Widerstand gegen Griechenland-Hilfen:Zehntausende gegen den Sparzwang

Einige EU-Länder fordern von Athen im Gegenzug für frisches Geld noch härtere Auflagen. Doch die Griechen wollen die neuen Sparmaßnahmen ihrer Regierung nicht hinnehmen und gehen erneut auf die Straßen. Auch einige Geberländer sind skeptisch.

C. Gammelin und M. Zydra

Die Hoffnung der griechischen Regierung, von den Europäern ein neues Hilfspaket bewilligt zu bekommen, hat am Wochenende einen starken Dämpfer erhalten. Zugleich erwiesen sich Meldungen, wonach zusätzliche Kredite bereits beschlossene Sache seien, als verfrüht. Weder die europäischen Hauptstädte noch ihre Finanzpolitiker sind sich einig über das weitere Vorgehen. In Brüssel und Berlin bezeichnen Eingeweihte die nächsten Tage als entscheidend.

People raise their hands and shout slogans in front of the parliament building during a rally against a new austerity package at Constitution square in Athens

Zehntausende gingen am Wochenende erneut auf die Straße, wie hier in Athen, um gegen die Einsparungspläne der Regierung zu demonstrieren.

(Foto: REUTERS)

Die Zeit drängt. Spätestens Anfang Juli braucht Griechenland wieder Geld. Bis 20. Juni müssen sich die Finanzminister der Euro-Länder über weitere Finanzhilfen für das überschuldete Land einigen, damit das Geld rechtzeitig fließen kann.

Doch die Lage ist verworren.

Zuerst geht es um die nächste Tranche von zwölf Milliarden Euro aus dem aktuellen Hilfspaket, das über drei Jahre läuft und insgesamt 110 Milliarden Euro umfasst. Nicht einmal die Auszahlung dieser Tranche ist sicher, auch wenn die bisherigen Kreditgeber - EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) - prinzipiell grünes Licht für entsprechende Verhandlungen gegeben haben.

Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, der auch Sprecher der Euro-Länder ist, war am Freitagabend vorgeprescht und hatte seinem griechischen Kollegen Giorgos Papandreou schon mal demonstrativ vor laufenden Kameras versprochen, Griechenland werde nicht fallengelassen. Doch diesem Versprechen fehlt bisher die entscheidende finanzielle Substanz.

Damit das Geld fließen kann, muss Papandreou das neue Spar- und Reformprogramm, das die Griechen mit der EU und dem Weltwährungsfonds mühsam ausgehandelt haben, durch sein Parlament bringen. Denn nur wenn Hellas noch mehr spart und reformiert, seine Schulden wie geplant abbaut, die Wirtschaft ankurbelt und die staatlichen Einnahmen erhöht, also die Bedingungen der Kreditgeber erfüllt, bleiben die im Boot. Leicht wird das nicht.

Die konservative Opposition weigert sich, die Pläne des sozialistischen Regierungschefs mitzutragen. Der Widerstand gegen die Sparpolitik wächst, ein Generalstreik ist angekündigt. Am Sonntagabend gingen abermals Zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen das harte Sparprogramm zu protestieren. In der Hauptstadt Athen versammelten sich mehr als 30.000 Menschen auf dem zentralen Syntagma-Platz vor dem Parlament. Zu den Protesten aufgerufen hatte die vor allem über das Internet organisierte Bewegung der "Empörten Bürger". Die Menschen beschimpften die Politiker des Landes als "Diebe und Verräter". Viele trugen Flaggen Italiens, Argentiniens, Spaniens, Portugals und Irlands und riefen die Völker dieser Staaten und andere Europäer auf, ihnen in ihrem Kampf beizustehen. Kundgebungen gab es auch in der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki.

Streit unter den EU-Hauptstädten

Offen ist nach wie vor, ob die Experten aus EU und IWF, die gerade wochenlang vor Ort waren, dem Land bescheinigen, dass es überhaupt noch in der Lage ist, seine Schulden selbst tragen zu können. Der Bericht wird kommende Woche erwartet. Sollten die Experten feststellen, dass sich Hellas trotz aller Mühen und schon geflossener Milliarden Euro ab 2012 nicht allein finanzieren kann, müsste ein zweites Hilfspaket geschnürt werden, um absehbare Finanzierungslücken zu schließen. Für den IWF ist die über jeweils mindestens ein Jahr gesicherte Finanzierung entscheidend dafür, sich weiter zu engagieren.

Bei den Verhandlungen nimmt die deutsche Bundesregierung eine zunehmend harte Position ein. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will zwar den Expertenbericht abwarten, ihn "sorgsam auswerten und im Kreise der Euroländer über weitere Schritte entscheiden". Er stellte aber auch klar: Weitere Maßnahmen "im Fiskalbereich und bei der Privatisierung" müssten folgen. Deutschland bestehe ferner darauf, dass "auch die privaten Gläubiger einen freiwilligen Beitrag leisten". Eine Einbeziehung der Banken in ein zweites Hilfsprogramm gilt als heikel, weil eine Kettenreaktion in der Finanzbranche droht.

Wie in einzelnen Euro-Ländern zu erfahren ist, werden bereits einige Eckpunkte für das zweite Hilfspaket diskutiert. Es soll sich aus Anteilen des Euro-Rettungsfonds (EFSF), der Europäischen Kommission, des IWF, privater Gläubiger sowie Erlösen aus der Privatisierung griechischen Staatseigentums finanzieren. Wie groß das Paket wird, hängt von seiner Laufzeit ab. Zunächst war von 58 Milliarden Euro die Rede. Sollten die Hilfen längerfristig angelegt werden, dürfte die Summe weit höher liegen. Umstritten ist der Anteil der privaten Gläubiger. Am Wochenende hieß es, man verhandele über 30 Milliarden Euro. Private Banken sollten motiviert werden, auslaufende Anleihen selbst wieder aufzukaufen und eine längere Zeit, etwa sieben Jahre, zu halten.

Streit gibt es allerdings auch unter den Hauptstädten. Finnland kündigte dem Vernehmen nach neue Bedingungen für seine Zustimmung an. In der Slowakei und in Slowenien zeichnet sich politischer Widerstand gegen jegliche weitere Hilfen ab. Dort ist man der Meinung, die Griechen sparten immer noch nicht genug, verglichen mit den eigenen strikten Maßnahmen nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaft. Und selbst innerhalb der konservativen Parteien Europas herrscht keine Einigkeit. Die mehrheitlich aus christlich-demokratischen Parteien stammenden Regierungschefs der Euro-Länder vermögen es nicht, die konservative griechische Opposition zu überzeugen, ihre Blockade aufzugeben.

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