Reform der Streitkräfte:Rumpelkammer Bundeswehr

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Was Verteidigungsminister de Maizière vorgefunden hat, war alles andere als ein wohlbestelltes Haus - so hat Guttenberg noch mit Freiwilligen geplant, die bislang ausgeblieben sind. Dennoch ist die Fortsetzung der Reform unumgänglich.

Joachim Käppner

Manchmal könnte man fast glauben, nicht nur die Doktorarbeit, sondern auch der Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg an sich sei eine Fälschung gewesen. Dass er ein ganz anderer war, ein Spieler, der ausprobieren wollte, wie weit sich Politik und Gesellschaft von Aussehen, Eloquenz und schneidigem Auftreten blenden lassen; ein Narr, welcher der Welt den Spiegel vorhält wie Thomas Manns Hochstapler Felix Krull, der seine Umwelt "durch eine seiner Anmut sehr leicht fallende Täuschung, durch Illusion" vorführt. Dieser wahre Guttenberg hätte es dann zum CSU-Superstar, zum beliebtesten Politiker des Landes und Kanzlerprätendenten gebracht, obwohl er nichts, aber auch gar nichts geleistet oder richtig gemacht hätte.

Dieser Eindruck entsteht jedenfalls, wenn man die massive Kritik an seiner Bundeswehrreform anhört, die nun laut wird. Nun ist alles verdammenswert, was vorher als richtig oder gar als politisches Meisterwerk bejubelt wurde. Nun wäre es nicht wenigen am liebsten, es hätte das Intermezzo Guttenberg nie gegeben, die Wehrpflicht wäre geblieben und überhaupt alles, was heute schon wie die gute alte Bundeswehr aussieht.

Aber falsch war nicht die Reform; falsch war, dass niemand, vor Guttenberg, sie je wirklich gewagt hatte. Falsch war nicht der Plan, eine Armee zu modernisieren, die in Struktur und Größe immer noch zu sehr von der Vergangenheit geprägt war. Falsch war, dass Guttenberg dies überhastet und überstürzt durchboxen wollte. Falsch war nicht, die Wehrpflicht auszusetzen. Falsch war aber, dies so schnell zu tun. Falsch war nicht, die Armee zu verkleinern. Falsch war, dies mit dem Versprechen zu verbinden, eine kleinere Truppe werde wie von selbst weniger kosten, und die Reform als Teil der Sparbemühungen für den Bundeshaushalt zu verkaufen. Auch beim Umbau der Bundeswehr, das zeigt sich heute an all dem, war der Minister ein Opfer seiner selbst, des Dranges, sich trotz aller Warnungen als Macher zu präsentieren, der schon einen Weg findet, wenn der Wille nur stark genug sei.

Guttenberg, aus eigener Schuld tief gefallen, ist ein leichtes Opfer, auch derjenigen, die nun mit Genuss nachtreten wie sein Parteichef Horst Seehofer, der heute treuherzig seine "Sorge um die Bundeswehr" bekundet. Freilich sind das die Sorgen eines politischen Egoisten, der vor allem keine Schließungen von Standorten im eigenen Bundesland möchte.

Aber man darf nicht vergessen, dass die faktische Abschaffung der Wehrpflicht, des Herzstücks der Reform, überfällig war. Alle großen Bündnispartner kennen den Zwangsdienst an der Waffe schon lange nicht mehr, selbst Frankreich nicht, das Mutterland der levée en masse, der Bewaffnung aller Bürger zur Verteidigung des Staates. Der äußere Grund der Wehrpflicht, die Bedrohung durch den Warschauer Pakt, ist längst Geschichte. Für eine moderne Armee im globalen Einsatz ist sie ein Hemmnis; ungerecht war sie obendrein, da nur noch ein Bruchteil der Wehrpflichtigen eingezogen wurde.

Was Thomas de Maizière vorgefunden hat, war gewiss alles andere als ein wohlbestelltes Haus, mancherorts sieht es aus wie in einer Rumpelkammer. So hat Guttenberg noch mit Freiwilligen geplant, die leider bislang ausgeblieben sind. Dennoch ist die Fortsetzung der Reform unumgänglich. Für die Rekrutierung guter Leute gilt ebenso wie für die künftige Ausrüstung zweierlei: Die Bundeswehr wird erst dann ein attraktiver Arbeitgeber sein, wenn die Politik endlich klar definiert, welches, wie es im Jargon heißt, "Fähigkeitsprofil" sie an sie stellt, was sie also mit ihr vorhat. Und das kann nicht einfach von der Kassenlage abhängen. Die Reform wird kein Geld sparen, sondern viel Geld kosten. Solange die Regierung dies leugnet, steht der neue Minister vor einer mission impossible. Zumindest das wäre dann aber nicht mehr Guttenbergs Schuld.

© SZ vom 14.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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