Afghanistan:Nach Koranverbrennung: Mob tötet UN-Mitarbeiter

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Acht UN-Mitarbeiter und fünf Demonstranten sterben in Masar-i-Scharif bei Protesten gegen eine Koranverbrennung in Amerika. An der war auch Pastor Jones beteiligt, der schon einmal das heilige Buch der Muslime verbrennen wollte.

Tobias Matern und Christian Wernicke

Bei einem Angriff wütender Demonstranten auf das UN-Hauptquartier in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif sind am Freitag mindesten acht Mitarbeiter der Vereinten Nationen getötet worden. Die Demonstranten protestierten gegen die Verbrennung eines Korans in einer Kirche im US-Bundesstaat Florida vor knapp zwei Wochen.

Drei der ermordeten UN-Mitarbeiter sind nach Angaben der afghanischen Polizei nepalesische Wachmänner gewesen, ein Offizier soll aus Norwegen stammen. Ein weiteres Opfer kam aus Schweden, bestätigte das Außenministerium in Stockholm. Die Nationalität der anderen Toten war zunächst nicht bekannt. Auch fünf Demonstranten wurden getötet. Der Leiter der UN-Mission in Afghanistan, Staffan di Mistura, sei auf dem Weg nach Masar-i-Scharif, um sich ein Bild von der Lage zu machen, sagte ein UN-Sprecher in Kabul.

Einwohner von Masar-i-Scharif berichteten, Geistliche hätten am Donnerstag über Lautsprecher in der gesamten Stadt zur Teilnahme an einer friedlichen Protestveranstaltung aufgerufen. Hunderte Menschen hätten daraufhin nach dem Freitagsgebet in Masar-i-Scharif demonstriert, berichtete ein Vertreter der westlichen Gemeinschaft. Später attackierten die Demonstranten dann die UN-Mission und drangen in das Gebäude ein. Sie hätten es in Brand gesteckt und Wachmänner und Polizisten, die das Gelände sicherten, mit Steinen beworfen, hieß es.

Ein Polizeisprecher sagte, einige Angreifer seien bereits bewaffnet gewesen, andere hätten Waffen der Wachen an sich genommen. Auch Kämpfer der radikalislamischen Taliban hätten sich unter die Demonstranten gemischt. Die Proteste seien "inzwischen aufgelöst", hieß es aus informierten Kreisen.

Westliche Diplomaten und die von der Nato geführte Isaf-Truppe in Afghanistan hatten vor dem Angriff schon mit Sorge auf einen Artikel im Spiegel reagiert. Das Magazin hatte Bilder von US-Soldaten veröffentlicht, die in Afghanistan brutal Zivilisten ermordet hatten und sich anschließend vor den Leichen fotografieren ließen. Den Soldaten ist inzwischen in den USA der Prozess gemacht worden. Einen der Angeklagten verurteilte ein Militärgericht zu 24 Jahren Haft.

Es sei erstaunlich, dass sich die Attacke vom Freitag gegen die UN und nicht gegen US-Einrichtungen gerichtet habe, sagte ein Vertreter der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan. Schließlich hätten sich die Angreifer explizit auf die Koran-Verbrennung in den USA bezogen. Die Attacke auf die UN habe gezeigt, welches Gewaltpotential Aktionen wie die Koran-Verbrennung "schüren können", sagte er. Auch bezüglich der Taten der US-Soldaten könne es noch zu gewalttätigen Demonstrationen kommen.

Der Koran brannte zehn Minuten

Eine Gruppe christlicher Fundamentalisten hatte am vergangenen Sonntag in einer Kirche in Gainesville im US-Bundesstaat Florida einen Koran mit Benzin übergossen und angezündet. Mitorganisator der Aktion war der umstrittene Pastor Terry Jones, der im vorigen Jahr anlässlich des neunten Jahrestages der Terroranschläge vom 11.September 2001 zu einem "Verbrenn-den-Koran-Tag" aufgerufen hatte. Nach Interventionen religiöser Führer sowie der US-Regierung hatte Jones damals seine Provokation in letzter Minute abgesagt.

Der Koranverbrennung am 20. März vorausgegangen war ein achtminütiger Scheinprozess, bei der Jones' Freund und Prediger-Kollege Wayne Sapp die Heilige Schrift der Muslime "schuldig" erklärte und "zur Hinrichtung" verurteilte. Vor den Augen von angeblich 30 Gläubigen hatte Sapp dann den Koran in Flammen gesetzt und etwa zehn Minuten brennen lassen.

US-Medien hatten die Aktion weitgehend ignoriert. Allerdings hatte Pakistans Botschafter Abdullah Hussain Haroon namens der Organisation der Islamischen Konferenz protestiert und in einem Schreiben an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vor Hetze und religiöser Intoleranz gewarnt. Der afghanische Präsident Hamid Karsai hatte die Koranverbrennung als Verbrechen gegen die Religion verurteilt und die USA und die Vereinten Nationen aufgerufen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Pastor Jones, der sich diesmal nur in der Rolle eines "Zeugen der Anklage" wähnte, erklärte anschließend, er habe durch seinen Rückzieher im vergangenen Herbst "der muslimischen Welt die Möglichkeit geben wollen, ihr Buch zu verteidigen". Er habe jedoch von islamischen Gläubigen nie irgendeine Antwort erhalten. Jones fügte hinzu, die jetzige Verbrennung sei für ihn ein Erfolg, den er nicht wiederholen wolle: "Dies ist ein Erlebnis, das man einmal im Leben macht."

Masar-i-Scharif liegt im Einsatzgebiet der Bundeswehr. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam sagte, deutsche Soldaten seien von den Angriffen nicht betroffen. Die Stadt gehört zu den Gebieten, in denen die afghanischen Sicherheitskräfte von Juli an die Sicherheitsverantwortung übernehmen sollen.

© SZ vom 02.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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