Fukushima - so schlimm wie Tschernobyl:Japan ruft höchste Gefahrenstufe aus

Erstmals ist es ein atomarer Störfall in einer Kategorie mit Tschernobyl: Die japanische Regierung hebt die Gefahr der Atomkatastrophe in Fukushima auf die höchste internationale Stufe 7 an. Nachdem das Krisengebiet von mehreren Nachbeben erschüttert wurde, vermeldet die Regierung Fortschritte im Kampf gegen den Super-Gau: Die Lage stabilisiere sich im Krisen-AKW Fukushima.

Die japanische Regierung hat die Gefahr der Atomkatastrophe in Fukushima auf die höchste internationale Stufe angehoben. Das gab die Atomaufsichtsbehörde in Tokio bekannt. Der Unfall hat nun die Einstufung 7 und steht damit auf gleicher Höhe wie die Tschernobyl-Katastrophe.

File handout aerial view of the Fukushima Daiichi Nuclear Power Station is seen in Fukushima Prefecture in this photo taken by Air Photo Service

Auf einer Stufe mit Tschernobyl: Die Atomaufsichtsbehörde in Tokio hob das Gefahrenrisiko des Atomunfalls in der Atomanlage Fukushima-Daiichi auf die höchste Stufe 7 an.

(Foto: Reuters)

Die Anhebung des Atomunfalls auf die Gefahrenstufe 7 bedeutet "Schwerste Freisetzung: Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld." Die Neubewertung rührt daher, dass die Radioaktivität, die insbesondere nach der Explosion im Reaktorblock 2 am 15. März zugenommen hatte, zwischen 370.000 bis 630.000 Terabecquerel lag. Damit beträgt sie bislang etwa zehn Prozent der Radioaktivität, die von Tschernobyl ausging. Ein Kriterium, nach dem die Stufe 7 der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Vor- und Unfälle, Ines, gilt, ist eine freigesetzte Radioaktivität, die "etlichen Zehntausend Terabecquerel von Jod-131" entspricht. Das ist in Fukushima-1 gegeben.

Bisher hatte für drei Meiler im AKW Fukushima-1 die Stufe 5 gegolten. Diese bedeutet nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS): begrenzte Freisetzung von radioaktiven Stoffen und Einsatz einzelner Katastrophenschutzmaßnahmen.

Nach der Katastrophe von Tschernobyl war eine Skala geschaffen worden, um die Öffentlichkeit einheitlich über die Schwere eines Atomunfalls zu informieren. Auf dieser siebenstufigen Ines-Skala (International Nuclear and Radiological Event Scale) hatte bisher nur der Tschernobyl-Unfall von 1986 die höchste Einstufung 7 bekommen.

Die freiwerdende Radioaktivität habe sich zuletzt verringert, heißt es. Die Regierung kündigte an, die Messungen von Radioaktivität auszuweiten. Das Leck in Block 2 könnte dazu führen, dass die in Tschernobyl freigesetzte Menge noch übertroffen wird, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf den Betreiber Tepco. Inzwischen vermeldet der japanische Regierungschef Naoto Kan Fortschritte im Kampf gegen einen möglichen Super-Gau: Die Lage im havarierten Atomkraftwerk Fukushima "stabilisiert sich Schritt für Schritt", sagte Kan.

Starkes Nachbeben am Morgen

Unterdessen wurde Japan am Morgen erneut von starken Nachbeben erschüttert. Ein Erdstoß der Stärke 6,4 vor der Küste der Präfektur Chiba ließ auch Häuser im benachbarten Tokio schwanken. Berichte über Verletzte oder Schäden gab es bislang nicht. Das Epizentrum lag nur 30 Kilometer von der Hauptstadt Tokio entfernt. Mehrere Stunden später kam es zu einem weiteren Erdbeben der Stärke 6,3 - dieses Mal im Nordosten des Landes.

Der Betrieb von Hochgeschwindigkeitszügen konnte nach kurzer Unterbrechung wieder aufgenommen werden. Auch die Landebahnen auf dem Tokioter Flughafen Narita mussten zwischenzeitlich gesperrt werden. Die Stärke des Bebens war zunächst mit 6,3 angegeben worden, wurde aber auf 6,4 angehoben. Seit dem Beben der Stärke 9,0 vor einem Monat kam es zu Hunderten Nachbeben.

In der Atomruine Fukushima-1 ist derweil Feuer ausgebrochen: Ein Arbeiter habe den Brand nahe des Reaktors 4 entdeckt und die Feuerwehr alarmiert, die das Feuer habe löschen können, berichtete das Betreiberunternehmen Tepco. Der Brand ereignete sich den Angaben zufolge in einem Behälter für Batterien, der in einem Gebäude nahe dem Reaktor aufbewahrt wurde. Das Feuer sei am Morgen gegen 6.38 Uhr entdeckt und innerhalb von sieben Minuten gelöscht worden. Es war nicht klar, ob der Brand in Zusammenhang mit dem Nachbeben stand.

Verluste an Tokios Börse

Wegen der Hochstufung des Atomstörfalls ist die Börse in Tokio am Dienstagvormittag auf Talfahrt gegangen. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte notierte zur Handelsmitte ein Minus von 155,77 Punkten oder 1,6 Prozent beim Zwischenstand von 9563,93 Punkten. Der breit gefasste Topix gab bis dahin um 11,82 Punkte oder 1,39 Prozent auf 840,52 Zähler nach.

Der Dollar wurde im frühen Geschäft leichter mit 84,22-28 Yen gehandelt nach 84,74-76 Yen am späten Vortag. Der Euro notierte zum Yen leichter mit 121,36-40 Yen nach 122,53-57 Yen am späten Vortag. Zum Dollar lag er ebenfalls leichter bei 1,4408-10 Dollar nach 1,4459-61 Dollar am späten Vortag.

Die erhöhte radioaktive Gefahr ist für die philippinischen Regierung Anlass für Evakuierungsflüge: Sie will rund 2000 Landsleute, die im Umkreis von 100 Kilometern um das beschädigte Atomkraftwerk Fukushima leben, nach Hause fliegen, teilte das Außenministerium mit. Insgesamt leben mehr als 300.000 Philippiner in Japan, doch nur wenige hundert verließen bislang nach Regierungsangaben in Manila das Land.

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