Atomkatastrophe in Japan:Jetzt auch noch Plutonium

Die jetzt aufgetauchten Plutoniumspuren kommen vielleicht aus einem der Abklingbecken von Fukushima-1. Es gibt jedoch noch eine zweite, erschreckendere Möglichkeit.

Patrick Illinger und Jeanne Rubner

Nun also auch Plutonium. Die Kaskade der Hiobsbotschaften aus dem Unglückskraftwerk im japanischen Fukushima reißt nicht ab. An insgesamt fünf Stellen auf dem zerstörten Reaktorgelände haben Arbeiter Spuren des in der freien Natur fast nicht vorkommenden, für den Menschen hochgefährlichen Stoffs Plutonium gefunden. Dies meldete die Nachrichtenagentur Kyodo am Montag.

Japan's 9.0-magnitude earthquake and tsunami aftermath

Reaktorblock 3 des Atomkraftwerks Fukushima-1. Plutonium, das in der Umgebung der Anlage entdeckt wurde, könnte aus den Abklingbecken des AKW stammen - oder aus dem Druckbehälter dieses Reaktors.

(Foto: dpa)

Zunächst gab es weder Angaben über die entdeckte Menge noch die mögliche Quelle des radioaktiven Stoffs. Nachdem es als Abfallprodukt in uranbetriebenen Kernkraftwerken anfällt, könnten die jetzt aufgetauchten Plutoniumspuren aus einem der Abklingbecken der Reaktorblöcke 1 bis 4 stammen. In diesen Becken lagern üblicherweise abgebrannte Brennelemente aus den Reaktoren, bis deren Zerfallswärme abgenommen hat.

Es gibt jedoch eine zweite, überaus erschreckende Möglichkeit, wo das nun entdeckte Plutonium herkommen könnte: Reaktorblock 3 der Anlage in Fukushima wurde mit sogenannten Mischoxid-Brennstäben (Mox) betrieben, die nicht nur aus Uran bestehen, sondern auch einige Prozent Plutonium enthalten.

Sollten die Plutoniumreste auf dem Gelände von Fukushima aus diesen speziellen Brennelementen stammen, so würde das bedeuten, dass der innere Reaktordruckbehälter des Reaktorblocks Nummer 3 geborsten ist.

Dafür gab es bislang keine Belege. Zusammen mit der eben von Regierungsseite bestärkten Vermutung, dass in Block 2 eine Kernschmelze stattgefunden hat und dort der Druckbehälter wahrscheinlich beschädigt ist, wären somit zwei Reaktorkerne der havarierten Kraftwerksanlage mit der Außenwelt in Verbindung. Beide Druckkessel entlassen womöglich radioaktives Material in die Umwelt.

Plutonium ist ein hochgiftiges, radioaktives Schwermetall. Gefährlich macht das Element auch seine lange Halbwertszeit, die bei dem am häufigsten vorkommenden Isotop 239 etwa 24.000 Jahre beträgt. Erst nach dieser Zeit ist die Hälfte des Plutoniums zerfallen. Chemiker zählen Plutonium zur Gruppe der Transurane. Das Element kommt in der Natur kaum vor, Spuren davon findet man in sehr alten Steinformationen wie Granit. Modernere Quellen sind zum Beispiel Nuklearwaffen: In der Atombombe, die auf Nagasaki abgeworfen wurde, bestand das Spaltmaterial - wie in den meisten heutigen Kernwaffen - aus Plutonium.

Das meiste Plutonium entsteht derzeit in Atomreaktoren bei der nuklearen Kettenreaktion. Allerdings sind die Mengen bei der Nutzung herkömmlicher Uran-Brennelemente gering. Dennoch wird es bei der Wiederaufbereitung abgeschieden und mancherorts in Mischoxid-Elemente eingebracht, die aus angereichertem Uran- und Plutoniumoxid bestehen.

In Block 3 des Kernkraftwerks Fukushima 1 wurden seit dem Sommer solche Mox-Brennelemente verwendet. Sie haben den Vorteil, dass ihre Energieausbeute höher ist als die herkömmlicher Uran-Brennstäbe. Zugleich sind sie umstritten, weil sie erstens den waffentauglichen Stoff Plutonium enthalten und zweitens gefährlich in der Handhabung sind. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA überprüft daher die Mengen an Plutonium, die weltweit verwendet werden, um einen Missbrauch zu verhindern.

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