Internet-Filter:US-Firmen: Zensurhelfer der Despoten

Einem Medienbericht zufolge liefern US-Unternehmen wie McAfee Zensursoftware an autoritäre Regime in der arabischen Welt - und brüskieren damit ihre eigene Regierung.

Die Aufforderung der Außenministerin war klar: "Zensur sollte von keinem Unternehmen akzeptiert werden, nirgends", mahnte Hillary Clinton 2010 bei ihrer ersten Rede zur Internetfreiheit, "Und amerikanische Unternehmen müssen hier ganz klar Farbe bekennen."

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Surfer in einem Internet Café: Der steigende Bedarf an Internet-Filtern verspricht westlichen Firmen neue Absatzmärkte.

(Foto: AFP)

Eine neue Recherche des Wall Street Journals (WSJ) zeigt nun, dass Clintons Appell offenbar ungehört verhallt ist. Demnach profitieren viele IT-Firmen in den USA von den verstärkten Zensuranstrengungen vieler autoritärer Regierungen in aller Welt.

Wie das WSJ berichtet, pflegen vor allem die Hersteller von Filter-Software gute Geschäftsbeziehungen zu Regierungen in Afrika und in der arabischen Welt. So verkaufte beispielsweise der US-Sicherheitssoftwarehersteller McAfee, inzwischen im Besitz von Intel, Filter-Software nach Bahrain, Saudi Arabien und Kuwait. Auch kleinere Unternehmen wie Netsweeper und Blue Coat Systems liefern solche Programme an die dortigen Regierungen.

Der Markt für Internetsicherheit, zu dem auch Filterprogramme gehören, hatte der Marktforschungsfirma IDC zufolge 2010 einen Wert von 1,8 Milliarden Dollar. Der Anteil des Nahen Ostens und Afrikas liegt bei bislang bescheidenen 46 Millionen Dollar, wächst aber um 16 Prozent jährlich.

Filtersoftware muss theoretisch nicht zur Zensur eingesetzt werden, in der Realität nutzen autoritäre Regierungen die Software häufig, um unliebsame Diskussionen und die Organisation regierungskritischer Proteste zu verhindern.

Filter an kritischen Punkten

Dies ist deshalb möglich, weil in vielen dieser Länder die Internet-Provider entweder in staatlichem Besitz sind oder Behörden direkt auf diese Einfluss nehmen können. Damit kann die Software ohne Probleme an kritischen Punkten des Netzwerks installiert werden.

Nach den Protesten im arabischen Raum dürfte die Nachfrage nach solchen Filtern steigen - und die winkenden Geschäfte die Anti-Zensur-Rhetorik vieler Unternehmen ad absurdum führen. Die US-Firma Websense macht seiner Unternehmenspolitik zufolge keine Geschäfte mit "Regierungen oder Internet-Providern, die sich an Regierungszensur beteiligen." In der Praxis hat es Forschern der Internet-Bürgerrechtsorganisation OpenNet Initiative zufolge Software an den Jemen verkauft, die es Aktivisten unmöglich machen soll, ihre Identität online zu verschleiern.

Die betroffenen Unternehmen äußerten sich nicht zu den Anschuldigungen, das Wall Street Journal gibt als Quelle seiner Recherchen unter anderem Mitarbeiter von Internet-Providern in den entsprechenden Ländern an.

Westliche Filter-Programme in neun Ländern

Vorwürfe dieser Art gegen internationale Unternehmen sind nicht neu: So hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beispielsweise bereits 2006 den Netzwerk-Ausstatter Cisco dafür kritisiert, der chinesischen Regierung die Technik für ihre "große Firewall" zu liefern, dem wahrscheinlich umfassendste Internet-Zensursystem der Welt.

Einem noch unveröffentlichten Bericht der Open Net Initiative zufolge wird nach Angaben des WSJ in mindestens neun Ländern in Afrika und dem Nahen Osten westliche Software eingesetzt, um Internet-Inhalte zu zensieren.

In der Regel berufen sich die IT-Firmen darauf, nicht genau zu wissen, wofür ihre Produkte eingesetzt werden. Dies sei aber nur eine Ausrede, argumentiert der renommierte Harvard-Rechtsprofessor Jonathan Zittrain im Gespräch mit dem Wall Street Journal: "Sie könnten in die Software ein Signal einbauen, das genaue Informationen darüber weitergibt, was gefiltert wird. Das ist kein Hexenwerk, nur würden ihre Kunden das nicht wollen."

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