Das neue Album der Beastie Boys:Heiße Sauce

Die Hip-Hop-Ikonen "Beastie Boys" veröffentlichen ein neues Album und einen großartigen satirischen Kurzfilm - in Anlehnung an ihr legendäres Video "Fight for Your Right to Party!", verfilmt mit Hollywoodstars.

Jan Kedves

Susan Sarandon ist fassungslos. Da wollte sie doch - in der Rolle einer verhärmten Manhattaner Upperclass-Mutter - nur mal kurz mit ihrem Mann um den Block spazieren. Doch hätte ihr längst schwanen sollen, dass es keine gute Idee ist, ihre beiden pubertierenden Söhne unbeaufsichtigt in der Wohnung zu lassen.

Das neue Album der Beastie Boys: Die Beastie Boys wissen nicht mehr so richtig, warum sie überhaupt rappen. Der zentrale Satz des Albums: "Don't Play No Game That I Can't Win" - sinngemäß: "Wir spielen keine Spiele mehr, die wir nicht gewinnen können."

Die Beastie Boys wissen nicht mehr so richtig, warum sie überhaupt rappen. Der zentrale Satz des Albums: "Don't Play No Game That I Can't Win" - sinngemäß: "Wir spielen keine Spiele mehr, die wir nicht gewinnen können."

Tatsächlich: Kaum kehren Sarandon und ihr griesgrämiger Gatte (Stanley Tucci) ins Foyer des noblen Apartmenthauses zurück, stolpern sie auf der Treppe drei prima gelaunten Fremden in die Arme, die offenbar gerade ihre Söhne besucht haben und nun das Weite suchen wollen.

Dicke Goldketten baumeln den drei Rüpeln um die Hälse, daran riesige, aus Kühlerhauben herausgebrochene VW-Embleme, dazu tragen sie Sonnenbrillen und Adidas-Turnschuhe. Richtig, das hier sind die Beastie Boys. Susan Sarandon weiß das natürlich nicht. Als Mutter darf sie es auch nicht wissen, sonst wäre ja der ganze schöne Generationenkonflikt futsch. Doch sie ahnt, dass genau diese Jungs in ihrem Wohnzimmer soeben erbarmungslos von einem Recht Gebrauch gemacht haben, das nur die Jungen kennen: das Recht auf Party.

Wir befinden uns in "Fight for Your Right Revisited", einem ebenso irritierenden wie großartigen Kurzfilm, den Adam Yauch, unter dem Namen "MCA" besser bekannt als einer er drei New Yorker Beastie Boys, geschrieben, gedreht und vor einigen Tagen ins Netz gestellt hat.

Der Film bewirbt zum einen das am Dienstag erscheinende achte Studioalbum des Rap-Trios, "Hot Sauce Committee Part Two" (Emi). Andererseits knüpft er als Satire genau dort an, wo das legendärste Video der Beastie Boys endete: In "(You Gotta) Fight for Your Right (To Party!)" sah man 1986, wie Michael "Mike D" Diamond, Adam "Ad-Rock" Horovitz und Adam "MCA" Yauch mit einer Horde befreundeter Teenage-Punkrocker ein mit teurer Kunst vollgehängtes Wohnzimmer fremder Eltern verwüsteten.

25 Jahre später geht die Party nun auf der Straße weiter. Neben Sarandon und Tucci sind in dem 29 Minuten langen Film Steve Buscemi, Alicia Silverstone, Kirsten Dunst und Orlando Bloom zu sehen; Elijah Wood spielt Ad-Rock, Danny McBride verkörpert MCA und Seth Rogen übernimmt die Rolle Mike Ds.

Dass sich ein Pop-Act zum 25. Jubiläum eines ikonischen Videos ein Sequel ausdenkt, in dem er selbst gar nicht auftritt, sondern sich von Hollywood-Stars darstellen lässt - solch eine Extravaganza hätte man sonst nur Michael Jackson zugetraut. Kein Wunder, dass "Fight for Your Right Revisited" die Veröffentlichung des neuen Beastie-Boys-Albums komplett überschattet. Und das ist auch besser so.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum das Album nicht so richtig rockt.

