim modernisieren, um Sicherheitsbedenken zu zerstreuen. Doch das Interesse verpuffte schnell und passiert ist bis heute nichts.

M. Bauchmüller und R. Deininger

Noch 2007 konnte es dem Energiekonzern EnBW nicht schnell genug gehen. Rasch sollte das Kernkraftwerk Neckarwestheim modernisiert werden, mit dem Antrag auf Nachrüstung wollte seinerzeit der Konzern keine Zeit verlieren - wegen des "öffentlichen Interesses an jeder sicherheitstechnischen Optimierung". Das Unternehmen hatte damals einen Katalog an Nachrüstungen aufgestellt, die das baden-württembergische Umweltministerium bewilligen sollte. So sollte das Kernkraftwerk, das seit 1976 in Betrieb ist, sicherer und moderner werden: mit besserer Betriebstechnik, einem neuen Gebäude für den Notstromdiesel, einem zusätzlichen "Boriersystem" für Notfälle. EnBW beantragte sogar sofortigen Vollzug. Bei dem Antrag blieb es.

Atomkraftwerk Neckarwestheim II

Auch ohne Nachrüstung erfülle das Atomkraftwerk Neckarwestheim "alle aus sicherheitstechnischer Sicht zu stellenden Anforderungen", erklärte die CDU.

(Foto: dpa)

Bis heute hat sich nichts getan, das bringt nun die Landesregierung in Stuttgart in Erklärungsnöte. Auch ohne die Nachrüstung erfülle die Anlage "alle aus sicherheitstechnischer Sicht zu stellenden Anforderungen", antwortete Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) jüngst auf einen Antrag der Grünen im Landtag. Auch sei bis vor kurzem die Zukunft des Kernkraftwerks unklar gewesen - seine Laufzeit wäre nach dem rot-grünen Atomkonsens schon längst abgelaufen. "Das Änderungsverfahren wurde deshalb von Betreiberseite nicht mit dem ursprünglichen Nachdruck weiterbetrieben", schrieb Gönner. Der EnBW-Antrag, so Gönner, sei zudem "noch nicht entscheidungsreif", da der Konzern noch nicht alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt habe. Die einst so wichtige Nachrüstung - sie liegt in der Schublade.

Das verpuffte Interesse dürfte allein der EnBW-Strategie geschuldet sein: Denn 2007 hoffte der Konzern noch, Stromkontingente vom jüngeren Nachbarkraftwerk Neckarwestheim 2 auf Block 1 übertragen zu können. Das sollte die Lebensdauer des Altmeilers verlängern, über die Bundestagswahl 2009 hinaus. Die geplante Modernisierung sollte Sicherheitsbedenken wegwischen, doch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) lehnte die Übertragung ab. Block 1 verfüge "über weniger Sicherheitsreserven" als Block 2. Das Interesse an der Modernisierung ließ nach beim Betreiber, und auch bei der Atomaufsicht nach.

Umweltschützer haben dafür wenig Verständnis. "Unter der Atomaufsicht von Tanja Gönner ist die Sicherheit von Neckarwestheim 1 auf der Strecke geblieben", kritisiert Tobias Riedl von Greenpeace. "Seit 41 Monaten liegt Frau Gönner jetzt eine Nachrüstliste von EnBW vor, passiert ist gar nichts." Die Ministerin sei persönlich verantwortlich, dass nicht einmal dringendste Sicherheitsmängel beseitigt wurden. Franz Untersteller, der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, forderte EnBW auf, "den Reaktor möglichst rasch vom Netz zu nehmen".

Für Gönner ist die Lage ungemütlich, denn das Land ist neuerdings Miteigentümer von EnBW. Jede zusätzliche Auflage für das Kernkraftwerk könnte den Gewinn des Tochter-Unternehmens schmälern. Das aber spiele keine Rolle, heißt es in ihrem Ministerium. "Sicherheit ist nicht verhandelbar." Jetzt macht das Ministerium Druck: Bis zum Ende des Jahres müsse EnBW die fehlenden Unterlagen vorlegen. Zumal Neckarwestheim 1 nun acht zusätzliche Jahre vor sich hat, durch die Laufzeitverlängerung der schwarz-gelben Koalition. Und sollte die Nachrüstung am Ende zu teuer werden, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums, dann müsse das Kraftwerk eben notfalls stillgelegt werden. Was freilich die Aktionäre von EnBW nicht so sehr entzücken dürfte - inklusive des Landes Baden-Württemberg.

Ein EnBW-Sprecher sagte am Dienstag, man arbeite bereits "mit Hochdruck an einem Maßnahmenpaket". Jetzt soll alles ganz schnell gehen - wieder einmal.

Der Antrag von EnBW im Wortlaut: http://gpurl.de/EnBW_Antrag

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