Energiegipfel: Reaktionen:Krach um Ausstiegs-Kosten

Unter den Parteien ist ein hitzige Diskussion über die Finanzierung der Energiewende entbrannt - doch konstruktive Vorschläge sind rar: Die einen schließen Steuererhöhungen aus, andere lehnen Mehrkosten beim Strompreis ab. Der Finanzminister prüft indes offenbar eine andere Geldquelle.

Bis Mitte Juni sollen Bundestag und Bundesrat nach dem Willen der schwarz-gelben Regierung die gesetzlichen Voraussetzungen für die Energiewende schaffen, weg von der Kernenergie und hin zu erneuerbaren Energien. Unklar bleibt, wie teuer der Wechsel wird: Allein durch die dreimonatige Abschaltung der ältesten deutschen Atomkraftwerke werden jedoch bereits Millionenverluste für den Bund erwartet.

Offen ist auch die Frage, wer die Kosten tragen soll. Nach dem Spitzentreffen von Bund und Ländern am Freitag ist zwischen Regierungsfraktionen und Opposition darüber ein heftiger Streit entbrannt. Während die einen Steuererhöhungen zur Finanzierung des schnellen Ausstiegs kategorisch ausschließen, sprechen sich die anderen ebenso entschieden gegen höhere Strompreise aus.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich bislang nicht öffentlich zu Wort gemeldet. Er prüft offenbar im Stillen eine Erhöhung der Kernbrennstoffsteuer. Das berichtet der Spiegel vorab. Demzufolge hat der Minister Experten beauftragt, nachzurechnen, ob die Mehreinnahmen Lücken im Haushalt zumindest teilweise schließen könnten. Hintergrund sind die Laufzeit-Verhandlungen vom vergangenen Herbst.

Damals hatten die vier großen Energiekonzerne durchgesetzt, dass die Regierung nur 145 Euro pro Gramm Kernbrennstoff ansetzte. Ursprünglich waren 220 Euro geplant. Damals argumentierten die Unternehmen, ein höherer Steuersatz lasse ältere Meiler wie Neckarwestheim 1 unrentabel werden. Da es inzwischen nicht so aussieht, als würden diese Reaktoren je wieder ans Netz gehen, sei das Argument entfallen, so die Überlegung im Finanzministerium.

Indessen hat sich der designierte FDP-Vorsitzende Philipp Rösler - der die Liberalen endlich wegführen will vom Image der Steuerpartei - klar gegen Steuererhöhungen ausgesprochen. "Ich bin gegen einen Energie-Soli", sagte Rösler der Passauer Neuen Presse. "Ich kann versichern: Mit uns wird es keine Steuererhöhung zur Finanzierung des Umstiegs auf erneuerbare Energien geben." Auch eine höhere Neuverschuldung komme nicht in Frage, um den notwendigen Netzausbau zu finanzieren: "Das Geld, das wir für die Energiewende benötigen, muss an anderer Stelle im Bundeshaushalt eingespart werden", forderte Rösler.

"Bezahlbarkeit ist wichtig"

Unterstützung für seine Linie bekam der Gesundheitsminister von seiner Fraktionschefin. "Versorgungssicherheit ist zwingend. Die Bezahlbarkeit von Energie ist ebenso wichtig", sagte Birgit Homburger der Leipziger Volkszeitung. "Für das, was jetzt an finanziellen Folgen auf den Bundeshaushalt zukommt, brauchen wir dringend Einsparungen im Haushalt. Steuererhöhungen darf es für den Umbau des Energiekonzeptes nicht geben."

Auch der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle schloss Steuererhöhungen aus. Allerdings kündigte der Unionspolitiker auch an, auf weitere Sparmaßnahmen verzichten zu wollen. "Ein neues Sparpaket ist nicht notwendig." Die Brennelementesteuer sei bis zum Jahr 2016 vorgesehen, und es gebe kein Junktim zur Laufzeitverlängerung. "Ich gehe davon aus, dass die Einnahmen kommen werden", sagte Barthle der Passauer Neuen Presse. "Ich kann allerdings nicht ausschließen, dass eventuelle Mehrkosten aus der schnelleren Energiewende auch ein Stück weit von den Verbrauchern zu tragen sein werden", sagte der CDU-Politiker mit Blick auf den Strompreis.

