Religiöse Arbeitsverweigerung:Glaubensfrage

Ein Muslim lehnt aus religiösen Gründen jeden Umgang mit Alkohol ab. Darf sein Arbeitgeber trotzdem von ihm verlangen, Bierkisten zu stapeln? Das muss heute das Bundesarbeitsgericht entscheiden.

Daniela Kuhr

Wenn ein Angestellter dauerhaft die Arbeit verweigert, ist das normalerweise ein handfester Grund für eine Kündigung. Was aber, wenn der Angestellte sich überraschend darauf beruft, dass die konkrete Tätigkeit nicht mit seinem religiösen Glauben vereinbar ist? Dann wird es schwierig für den Arbeitgeber. Das zeigt der Fall, der an diesem Donnerstag vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt wird.

Gläubige in Moschee in München, 2010

Muslime (hier eine Moschee in München) landen mitunter vor deutschen Gerichten, weil ihre Vorstellungen mit denen ihrer Arbeitgebern kollidieren.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Kläger ist Moslem. Nachdem er zunächst einige Jahre in der Waschstraße eines Unternehmens gearbeitet hatte, wurde er dort ab Oktober 2003 als "Ladenhilfe" übernommen und in der Getränkeabteilung eingesetzt. Dort räumte er Getränkekisten um und füllte Regale auf. Drei Jahre später wurde der Kläger auf eigenen Wunsch versetzt und kam in die Frischwarenabteilung, wo er für Molkereiprodukte zuständig war.

Von da an erkrankte er allerdings wiederholt. Nach neun Monaten führte die Personalabteilung mit ihm ein Gespräch, um die Ursache für die sich häufenden Fehlzeiten herauszufinden. Die Vorgesetzten kamen zu der Überzeugung, dass der gekühlte Bereich das Problem sei, und versetzten ihn wieder in die Getränkeabteilung. Doch der Mitarbeiter weigerte sich und berief sich darauf, dass sein muslimischer Glaube ihm jeglichen Umgang mit Alkohol verbiete. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, ihn umzustimmen, kündigte das Warenhaus dem zweifachen Familienvater fristlos.

Dagegen zog er vor Gericht. In der ersten Instanz wies das Arbeitsgericht seine Klage jedoch rundweg ab. Zwar verbiete der islamische Glaube jeglichen Alkoholgenuss, vom Kläger sei jedoch nicht verlangt worden, Alkohol zu trinken, sondern nur, ihn zu transportieren. In der zweiten Instanz bekam er insofern recht, als die Richter die fristlose Kündigung verwarfen. Eine fristgemäße Kündigung hielten sie jedoch für zulässig.

Arbeitnehmer, die ein vom Arbeitgeber missbilligtes Verhalten mit religiösen Motiven rechtfertigen, haben schon häufiger die Gerichte beschäftigt. Meist geht es dabei allerdings um die Kleiderordnung. So hat das Bundesarbeitsgericht im vergangenen Jahr die Abmahnung einer Erzieherin für rechtens erklärt, die im Kindergarten ihr Kopftuch nicht ablegen wollte.

Dienstplan nach Glaubensrichtung

Im Jahr zuvor hatten die Richter die Kündigung einer Lehrerin bestätigt, die im Türkischuntericht mit Kopftuch vor ihre muslimischen Schüler getreten war. Dagegen hielt das Gericht die Kündigung einer Verkäuferin, die ein Kopftuch tragen wollte, für rechtswidrig. Für öffentliche Diskussion sorgte zuletzt der Wunsch einer Muslimin, voll verschleiert in einer Burka in der Frankfurter Stadtverwaltung arbeiten zu wollen. Ihr Arbeitsverhältnis wurde inzwischen einvernehmlich beendet.

Im Fall des jetzt klagenden Moslems werde das Bundesarbeitsgericht "entscheiden müssen, in welchem Umfang die Glaubensfreiheit eines Arbeitnehmers das Weisungsrecht des Arbeitgebers einschränken kann", sagt Barbara Reinhard, Arbeitsrechtsexpertin bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in Frankfurt. Zwar müssten die Parteien in einem Arbeitsverhältnis zweifellos Rücksicht aufeinander nehmen.

Die spannende Frage sei jedoch, wie weit diese Pflicht gehe. "Ist es dem Betreiber eines Lebensmittelmarktes zumutbar, seine Arbeitnehmer nach deren Glaubenslehren einzelnen Abteilungen zuzuweisen und zum Beispiel Anhänger muslimischen Glaubens der Getränkeabteilung oder der Frischfleischtheke fernzuhalten?", fragt Reinhard. "Oder muss nicht vielmehr der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss damit rechnen, mit den verschiedenen Waren in Kontakt zu kommen?" Er könne ja schließlich den Vertrag auch einfach nicht unterschreiben. Wie das Bundesarbeitsgericht die Sache sieht, wird sich an diesem Donnerstag zeigen.

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