Pinkelkämpfe auf der Tanzmatte

Das Album "Hot Sauce Committee Part Two" ist zwar keineswegs schlecht. Doch fügen Diamond, Horovitz und Yauch, die 1979 erst als Punkband starteten und von Mitte der achtziger Jahre an dann rappend dafür sorgten, dass Hip- Hop auch einer weißen MTV-Zielgruppe gefiel, ihrem Œuvre auch rein gar nichts Neues hinzu.

Sollte es schon reichen, wenn die Hallodris, die einst durch Megaphone schimpften und damit eine ganze Generation westlicher Mittelstandssöhne prägten, mit Mitte 40 einfach ein weiteres handwerklich sauberes Album nachschieben? Eines, auf dem sie sich ein bisschen durch Dub-Schleifen hangeln und auf Kuhglocken hauen und ansonsten so tun, als sei zwischen ihren Meisterwerken "Paul's Boutique" und "Check Your Head" keine Zeit vergangen?

Man könnte dem Trio zugute halten, dass das neue Album erst gar keinen verkrampften Anschluss an aktuelle Strömungen des Hip-Hop versucht; Autotune-Plastikstimmen, Eurotrance-Arpeggien oder teuer gebuchte Gastauftritte, die heute angesagt sind, gibt es hier keine.

Lediglich der Rapper Nas, der Ex-Mann von Kelis, macht in einem Stück mit, es trägt den Titel "Too Many Rappers" und geht bezeichnenderweise so: "Wenn dir etwas durch den Kopf geht, dann lass es raus" - doch was folgt, sind Verzerrungs- und Abdämpfungseffekte, sodass man kein einziges Wort versteht.

Auch sonst geht es auf "Hot Sauce Committee Part Two" kaum um Inhalte, höchstens im Stück "Multilateral Nuclear Disarmament", das wohl vom Wunsch nach globaler nuklearer Abrüstung handelt, aber ein Instrumentalstück ohne Text ist. Man könnte sagen: Die Beastie Boys wissen nicht mehr so richtig, warum sie überhaupt rappen. Der zentrale Satz des Albums: "Don't Play No Game That I Can't Win" - sinngemäß: "Wir spielen keine Spiele mehr, die wir nicht gewinnen können."

Das passt natürlich nicht zu jenen Beastie Boys, die sonst immer eine Menge riskierten - nicht zuletzt, sich lächerlich zu machen, was im gerne todernsten Hip-Hop an sich schon außergewöhnlich war. Doch allein mit Erwachsenwerden oder Buddhismus lässt sich die verbale Erlahmung nicht erklären. Auch nicht mit der Läuterung durch Krankheit - 2009 wurde bei Adam Yauch Ohrspeicheldrüsenkrebs entdeckt, den er, hört man, nach Operation und Bestrahlung so gut wie besiegt hat.

Nein, im Film "Fight for Your Right Revisited" ist ja noch alles da: die Selbstironie, der Witz, die Zotigkeit. Dort treffen - nachdem die bösen Eltern im Foyer erstmal passiert sind - die von Elijah Wood, Danny McBride und Seth Rogen verkörperten Beastie Boys auf die Beastie Boys der Zukunft, gespielt von Will Ferrell, John C. Reilly und Jack Black. Team zwei steigt aus einem DeLorean, jenem mattsilbernen Flügeltürer, der in "Zurück in die Zukunft" als Zeitmaschine Verwendung fand.

Die Konfrontation zwischen den neuen und den alten Beastie Boys, die selbstverständlich alle behaupten, die "echten" zu sein, gipfelt im Recycling des eben noch dosenweise eingekippten Budweiser-Biers: Pinkelkämpfe auf der Tanzmatte!

Man könnte sagen: Anstatt ihren Mythos durch neue musikalische Ambition in Gefahr zu bringen, verlegen sich die Beastie Boys darauf, ihren eigenen Mythos vom Regiesessel aus zu dirigieren und mit ihrem Status als Ikonen der Achtziger in Hollywood zu wuchern. Den diebischen Spaß, den sie selbst an "Hot Sauce Committee Part Two" offenbar nicht hatten, gönnen sie im Film jenen Stars, von denen sie sich darstellen lassen. Alles endet mit der Einblendung: "Fortsetzung folgt. Schauen Sie in 25 Jahren wieder vorbei."

Das kann nur heißen: Die Beastie Boys sind mit sich als Comicfiguren schon so zufrieden, dass sie ihr neues Album selbst vergessen haben.

Der Autor ist Chefredakteur der Musikzeitschrift Spex.

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