Streit in der Union

Gedankenspiele, die in der Opposition auf heftige Kritik stoßen. "Es geht natürlich nicht so, dass die Bundesregierung sagt, (...) wir machen einen schnellen Zeitplan und am Ende zahlen es die Stromkunden. Das wird so nicht funktionieren", sagte Sigmar Gabriel am Samstag auf NDR Info. Der SPD-Chef äußerte die Befürchtung, dass die Energiewende für die Verbraucher und die Wirtschaft teuer werden könne. Um dies zu verhindern, müsse die Bundesregierung mehr Geld für Investitionen bereitstellen, zum Beispiel für die Förderung von hocheffizienten Kraftwerken und für die Förderung der energetischen Gebäudedämmung. Kritik äußerte der SPD-Vorsitzende an der Energiepolitik von Kanzlerin Angela Merkel: "So überstürzt, wie die Laufzeiten verlängert wurden, versucht sie das jetzt rückgängig zu machen."

Rückendeckung erhielt Gabriel von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Deutschland sei "nicht irgendein Land, sondern ein bedeutender Industriestandort", sagte Steinmeier dem Hamburger Abendblatt. Deutschland habe immer den Anspruch gehabt, seinen Energiebedarf selbst zu decken. "Es ist keine Lösung, Atomstrom aus dem Ausland einzuführen." Steinmeier warnte vor einem Wettlauf um den Ausstieg. Er halte es für möglich, den Ausstieg "bis 2020 zu organisieren", sagte der Fraktionsvorsitzende - und grenzte sich damit von den Grünen ab, die 2017 das letzte Atomkraftwerk stilllegen wollen.

Die warnen indes vor Panikmache. "Die hysterische Debatte muss dringend mit konkreten Zahlen versachlicht werden", forderte die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn, in der Rheinpfalz am Sonntag. Offenbar werde versucht, so eine Verschiebung des Atomausstiegs vorzubereiten, sagte Höhn.

Erfolglose Schlichtungsversuche

Auch von ganz anderer Seite mehren sich Stimmen, die zu Sachlichkeit und Bedächtigkeit mahnen. CDU-Politikerin Annette Schavan rief ihre Partei zu "mehr Disziplin" in der Debatte über den Atomausstieg auf. "Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist die Wiederherstellung alter Fronten", sagte die stellvertretende Unionsvorsitzende dem Spiegel. Niedersachsens CDU-Ministerpräsident David McAllister forderte ebenfalls ein rasches Ende der Debatte. "Kernenergie war nie ein Markenkern der Union - und wird es auch nie sein." Nun müssten auch die Letzten "von dem toten Pferd absteigen".

Doch allen Mahnungen zum Trotz brodelt die Debatte weiter - auch innerhalb der Union. Nach Informationen des Spiegels kam es in der sogenannten Kaminrunde der Kanzlerin am Donnerstagabend zwischen Unions-Fraktionschef Volker Kauder und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zu einem heftigen Streit. Seehofer soll kritisiert haben, dass mehrere Unionsabgeordnete bei Fernsehauftritten Bedenken gegen einen schnellen Atomausstieg geäußert hätten. "Ich habe mich maßlos darüber geärgert", habe Seehofer demnach gesagt. Kauder habe dagegen gehalten.

Das ist wenig überraschend, denn CDU und CSU vertreten auch öffentlich konträre Linien. Während Bundestagspräsident Lammert (CDU) in der Zeitung Die Welt den Zeitplan der Bundesregierung in Frage stellte, verkündete CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, den Atomausstieg für Bayern bis 2021 abschließen zu wollen.

Dobrindt sagte der Augsburger Allgemeinen eine Voraussetzung sei, dass die Widerstände von Kritikern beim Umstieg auf erneuerbare Energien überwunden werden. "Wenn die Neinsager, die heute noch gegen Pumpspeicher-Kraftwerke oder neue Stromtrassen sind, ihre Blockadehaltung aufgeben, dann können wir in zehn Jahren einen Energiemix ohne Kernenergie haben." Dobrindt wies die Kritik innerhalb der Union zurück: "Wir werden so schnell, wie dies realistisch machbar ist, aus der Kernenergie aussteigen. Dabei bleibt es." Nach dem Willen der CSU solle Bayern Vorreiter beim Ausstieg werden.

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