Atomausstieg: Schwarz-Gelb vs. Rot-Grün:Alles bleibt anders

Schwarz-Gelb will bis 2022 alle Atomkraftwerke vom Netz nehmen - das gleiche Ziel hatten SPD und Grüne schon vor zehn Jahren. Worin unterscheiden sich die Konzepte? Der rot-grüne und der schwarz-gelbe Atomausstieg im Vergleich.

Lilith Volkert

Nach dem Atomausstiegsbeschluss der rot-grünen Regierung vor zehn Jahren sollten alle deutschen Meiler schrittweise bis etwa 2022 vom Netz gehen. Nun will die schwarz-gelbe Koalition aus der Atomenergie aussteigen - bis 2022. Ist also alles wieder beim Alten? Nicht ganz. Der rot-grüne und der schwarz-gelbe Atomausstieg im Vergleich.

Wie wird der Ausstiegspunkt festgelegt?

Rot-Grün hatte sich 2001 nicht auf eine konkrete Jahreszahl festgelegt, sondern den deutschen Atomkraftwerken sogenannte Reststrommengen zugebilligt. Ab Inkrafttreten des Atomgesetzes am 1. Januar 2002 hätten die deutschen AKW insgesamt 2623 Terrawattstunden erzeugen dürfen. Man ging davon aus, dass diese Menge etwa im Jahr 2022 aufgebraucht worden sei. Durch Drosselung und Stillstand einzelner Reaktoren hätte es aber auch bis 2025 dauern können, bis mit Neckarwestheim 2 der letzte Meiler vom Netz gegangen wäre.

Schwarz-Gelb propagiert nun ebenfalls einen Atomausstieg bis zum Jahr 2022. Die Übertragung von Reststrommengen von alten auf neuere Meiler soll weiter möglich sein, weitere konkrete Rahmenbedingungen sind bisher aber nicht bekannt. Kritiker werten das als Versuch, den Atomausstieg letztendlich doch noch deutlich hinauszuzögern.

Die SPD pocht heute auf einen Ausstieg bis 2020, die Grünen wollen bis 2017 alle Meiler vom Netz nehmen. Fraktionschefin Renate Künast vermisst beim Ausstiegsplan der schwarz-gelben Regierung eine "Beschleunigung" des Ausstiegs nach der Atom-Katastrophe in Fukushima-1 - sie sieht stattdessen "ein Zurück zum Status quo".

In welcher Reihenfolge wird abgeschaltet?

Nach den Plänen von Rot-Grün wären 2011 und 2012 die sieben ältesten Meiler vom Netz gegangen: Drei in diesem Jahr (Biblis A, Isar 1, Neckarwestheim 1), vier weitere im kommenden (Biblis B, Brunsbüttel, Philippsburg 1, Unterweser). Genau diese sieben Atomreaktoren wurden kurz nach dem AKW-Unglück in Fukushima-Daiichi im Rahmen eines Moratoriums für drei Monate abgeschaltet - und sollen es laut schwarz-gelbem Entschluss auch bleiben. Dies gilt auch für den Pannenreaktor Krümmel, der seit mehreren Störfällen 2007 und 2009 keinen Strom mehr produziert.

Der rot-grüne Plan sah vor, zwischen 2014 und 2022 alle ein bis zwei Jahre einen der verbleibenden Reaktoren abzuschalten, zuletzt Neckarwestheim 2. Die schwarz-gelbe Regierung plant nun "bis spätestens 2021" sechs weitere Meiler vom Netz zu nehmen. In welchen Stufen dies geschehen soll, ist nicht bekannt. Die drei neuesten Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 will Schwarz-Gelb im Jahr 2022 abgeschalten. Sie sind eine Art Sicherheitspuffer, falls es mit der Energiewende nicht schnell genug vorangeht.

Kann die Entscheidung rückgängig gemacht werden?

Als SPD und Grüne 2001 den Atomausstieg beschlossen, mussten sie sich von Umweltverbänden sagen lassen, dass von einem "Ausstieg" im eigentlichen Sinne nicht die Rede sein könne - die Zeitspanne, bis die Meiler vom Netz gingen, sei viel zu lange. Tatsächlich konnten CDU, CSU und FDP den rot-grünen Entschluss wieder rückgängig machen, als sie zwei Legislaturperioden später die Mehrheit im Bundestag hatten. Im Oktober 2010 beschlossen sie eine Laufzeitverlängerung um durchschnittlich zwölf Jahre pro AKW.

Beim aktuellen Ausstiegsszenario hat sich die FDP mit der Forderung durchgesetzt, einen der älteren Meiler bis 2013 auf "Stand-by" zu belassen - um auf Stromengpässe reagieren zu können. Denn laut Bundesnetzagentur könnten gerade im Süden an trüben kalten Wintertagen bis zu 2000 Megawatt fehlen, da dann kaum Solarstrom produziert werden kann. Die Opposition kritisiert diesen Plan als fragwürdig - auch aus technischer Hinsicht. Er kenne kein Atomkraftwerk, das man als "kalte Reserve" fahren könne, sagte Ex-Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Außerdem befürchten Kritiker, bis 2013 könnte die Katastrophe in Fukushima vergessen sein - und der entsprechende Reaktor leichter am Netz bleiben. Ähnliches gilt auch für die anderen Meiler.

Auf welcher Basis erfolgt der Ausstieg?

Ende 2001 beschloss die rot-grüne Mehrheit im Bundestag den Atomausstieg - gegen den Willen von CDU, CSU und FDP. Kanzler Gerhard Schröder hatte sich im Sommer 2000 mit den führenden Strommanagern auf einen "Atomkonsens" verständigt.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) strebt nun eine Übereinstimmung mit SPD und Grünen an, um das Thema Atomkraft endgültig aus der Kampfzone zu holen. Die SPD deutete bereits ihr "Ja" an, die Grünen haben noch offengelassen, wie sie sich zu den Ausstiegsplänen der Bundesregierung positionieren wollen. Beide Parteien kritisieren, dass zu viele Fragen noch offen seien.

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