Japan: Devisenmarkt:Der unheimliche Anstieg des Yen

Japan bäumt sich gegen die Katastrophe auf, doch nun wertet zu allem Unglück die Landeswährung Yen dramatisch auf. Der geschlauchten Exportwirtschaft des Landes droht der Kollaps.

Es erscheint paradox. Ausgerechnet im Zuge einer der größten Katastrophen in der Geschichte Japans erklimmt die Landeswährung einen neuen Rekordstand. Der Yen stieg im Verhältnis zum Dollar zeitweise auf den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg. In einem konfusen und sprunghaften Handel mussten die Devisenhändler zeitweise nur noch 76,25 Yen für einen Dollar bezahlen. Später pendelte er sich bei Kursen um 79,20 Yen ein. Damit hat der Yen seit der Tsunami-Katastrophe vom Freitag um knapp sieben Prozent aufgewertet. Auch gegenüber dem Euro ist der Yen inzwischen deutlich teurer und markierte mit 107,53 Yen zeitweise ein Zwei-Monats-Tief.

Japan's stocks plunge amid nuclear disaster fears

"Das ist Chaos da draußen." Die Börse in Tokio bewegt sich im Takt mit den Nachrichten vom Unglücksreaktor, doch der Yen wertet ständig auf.

(Foto: dpa)

"Das ist Chaos da draußen", sagte ein Währungshändler in Australien. Beobachter erklären die Yen-Stärke mit dem Kalkül der Spekulanten, die damit rechneten, dass japanische Investoren ihre ausländischen Investments abstießen, um für den Wiederaufbau liquide zu sein. Daher steigt die Yen-Nachfrage und treibt den Kurs in die Höhe. "Das Geld muss zurück nach Hause", sagte ein Stratege der Deutschen Bank dem britischen Wirtschaftsblatt Financial Times.

Die Exportnation Japan leidet seit Jahren unter der Stärke ihrer Währung, weil sie Produkte wie Toyota-Fahrzeuge oder Nikon-Kameras auf den Weltmärkten verteuert. Noch vor neun Jahr war ein Dollar mit deutlich mehr als 130 Yen zu berappen und bis Mitte 2007 waren es immerhin noch mehr als 120 Yen. Seither wertete der Yen kontinuierlich auf - vor der Tsunami-Katastrophe hatte er sich im Bereich zwischen 80 und 85 Yen für einen Dollar eingependelt. Das war für Japans Wirtschaft bereits eine schwere Hypothek, doch die neuerliche Aufwertung ist für das erdbebengeschädigte Land nun eine zusätzliche Katastrophe.

Krisenkonferenz über Telefon

Beobachter rechnen daher mit einer baldigen Intervention der japanischen Notenbank an den Devisenmärkten, womöglich auch im Rahmen einer international koordinierten Aktion. Denn die japanische Regierung hat bereits eine Telefonkonferenz der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden Industrieländer für Freitag angekündigt. Sie wollen über die Folgen für die Wirtschaft und die Finanzmärkte sprechen.

Noch vor der Telefonkonferenz geißelte Japans Finanzminister Yoshihiko Noda am Donnerstag die Spekulanten für den Kursanstieg des Yen und drohte ihnen indirekt: Die Regierung beobachte den Markt genau, sagte er. Experten werten solche Äußerungen gewöhnlich als Hinweis auf eine mögliche Intervention am Devisenmarkt. "Es besteht die Möglichkeit, dass Japan am Markt interveniert, um die Lage zu beruhigen, auch wenn ein solcher Eingriff nicht sehr groß ausfallen dürfte", sagte Devisenstratege Junya Tanase bei der US-Bank JP Morgan Chase.

Als weiteren Grund für die Yen-Stärke nannten Börsianer automatische Orders von Anlegern zur Verlustbegrenzung. Investoren, die auf eine Aufwertung des Dollars gesetzt hätten, würden nun die Reißleine ziehen und Dollar abstoßen, um nicht noch größere Verluste zu erleiden, hieß es. Zudem benötigten ausländische Investoren inzwischen dringend Yen, um nach dem jüngsten Einbruch der japanischen Börsen die gestiegenen Sicherheitsleistungen (Margen) ihrer Terminkontrakte zu erfüllen.

Export-Aktien unter Druck

Geschwächt werde der Dollar wohl auch durch die Reaktion japanischer Versicherer auf die Tsunami-Katastrophe, sagten Beobachter. Die japanische Versicherungswirtschaft, die ihr Vermögen in großem Umfang im Ausland angelegt habe, hole dieses nun in Erwartung großer Zahlungen bereits nach Japan zurück. Dies erhöhe die Nachfrage nach dem Yen.

An der japanischen Börse drückte die Yen-Stärke auf die Kurse, nachdem sich der Markt am Vortag erholt hatte. Vor allem Exportwerte litten: Die Papiere des weltgrößten Autoherstellers Toyota verloren 2,2 Prozent, die des Rivalen Honda 1,1 Prozent. Die Titel des Kamera- und Bürogeräteherstellers Canon gaben 3,3 Prozent nach. Die Aktien der Großbank Mitsubishi UFJ fielen um 4,7 Prozent.

Zu den großen Verlierern am japanischen Aktienmarkt gehörte erneut der Energiekonzern Tepco, der Betreiber des Kraftwerks Fukushima. Die Aktien des Unternehmens, die wegen der Masse an Verkaufsaufträgen in den vergangenen drei Tagen vom Handel ausgesetzt waren, brachen um mehr als 13 Prozent ein. Der 225 Werte umfassende Nikkei-Index schloss mit 1,4 Prozent im Minus bei 8962 Punkten.

Zudem schürten Warnungen der US-Atomaufsicht, dass die Gefahr eines Super-Gaus in dem japanischen Unglücks-AKW Fukushima wachse, die Furcht der Anleger vor einem schweren Schlag für die Weltkonjunktur. Auch die übrigen Märkte in Asien verbuchten zumeist wieder Verluste. Die Börse in Hongkong notierte 1,9 Prozent tiefer, der chinesische Leitindex in Shanghai lag 1,2 Prozent im Minus. Die Börse in Südkorea konnte dagegen leicht zulegen. "Die Unsicherheit ist extrem hoch", sagte Analyst Koichi Ogawa von Daiwa SB Investment. "Angst ist das einzige, was den Markt heute bewegt."

Bank von Japan pumpt Milliarden in den Markt

Nachrichten über steigende Temperaturen und Explosionen in den Reaktoren führten zudem zu einem volatilen Handel. In dem von dem Erdbeben und Tsunami vor knapp einer Woche schwer beschädigten Kernkraftwerk Fukushima versuchte das Militär wieder, aus Hubschraubern die Reaktoren mit Wasser zu kühlen. Dies war möglich, weil die hohe Strahlung am AKW etwas abnahm.

Um die Märkte zu beruhigen, pumpte die japanische Notenbank weitere Milliarden in den Markt. Die Bank von Japan stellte weitere sechs Billionen Yen (54 Milliarden Euro) zur Verfügung, nachdem sie dem Finanzmarkt bereits Rekordsummen angeboten hatte.

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