Affäre in Freiburger Sportmedizin:Auffällig ähnlich

Die Uni Freiburg überprüft drei nahezu identische wissenschaftliche Schriften: Eine soll die Habilitation des Sportmediziners Hans-Hermann Dickhuth sein - das Institut steht womöglich vor einem Plagiatsfall nach Guttenberg'schem Vorbild.

Thomas Kistner

Die Sportmedizinische Abteilung der Universität Freiburg ist wieder in den Schlagzeilen, doch geht es diesmal nicht um dopende Radprofis, die von Breisgauer Ärzten mit pharmazeutisch beschleunigt wurden, sondern um eine Wissenschafts-Affäre nach womöglich Guttenberg'schem Vorbild: Wer hat sich bei wem bedient? Die Uni selbst brachte die Vorgänge Anfang der Woche an die Öffentlichkeit, nannte aber noch keine Namen.

Affäre in Freiburger Sportmedizin: Dem Freiburger Institut für Sportmedizin steht eine Plagiatsaffäre ins Haus.

Dem Freiburger Institut für Sportmedizin steht eine Plagiatsaffäre ins Haus.

(Foto: AP)

Dass man in Freiburg mal wieder auf ein Problem zusteuert, ist der Hochschule allerdings bewusst: Autor einer der zu prüfenden Arbeiten ist nach SZ-Recherchen just der Chef der Sportmedizin, Hans-Hermann Dickhuth.

Die Dopingvergangenheit der seit 2002 von ihm geleiteten Abteilung arbeitet derzeit eine von der Uni eingesetzte Evaluierungs-Kommission auf; deren Chefin ist die belgische Kriminologin Letizia Paoli. Die Ermittlungen in Sachen Doping stocken bisher, allerdings reichte Paolis Stab vergangenen Freitag ein spannendes Nebenprodukt der Recherchen an die Uni weiter: massive Übereinstimmungen in einer Habilitation und einer Dissertation von Anfang der achtziger Jahre. Die Uni fand rasch eine dritte Arbeit, deren Zahlen, Daten und Analysen den zwei anderen Werken verdächtig ähnelten - weshalb Rektor Hans-Jochen Schiewer ein Prüfverfahren durch die Medizinfakultät eröffnete.

Die Betroffenen, sagt Uni-Sprecher Rudolf Dreier, "haben Zeit bis 11. März, sich schriftlich zu äußern". Danach behalte sich die Uni Konsequenzen vor, "bis zur sofortigen Suspendierung". Zur Frage nach Dickhuth sagt Dreier: "Wir bitten um Verständnis, dass wir die Namen der Betroffenen erst nach der Anhörung bestätigen können."

Dickhuth ließ SZ-Anfragen, ob es sich bei den von der Uni untersuchten Arbeiten um seine Habilitation handelt und wie es zu den Übereinstimmungen gekommen sein könnte, am Donnerstag unbeantwortet. Laut Pressestelle der Uni-Klinik sei er aber bereits aus dem gerade begonnenen Urlaub zurückgebeten worden. Dickhuth, der in den anhaltenden Dopingermittlungen stets jede Mitwisser- oder gar Mittäterschaft abgestritten hat, wird von jener damaligen Doktorandin benannt, um deren wissenschaftliche Ergebnisarbeiten es im Kern gehen soll.

Die Ärztin Marzenna Orlowska-Volk praktiziert heute in Freiburg, sie hat mit Dekan und Rektor der Universität gesprochen. Und mit der unabhängigen Evaluierungs-Kommission, die auf ihre damalige Doktorarbeit aufmerksam geworden war. Es ging darin um Untersuchungen am Herzen von Sportlern und Untrainierten, und wer sich auskennt, weiß, dass auch Anabolika-Gebrauch die Herzen von Topsportlern vergrößert.

Doktorandin nicht erwähnt

Offenbar suchten die Experten hier doping-relevante Ansätze. Anfang der Achtziger blühte die Anabolika-Ära weltweit, und der langjährige Doyen der Freiburger Sportmedizin - der im Jahr 2000 verstorbene Vorgänger Joseph Keul - galt als stiller Befürworter der Einnahme von Anabolika und Epo. Die damalige Doktorandin hingegen hatte keine Ahnung von Doping oder den heutigen Schlussfolgerungen. Zumal ja Forschungen wie ihre für sich genommen meist völlig unverfänglich sind; Rückschlüsse auf mögliche Dopingforschung rechtfertigen sie allenfalls als Mosaikstein in einem großangelegten Schema.

Die aus Polen stammende Ärztin erinnert sich mit überwiegend guten Gefühlen an den damaligen Doktorvater Dickhuth. Er habe sie "sehr gut betreut, das Thema der Doktorarbeit kam zum 100 Prozent von ihm", sagt sie, weshalb sie es unbedingt als "Zusammenarbeit" betrachte. Sie habe die wissenschaftlichen Untersuchungen durchgeführt, eigene Ideen eingebracht und die Arbeit geschrieben, "mit ihm besprochen und immer wieder gemeinsam ergänzt".

Über die Freude an der erfolgreichen Disseration legte sich jedoch ein kleiner Schatten: Ihr Namen wurde in den folgenden Publikationen nicht erwähnt. Die Pathologin sagt, sie sei "traurig gewesen, dass ich nicht erwähnt wurde in seiner Publikation ober bei seiner Antrittsvorlesung als Privatdozent". Sie sei damals aber zu schüchtern gewesen und wollte "als junges Mädchen aus Polen, das froh war, in Deutschland studieren zu dürfen, keine Ansprüche stellen". Sie sei "auch menschlich gut behandelt worden". Dickhuth habe sich nun gemeldet und von einem Versäumnis gesprochen, sie sagt: "Ich bin nicht nachtragend."

Das ist eine Sichtweise. Mit den anderen wird sich nun die Prüfkommission der Uni befassen. Pikant ist ja, dass auch noch die Sportlerherz-Dissertation einer weiteren Doktorandin vorliegt, die erhebliche Übereinstimmungen aufweist. Mit den Worten von Uni-Sprecher Dreier: "Es gibt zwischen diesen drei Arbeiten verschiedene Ähnlichkeiten in unterschiedlicher Länge." Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung; wer sich womöglich bei wem bedient haben mag, müssen nun die Fachleute herausfiltern. Zum Beispiel, indem sie "die Entstehungsgeschichte rekonstruieren", sagt Letizia Paoli.

Problematisch bleibt für sie "auf jeden Fall, dass die Doktorandin in der Habilitation gar nicht zitiert worden ist". Druck lastete auf Dickhuth schon bei der Aufarbeitung der Dopingaffäre um den Telekom-Rennstall. Damals empörte sich der Heidelberger Zellforscher Werner Franke: "Im Hochschulforschungsbereich liegt die volle Verantwortung bei der Leitung."

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