Bar Ruffini:Das Prinzip Ruffini

Bar Ruffini: Als wäre die Zeit stehengeblieben: Das Ruffini in Neuhausen.

Als wäre die Zeit stehengeblieben: Das Ruffini in Neuhausen.

Das von 26 Gesellschaftern betriebene Lokal ist mit seiner einzigartigen Atmosphäre ein geglücktes Langzeit-Experiment.

Gudrun Passarge

Das Ruffini ist das Ruffini ist das Ruffini. Als wäre die Zeit stehengeblieben. Das Ruffini ist eine Institution im Münchner Westen. Seit 1978 hat sich kaum etwas verändert. Noch immer stehen kleine Trauben von Menschen vor der Tür, auch an einem Donnerstagmorgen kurz vor 10 Uhr, auch in Zeiten, da die geniale Dachterrasse noch gar nicht geöffnet hat. Nur die Mode hat sich verändert: Männer in schwarzen Mänteln oder Outdoor-Jacken, Frauen mit schicken Filztaschen, passende lila Stiefel zur lila Lederjacke. Sie vertreiben sich die Zeit bis zur Öffnung, ratschen und schauen die Zettel am Laternenpfahl an: kreativer Tanz, spirituelle Erleuchtung, Babymassage.

Und auch im Lokal selbst ist alles wie vor zwanzig, dreißig Jahren. Stilvoll, gediegen, unprätentiös. Nur an den Wänden wechseln die Bilder alle vier Wochen, und die Lampen an der Bar sind neu wie auch das Schild: "Im Lokal bitte keine Handys". Geblieben ist die einzigartige Atmosphäre des Cafés mit seinem Steinboden und den Marmortischen. Das Publikum ist bunt gemischt. Ein junger Mann im schwarzen Rollkragenpullover, Haare an Kopf und Kinn etwa drei Millimeter lang, gießt gerade mit großem Schwung Tabascosauce über seine Rühreier.

Einige Frauen mittleren Alters plaudern munter miteinander, ein paar Einzelgänger lesen Zeitung, lösen Kreuzworträtsel oder bearbeiten Papiere. Sie alle schätzen die berühmten Kuchen aus der eigenen Backstube, für die manche weit fahren, und den netten Service, die italienisch angehauchte Küche, vieles aus Bio-Waren gekocht, das außergewöhnlich große Weinangebot - Eigenimporte aus Italien - und das Gefühl, hier unbehelligt zu bleiben, Ruhe zu haben, etwa vor nerviger Barmusik.

"Wir haben unsere Stammgäste, die mit uns alt werden", erzählt Helmut Maier, der Mann, der die Öffentlichkeitsarbeit macht. Selbständige, Kreative, Architekten, Menschen mit Muße. Sie kennen natürlich auch das Ruffini-Prinzip, wissen im Gegensatz zu vielen jüngeren Gästen, dass sie hier in einem "cheffreien Betrieb" sitzen. Das Ruffini wird von 26 Gesellschaftern im Alter von 29 bis 65 betrieben, "und jeder der Gesellschafter arbeitet hier". Viele sind Seiteneinsteiger, die in ihrem früheren Leben nichts mit Gastronomie zu tun hatten. Maier selbst ist so ein Beispiel. Der 52-Jährige hat seine Beamtenlaufbahn aufgegeben, um zunächst Kirchenmaler zu werden und dann, 1990, im Ruffini zu arbeiten. 5000 Euro zahlt ein Gesellschafter als Einlage, dafür darf er mitbestimmen, was im Lokal passiert.

Die Ruffinis haben mittlerweile Routine. "Früher haben wir über jeden Punkt und jedes Komma abgestimmt", sagt Maier. Inzwischen bereiten die einzelnen Ressorts alles vor, jeder hat seine festen Aufgaben. Maier etwa betreut außer dem Weinhandel auch noch die Lesungen, die regelmäßig im Ruffini stattfinden. Und alle drei Monate wird auf der Gesellschafterversammlung entschieden. "Wir streben nicht die maximale Profitorientierung an und achten auf unsere soziale Verantwortung", auch gegenüber den Angestellten, die das Ruffini beschäftigt. Mittlerweile sind die älteren Gesellschafter in der Überzahl, "viele junge Leute finden es nicht so interessant". Oder sie gehen, weil es sie reizt, etwas Eigenes aufzubauen. Wie die "Loretta-Bar" in der Müllerstraße oder das "VolkArt" gleich um die Ecke, um nur zwei der Beispiele zu nennen.

Der Laden brummt

Das Ruffini-Prinzip ist aufgegangen. Der Laden brummt, auch nach 33 Jahren noch. Die Gruppe ist eingespielt aufeinander. "Selbst bei Hochbetrieb flutscht es." Und wie. An einem Sonntagmorgen, wenn alle gleichzeitig ihr Frühstück haben wollen, das sie sich selbst zusammenstellen, sind die Servicekräfte wieselflink unterwegs. Trotzdem nimmt sich die Mitarbeiterin aus der Küche mit der lila Wollmütze noch die Zeit, mit einem jungen Mädchen zu plaudern. Sie weiß, dass sie jetzt ihr Abitur macht und ist neugierig, wie es ihr damit geht. Mutter und Tochter sind den Mitarbeitern offenbar bestens bekannt. Sie bekommen umgehend ihren Kaffee, den Bergtee und die Croissants auf den Tisch gestellt.

An der Bar ist mittlerweile kein Platz mehr frei. Da sitzen Prominente neben Familien und einem Mann im Cord-Sakko, der, als sei er hier am ruhigsten Ort der Welt, nach dem Frühstück ein Buch über Rudolf Steiner liest. Im Café haben sich Familien mit Kleinkindern niedergelassen. Ein Hightech-Kinderwagen, der ausschaut, als hätte er mindestens fünf PS, steht mit einer Kette abgeschlossen im Lokal unter dem Handyverbotsschild. Alles eine große Familie, umsorgt vom Ruffini-Team. Das auch das Handyverbot sehr ernst nimmt. Kaum versucht ein Gast, unterm Tisch heimlich zu simsen, als schon ein Kellner heranstürmt.

"Darf ich Ihnen ein wenig Platz schaffen", fragt er mit leicht grollendem Unterton. Er stellt die Teller zusammen und nimmt leere mit, zuvor allerdings fügt er belehrend und eher rhetorisch an: "Was kann es Wichtigeres geben als das Frühstück?" Beschämt packt der Gast sein Handy wieder weg und schaut sich stattdessen die Leute an. Das Ruffini ist das Ruff...

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