Plagiatsaffäre:Guttenberg und die Erregungsgesellschaft

Karl-Theodor zu Guttenberg, ganz der Politprofi, hat versucht, sich mit den üblichen Tricks aus der Affäre zu winden. Letztlich ist er darüber gefallen, dass er die Wissenschaft verhöhnt hat. Das hat er verstanden. Aber die andere Ursache, und das ist typisch Guttenberg, hat wieder einmal nichts mit ihm zu tun.

Kurt Kister

Karl-Theodor zu Guttenberg hat einen Grund und zwei Ursachen für seinen Rücktritt genannt. Der Grund lautet so: "Ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht." Das ist ein respektabler Satz, der ehrlich klingt. Und er ist, egal wie man die ganze Affäre bewertet, sicher auch glaubhaft. Über Guttenberg ist ein Sturm hereingebrochen, dem er nicht mehr standhalten konnte. Auszeiten aber, in denen man Dinge klären oder sich gar erholen kann, gibt es in Spitzenpositionen in der Politik nicht. Entweder man steht oder man geht. Guttenberg ist gegangen.

Guttenberg musste gehen. Das hängt damit zusammen, dass er seine Dissertation in einer Weise verfasst hat, die Professor Oliver Lepsius, Lehrstuhlinhaber an Guttenbergs Alma mater Bayreuth, ihn einen "Betrüger" nennen lässt. Dies allein hätte Guttenberg vielleicht noch politisch überlebt - wenn er sein Delikt rechtzeitig zugegeben hätte und all den Studierenden und Studierten in diesem Land reumütig gesagt hätte, dass Ehrlichkeit und Wissenschaft untrennbar zusammengehören. Das hat er nicht getan, sondern er hat versucht, sein gravierendes Fehlverhalten zu bagatellisieren. Die Kanzlerin hat ihn dabei unterstützt, als sie sagte, sie habe ihn nicht als Doktoranden, sondern als Politiker eingestellt. Gut zu wissen, dass zu Merkels Personalauswahl-Kriterien die Fähigkeit zur Persönlichkeitsspaltung gehört.

Guttenberg, ganz der Politprofi, hat versucht, sich mit den üblichen Tricks - Dementi, Ironie, einsetzende Betroffenheit, Verweis auf die wichtigen Aufgaben - aus der Affäre zu winden. Gewiss, da waren die Medien, auch diese Zeitung, die nicht lockerließen. Das war bei anderen Politikern zu früheren Zeiten von Strauß über Scharping bis Fischer auch nicht anders. Entscheidend für Guttenbergs als Rücktritt getarnten Sturz aber war, dass er durch den Versuch der Verschleierung des Plagiats und dessen Bagatellisierung ("einige Fußnoten") Universitäten, Institute und die akademische Gemeinde gegen sich aufbrachte.

Fast jedem, der ehrlich und hart an einer wissenschaftlichen Arbeit gesessen hat, schwellen die Zornesadern, wenn ein adeliger Abgeordneter als externer Promovierender ein "summa cum laude" mit einer zusammengeklebten Arbeit abräumt. Dieser Zorn brach sich Bahn im Internet, wo eine Website das Ausmaß der Doktor-Schande dokumentierte. Guttenberg ist letztlich darüber gefallen, dass er die Wissenschaft verhöhnt hat.

Dies hat er verstanden, weil er die Doktorarbeit als die eine Ursache seines Rücktritts nannte. Die andere Ursache aber, und das ist typisch Guttenberg, hat wieder einmal nichts mit ihm zu tun. Die "öffentliche und mediale Betrachtung" habe sich so sehr verschoben, analysierte der Freiherr, dass es "auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person" gegangen sei. Dies könne er, der Minister, nicht mehr verantworten.

Der Talkshow-Mann hadert mit der Öffentlichkeit

Das ist wirklich großartig. Guttenberg wirft den Forschern im Netz, den zehntausenden Akademikern, die gegen ihn protestierten und natürlich den meisten Medien vor, dass sie ihre Aufmerksamkeit nicht auf Nordafrika oder Afghanistan gerichtet hätten, sondern auf ihn. Ausgerechnet der Mann, der die Talk-Show an den Hindukusch gebracht hat, hadert mit der Öffentlichkeit. Und dass er gerade für seine Do-it-yourself-Doktorarbeit intensiv aus eben jenen Medien geschöpft hat, die seit Jahrzehnten zum Beispiel über Afghanistan berichten, ficht ihn nicht an. Als Guttenberg in Berlin sich auf seine Selbstverteidigung fokussierte, waren in Kairo kurz zuvor Korrespondenten der SZ festgenommen worden, und in der FAZ las man lange Analysen über den Maghreb. Wer dazu neigt, vor Spiegeln zu leben, der wird glauben, es gehe immer nur um ihn.

Noch in der Stunde seines Rücktritts versuchte der Minister, Soldaten gegen Doktoren aufzubringen. Er appellierte an jenes Volksempfinden, das täglich zu manifestieren sich die Bild-Zeitung bemüht. Keine Frage, man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob die Jahre zurückliegende Fälschung einer Doktorarbeit sowie deren Bagatellisierung Gründe genug für den Rücktritt eines Ministers sind, der einer Partei entstammt, die sich auf christliche und bürgerliche Werte beruft.

Aber es kann, wenn man diese Werte verinnerlicht hat, kein Zweifel daran bestehen, dass Medien (und, über das Internet, interessierte Bürger) ausführlich über das Verhalten eines Politikers nachdenken und berichten müssen, der seinen Aufstieg eben jener Öffentlichkeit verdankt. Guttenberg ist nicht nur ein prominenter Politiker, sondern er gehört zu den in der Politik seltenen "Promis", celebrities in Amerika genannt, die mit Kind und Kegel jede Form der Öffentlichkeit suchen.

Gerade weil Guttenberg eine solche celebrity ist, wird er den Rest seiner Tage nicht auf dem Stammschloss verbringen. Es ist absehbar, dass er für einen eher großen Teil der Bevölkerung in ein paar Wochen jener Mann sein wird, der sich der Verantwortung gestellt hat. Er wird populär bleiben, und an die Dissertation werden nur die ewigen Nörgler erinnern. Er selbst wird ein Buch schreiben, vielleicht über "Politik in der Erregungsgesellschaft". Bild wird es abdrucken. Man wird eine Debatte führen über Köhler, Sarrazin und jetzt auch noch Guttenberg. Und bis 2013, wenn man in Bayern und im Bund wählt, vergehen ja noch Jahre der Läuterung.

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