Arbeiter in den Fukushima-1-Reaktoren:Die Retter Japans

In Japan werden sie die "Fukushima 50" genannt: die Arbeiter, die nach den Explosionen der Reaktoren zurückblieben, um Schlimmeres zu verhindern. Sie werden wie Helden verehrt - manche Japaner fordern, ihnen den Friedensnobelpreis zu verleihen. Das ganze Land giert nach Informationen über sie.

Christoph Neidhart, Osaka

An den havarierten Reaktoren des Atommeilers Fukushima 1 sind derzeit Techniker der Betreiberfirma Tepco, des Herstellers Toshiba, die Armee und Feuerwehrmänner einer Tokioter Spezialeinheit im Einsatz - zusammen mehr als 400 Leute. Sie setzen sich radioaktiver Strahlung aus, um die Brennstäbe zu kühlen. Obdachlose "Wegwerfarbeiter", wie manche Medien behauptet haben, gibt es dort hingegen nicht.

Am Sonntagabend berichteten die Feuerwehrleute in einer Pressekonferenz von ihrem Einsatz, der siebeneinhalb Stunden dauerte, und von der Angst, die sie hatten. Der Kommandant des Einsatzes, Yasuo Sato, erzählte von der letzten E-Mail, die seine Frau ihm noch geschickt habe: Sie sei überzeugt, er kehre zurück. Aber er müsse jetzt zum Retter Japans werden.

Anders als die Feuerwehr schirmt Tepco seine Techniker und die Armee ihre Soldaten von der Öffentlichkeit ab. Doch die Japaner fluten derzeit das Internet mit Aufrufen, die sogenannten "Fukushima 50" sollten den Friedensnobelpreis erhalten. Diesen Namen tragen jene 50 Tepco-Männer, die nach den Explosionen in den zerstörten Reaktorgebäuden zurückgeblieben waren, um eine noch schlimmere Katastrophe abzuwenden. Einiges ist auch über diese Leute bekannt: Eine Frau schrieb auf Twitter, ihr Vater stehe sechs Monate vor seiner Pensionierung, er habe sich freiwillig zum Einsatz gemeldet.

Tepco beschäftigt - wie alle japanische Firmen - für Nebenjobs Zeitarbeiter. Sie werden angelernt, aber nicht weitergebildet, sind schlecht bezahlt und werden entlassen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Da die meisten großen japanischen Firmen ihre Leute von der Schule oder der Universität weg anstellen und erwarten, dass sie das ganze Arbeitsleben bleiben, gibt es in Japan nur einen eng begrenzten Arbeitsmarkt: Wer nach der Ausbildung keine Stelle findet, muss eine Zeitarbeiterstelle annehmen. Und wer einmal Zeitarbeiter war, hat wenig Chancen, noch eine Festanstellung zu finden.

Angehörige dieses jungen Proletariats werden Freeter genannt, nach dem englischen Wort free (übersetzt: frei). Einige Freeter sind obdachlos, aber die meisten wohnen bei ihren Eltern oder in Wohnbauten ihrer temporären Arbeitgeber. Zum Zeitpunkt des Erdbebens waren neben den Hilfsarbeitern von Tepco, die sicher nicht festangestellt waren, auch 200 Handwerker und Elektriker in den Reaktorgebäuden. Auch unter diesem Reparaturpersonal dürfte es Freeter gegeben haben. Aber obdachlose Wegwerfarbeiter waren es nicht.

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