Reisen nach Japan: Reiserecht:"Ein Gefühl im Bauch reicht nicht"

Mehrere Veranstalter haben ihre Japan-Reisen abgesagt. Bange Fragen beschäftigen Reisende mit Ziel Japan: Kann ich stornieren oder umbuchen?

Daniela Dau

Tränen der Erleichterung standen vielen Passagieren, ihren Angehörigen und Freunden in den Augen: Sie hatten es nach dem verheerenden Erdbeben in Japan am Wochenende geschafft, einen Flug Richtung Heimat zu erreichen. Allerdings waren dem Vernehmen nach in einigen Flugzeugen viele Plätze leer geblieben: Die Infrastruktur ist in Teilen des Landes stark beeinträchtigt, nicht alle Passagiere erreichten beispielsweise den internationalen Flughafen Tokio-Narita rechtzeitig.

Japan-Reisende kehren nach Deutschland zurueck

Ein Reisender aus Japan wird am Münchner Flughafen von einer Angehörigen begrüßt.

(Foto: dapd)

Seit Samstag hat das Auswärtige Amt aufgrund der aktuellen Lage eine Teilreisewarnung für den Nordosten der Insel Honshu ausgesprochen. Insgesamt wird von nicht erforderlichen Reisen nach Japan abgeraten. Deutsche in der Region um die Atomkraftwerke Fukushima und im Großraum Tokio/Yokohama sollten prüfen, ob ihr Aufenthalt weiterhin nötig ist.

Glücklich also die, die bereits wieder in Deutschland gelandet sind. Doch Reisende, die in diesen Tagen einen Flug nach Japan gebucht haben, stellen sich bange Fragen: Ist es sicher, jetzt nach Japan zu fliegen? Kann ich den Flug stornieren oder auf einen anderen Zeitpunkt umbuchen? Kriege ich mein Geld zurück?

Indvidualreisende zahlen aus eigener Tasche

Schlechte Karten haben Individualreisende, die lediglich einen Flug bei einer Fluggesellschaft gebucht haben und sich im Land auf eigene Faust bewegen wollten. "Hier ist der Vertragsgegenstand die ordnungsgemäße Abwicklung des Fluges", sagte Paul Degott, Anwalt für Reiserecht aus Hannover, zu sueddeutsche.de. Die Airline ist dafür verantwortlich, dass der Check-in durchgeführt werden kann, dass sicher gestartet und gelandet wird. Solange dies gewährleistet ist, gilt das Prinzip "höhere Gewalt" durch Naturkatastrophen bei der Flugstornierung nicht. Umbuchungs- oder Stornokosten muss der Passagier aus eigener Tasche bezahlen.

Abgestufte Regelung für Pauschalreisende

Ganz anders sieht es für Pauschalreisende aus. Hier ist der Anreiseflug in der Regel nur ein Teil der Vertragsleistung, meist sind noch weitere Flüge, Fahrten oder Ausflüge geplant. "Die Aussichten, den vollen Reisepreis zurückzuerlangen richten sich danach, wie stark die Durchführung der weiteren Leistung beeinträchtigt ist", so Reiserechtler Degott. Abgestufte Erstattungen seien möglich, wenn den Kunden vor Ort keine akzeptablen Alternativen angeboten werden können.

Touristen mit bereits gebuchtem Reiseziel und Aufenthalt in und um Tokio müssen sich eines weiteren Risikos bewusst sein: Nach aktuellem Kenntnisstand ist derzeit nicht klar, wie hoch der Anteil radioaktiver Partikel in der Luft ist, die Tokio in den kommenden Tagen erreicht und wie stark die Belastung durch den sogenannten Fallout bei Niederschlägen sein könnte. "In diesem Fall greift Paragraph 651 j des BGB", erklärt Degott: "Wird die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen."

Veranstalter sagen Reisen ab

Mehrere Veranstalter haben ihre Japan-Reisen für die kommenden Wochen abgesagt. Der Studienreisen-Anbieter Studiosus hat alle Touren bis 31. März gestrichen, Dertour bis zum 21. März. Der Spezialist JF Tours in Solingen hat alle Gruppenreisen bis 16. März abgesagt. Gebeco bietet Kunden an, alle Reisen im März kostenlos umzubuchen oder zu stornieren. Außerdem können Reisen im April ohne Gebühren auf ein anderes Ziel umgebucht werden.

Die unmittelbar von dem schweren Erdbeben und dem Tsunami betroffene Region sei zwar nicht das Ziel der Japan-Reisen, sagte Studiosus-Sprecher Frano Ilic in München. Die unübersichtliche Lage und die radioaktive Gefahr in Japan machten die Absagen aber notwendig.

Rundreisen durch Japan seien derzeit nicht möglich, weil die Infrastruktur stark durch die Katastrophe beeinträchtigt sei, sagte Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband (DRV) in Berlin. Japan sei ein klassisches Rundreiseziel - kaum jemand fahre dorthin, um an einem Ort Badeurlaub zu machen. Im Jahr 2010 reisten laut Schäfer etwa 124. 000 Deutsche nach Japan. Rund 80 Prozent davon seien allerdings Geschäftsreisende gewesen.

Da die Hauptsaison gerade erst anlaufe, waren zum Zeitpunkt der Katastrophe nur wenige deutsche Urlauber in Japan unterwegs. Bei Studiosus, Gebeco und Dertour hieß es, diese Gäste seien mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt. Die Katastrophe trifft die Veranstalter zum Beginn der stärksten Reisezeit: "Der März ist die abreisestärkste Zeit des Jahres", erklärte Gebeco-Geschäftsführer Ury Steinweg. Normalerweise starte jetzt jeden Tag eine Reisegruppe nach Japan, bis Ende April hätten rund 500 Gäste gebucht. An diesem Montag wären eigentlich sogar zwei Gruppen nach Japan geflogen - doch Gebeco habe sie gebeten, die Reise zu stornieren. Dieser Bitte seien alle Urlauber nachgekommen.

Sondertarif bei Air France

Die französische Fluggesellschaft Air France hat einen Sondertarif für One-Way-Flüge von der japanischen Hauptstadt Tokio nach Paris angekündigt. Das Angebot gelte ab dem Montagabend und richte sich an alle, die Japan nach dem Tsunami verlassen wollten, sagte ein Sprecher. Für die beiden Flüge, die die Airline täglich von Tokio nach Paris anbiete, gebe es allerdings nur noch wenige freie Plätze. Um die Nachfrage zu befriedigen, plane Air France, größere Flugzeuge einzusetzen oder Flugrouten zu ändern.

Perspektiven für das Frühjahr

Die Hauptreisezeit für Japan liegt im Frühjahr sowie im Herbst. Reisenden, die etwa im Mai gebucht hätten, kann der Reiserechtler Paul Dergott derzeit nicht zur Kündigung raten. "Ein blödes Gefühl im Bauch reicht als Grund nicht aus, auf den Stornokosten bleiben die Urlauber sitzen."

Das Gleiche gilt für Touristen, die für ihren Sommerurlaub bereits Flüge nach China oder in Länder Südostasiens gebucht haben. "Leider ist derzeit nicht absehbar, welche Bereiche in der Region die belastete Luft erreicht und wie hoch in den kommenden Monaten die Belastung dort sein wird." Degott rät, sich genau über die Situation vor Ort zu informieren, beispielsweise über die Seiten des Auswärtigen Amtes und engen Kontakt mit dem Reiseveranstalter zu halten, der gesetzlich verpflichtet sei, seine Kunden umfänglich zu informieren.

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