Cyrus Vance:Der Staatsanwalt, der Strauss-Kahn hinter Gitter bringen soll

Schuldig oder nicht schuldig? Dominique Strauss-Kahn muss heute vor dem New Yorker Gericht Stellung beziehen. Doch nicht nur für den Angeklagten, auch für den Ankläger ist das ein wichtiger Tag: Für US-Bezirksstaatsanwalt Cyrus Vance ist es der erste große Fall.

Nikolaus Piper, New York

An diesem Montag werden sich wieder Journalisten und Kamerateams zu Hunderten vor dem New Yorker Strafgerichtshof drängeln. Dominique Strauss-Kahn, der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), wegen versuchter Vergewaltigung eines Zimmermädchens angeklagt, soll vor Gericht erscheinen. Er wird den Text der Anklage hören und hat dann die Möglichkeit, auf "schuldig" oder "nicht schuldig" zu plädieren.

Dominique Strauss-Kahn Appears In Court For Bail Hearing In Sexual Assault Case

Dominique Strauss-Kahn ist für den zuständigen US-Bezirksstaatsanwalt Cyrus Vance der erste große Fall.

(Foto: AFP)

Der 6. Juni ist aber nicht nur für den Angeklagten, sondern auch für den Ankläger ein besonderer Tag. Strauss-Kahn ist für Cyrus Vance, 56, den zuständigen US-Bezirksstaatsanwalt, der erste große Fall, an dem er sich bewähren muss.

Schon vor Beginn des Verfahrens sah Vance sich dem Vorwurf der Verteidigung ausgesetzt, er habe die Presse gezielt mit Indiskretionen gefüttert, was er bestritt. Am Montag muss er vor dem Richter seine Anklage mit Überzeugung vertreten, eine Anklage, die in Strauss-Kahns Heimat Frankreich immer noch viele für den Teil einer Verschwörung halten. Es kann also sehr politisch werden - und mit Politik kennt Cyrus Vance sich aus, nicht immer zu seiner Freude.

Der Jurist wurde im Herbst 2009 als Kandidat der Demokraten gewählt und trat sein Amt am 1. Januar 2010 an. Es ist nicht unfair zu sagen, dass eine seiner Aufgaben darin liegt, sich von zwei übermächtigen Vaterfiguren zu lösen. Die eine ist Vance' Vater selbst. Cyrus Vance Sr. (1917-2002) war ein berühmter Anwalt und Politiker. Er diente unter den Präsidenten John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson und war schließlich unter Jimmy Carter Außenminister der USA.

Sein Sohn arbeitete nach dem Jura-Examen zunächst bei der Staatsanwaltschaft Manhattan und zog dann 1988 ans andere Ende der USA. In Seattle, hoffte er, werde der Einfluss des Vaters nicht so groß sein. "Ich dachte, es wäre gut für mich, irgendwohin zu gehen und eine eigene Karriere aufzubauen, weit weg vom Terrain meines Vaters", sagte er in einem Interview. In Seattle baute er eine eigene Kanzlei auf und lehrte an der dortigen Universität; erst 2004 kehrte er nach New York zurück.

Die zweite Vaterfigur ist sein Vorgänger im Amt. Robert Morgenthau, 90, war und ist eine der Ikonen der New Yorker Politik. Der Sohn des früheren Finanzministers Henry Morgenthau war 35 Jahre lang Bezirksstaatsanwalt, von 1975 bis Ende 2009. Angesichts der Tatsache, dass es sich dabei um ein Wahlamt handelt, ist des alten Herrn Bilanz schier unglaublich. Auch Vance traute sich erst zu kandidieren, nachdem Morgenthau offiziell angekündigt hatte, er wolle aufhören und ihn unterstützen.

Der Kandidat trat im Wahlkampf als Gegner der Todesstrafe hervor und versprach, die Rechtsstellung von Vergewaltigungsopfern zu verbessern, ausgerechnet. Vor diesem Hintergrund zeigte sich Vance im Fall Strauss-Kahn zunächst überraschend zurückhaltend. Für die ersten Arbeiten beauftragte er untergeordnete Staatsanwälte. Erst als das Gericht entgegen dem Wunsch der Staatsanwaltschaft den prominenten Politiker gegen Kaution auf freien Fuß setzte, mischte sich Vance stärker ein. Jetzt steht er in der ersten Reihe.

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