Cyber-Mobbing unter Schülern:Gemeinheiten bis zur Bewusstlosigkeit

Aus ein bisschen Klatsch wird eine Hetzjagd unter Jugendlichen - und niemand hat Beweise. Nach einer Lästerattacke auf einer anonymen Mobbing-Webseite kommt es zu einer Prügelei unter Schülern. Jetzt fordern Eltern Konsequenzen.

Malte Conradi

Bisher waren die Jugendlichen unter sich auf der Webseite "Isharegossip" (auf Deutsch: Ich mache mit beim Klatsch). Ausgiebig diskutieren sie dort über "die hässlichsten Mädchen der neunten Klasse" oder "die größten Idioten der ganzen Schule" - die Sprache drastisch, die Gemeinheiten explizit. Doch seit bekannt wurde, dass die Beschimpfungen auf der Internetseite wohl dazu führten, dass am Wochenende 20 Jugendliche einen 17-jährigen Berliner bewusstlos prügelten, hat sich etwas geändert auf der Seite.

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Nicht immer ist der Autor so gut sichtbar: Beschimpfungen auf einer anonymen Mobbing-Seite im Internet haben in Berlin zu einer handfesten Schlägerei geführt.

(Foto: ddp)

Nicht mehr ausschließlich Jugendliche sind es jetzt, die sich hier beschimpfen. Zahlreiche, offensichtlich von Erwachsenen verfasste Beiträge finden sich nun, in denen alle Nutzer der Seite, alle Schüler mit Migrationshintergrund oder gleich alle Berliner Jugendlichen angepöbelt werden. So groß ist offenbar die Empörung der Autoren über das Internet-Mobbing, dass sie zu demselben Mittel greifen.

Laut der Berliner Polizei hatten etwa 20 Jugendliche am Samstag einen Schüler krankenhausreif geschlagen, weil er seine Freundin vor einer regelrechten Hetzjagd auf "Isharegossip" verteidigen wollte. Der 17-Jährige war von den Jungen und Mädchen auf einen Parkplatz im Stadtteil Wedding gezerrt worden. Dort schlugen und traten die Angreifer so lange auf den jungen Mann ein, bis er bewusstlos am Boden lag. Er kam mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus, das er inzwischen wieder verlassen konnte.

Vor dem Überfall wollte der Schüler den Konflikt zwischen seiner 18-jährigen Freundin und deren Mitschülerinnen wegen der Mobbing-Beiträge schlichten. Der Versuch scheiterte laut Polizei, als sich weitere Jugendliche dazu gesellten und aggressiv wurden. Nachdem die Gruppe auseinander gegangen war, lauerten sie dem Streitschlichter auf seinem Heimweg auf. Die Polizei nahm vier Jungen und zwei Mädchen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren fest. Sie befinden sich inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Auf "Isharegossip" können Nutzer Kommentare über andere Menschen hinterlassen - anonym, ohne vorherige Anmeldung und, wie die Betreiber der Seite stolz verkünden, ohne Möglichkeiten der Strafverfolgung: "Niemand kann nachgewiesen werden, etwas geschrieben zu haben. Auch nicht vor der Polizei, das heißt es gibt keinen dingfesten Beweis", schreibt ein Betreiber etwas unbeholfen.

Derweil fordert der Vorsitzende des Berliner Landeselternausschusses, Günter Peiritsch, die Abschaltung der "unsäglichen Mobbing-Seite". Unabhängig von dem Übergriff in Berlin untersucht die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien derzeit, ob "Isharegossip" auf den Index gesetzt werden muss. Als Folge der Indizierung wäre die Internetseite nicht mehr über die gängigen Suchmaschinen auffindbar.

Abschalten lässt sie sich über den Rechtsweg jedoch nicht, da die Anbieter die Seite vom Ausland aus betreiben. Nach Meinung von Psychologen führen Internetseiten wie "Isharegossip" zu einer weiteren Verschärfung des Mobbings an Schulen, da die Urheber sich in der Anonymität sicher fühlen und die Beschimpfungen dauerhaft erhalten bleiben.

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