Bürgerkrieg in Libyen:Ohne die Nachbarn geht es nicht

Wenn der Westen eine Flugverbotszone über Libyen einrichtet, müssen sich die Araber beteiligen. Den arabischen Staaten darf nicht erlaubt werden, ihre Verantwortung nach New York oder zur Nato abzuschieben.

Martin Winter

Die Arabische Liga ist nicht gerade ein Verein demokratischer und freiheitsliebender Staaten. Um so bemerkenswerter ist es, dass sie nun die internationale Gemeinschaft auffordert, über Libyen eine Flugverbotszone einzurichten. Damit wenden die arabischen Potentaten ihrem Bruder Gaddafi den Rücken zu. Einem, der sein Volk so offensichtlich schindet, mag man nicht mehr zur Seite stehen.

Die Bilder, die aus Libyen in die arabische Welt kommen, wühlen auch da die Menschen auf. In dieser Lage Solidarität mit dem Oberst in Tripolis zu zeigen, hieße für die meisten Alleinherrscher, die Opposition im eigenen Land zu befeuern und damit die eigene Macht zu gefährden. Politisch ist die Erklärung von Kairo ein weiterer Schritt zur internationalen Isolierung Gaddafis. In der Frage aber, ob in den libyschen Bürgerkrieg militärisch von außen eingegriffen werden sollte, bringt sie weder die Amerikaner noch die Europäer wirklich weiter.

Denn vor allem die europäischen Regierungen erwarten von den arabischen Staaten mehr als nur ein verbales Bekenntnis zu einer Aktion gegen Gaddafi. Sie wollen auch arabische Taten sehen. Nur die Nato ist in der Lage, einen so komplexen Auftrag wie die Durchsetzung einer Flugverbotszone über einem Land zu garantieren, das dreimal so groß ist wie Frankreich. In dieser Zone Patrouille zu fliegen und Gaddafis Luftwaffe auf den Boden zu zwingen, das aber können nicht nur westliche Kampfpiloten, sondern auch ägyptische oder saudische. Schließlich sind die von den USA ausgerüstet und ausgebildet worden.

Ein gemeinsamer Einsatz ist die Voraussetzung dafür, dass nationalistische und islamistische Propagandisten die Militäraktion nicht zum Vorwand nehmen können, den Hass auf den Westen weiter zu schüren. In Afghanistan machen Europäer und Amerikaner gerade die bittere Erfahrung was es heißt, für andere einen Krieg zu führen und sich dafür von seinen Nutznießern - wie zum Beispiel dem Herrn Karsai - immer wieder aus nationalistischem Kalkül beschimpfen lassen zu müssen. Doch kein arabisches Land scheint derzeit bereit zu sein, militärisch in Libyen einzugreifen. Solange das so ist, haben auch Amerikaner und Europäer keinen Grund einzugreifen.

Entgegen manch romantischer Vorstellung ist das Einrichten und Durchsetzen einer militärischen Flugverbotszone in Libyen kein Akt der Humanität sondern der Eintritt in einen Krieg. Und zwar auf der Seite von Aufständischen, von denen man, außer dass sie gegen Gaddafi sind, nicht so sehr viel weiß. Vor Wochenfrist haben die Aufständischen noch eine militärische Intervention zurückgewiesen. Nun, da sie in die Defensive zu geraten scheinen, rufen sie nach Intervention. Es geht in Wirklichkeit nicht um den Schutz der Zivilbevölkerung. Sondern darum, Gaddafi eine wichtige Waffe aus der Hand zu schlagen.

Das wird nicht unblutig abgehen und auch nicht ohne zivile Opfer. Und selbst wenn es gelänge, Gaddafis Luftwaffe am Boden zu halten, ist das noch keine Garantie dafür, dass die Aufständischen dort die Oberhand gewinnen. Eine Intervention mit Bodentruppen und Seestreitkräften wäre der nächste Schritt in einen weiteren Krieg.

In das Abenteuer einer Flugverbotszone - um deren humanitäre Nutzlosigkeit man übrigens seit Bosnien und dem Massaker von Srebrenica weiß - sollte der Westen sich darum nur dann stürzen, wenn Ägypten, Saudi Arabien und die nordafrikanischen Nachbarländer Libyens militärisch maßgeblich mit von der Partie sind. Den arabischen Staaten darf nicht erlaubt werden, ihre regionale Verantwortung einfach nach New York oder zur Nato abzuschieben. Der Ball liegt also immer noch bei der Arabischen Liga. Die Europäer haben ihr ein Gipfeltreffen angeboten. Dort muss ohne Beschönigungen geredet werden. Es geht um einen Weg, an dessen Ende sich alle gemeinsam in einem Krieg wiederfinden könnten.

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