Griechenland: Renten für Verstorbene:Tot? Egal!

Auf die Konten von Tausenden längst verstorbener Griechen überweist die Rentenbehörde Geld. Griechenland will den Sozialbetrug unterbinden - und prüft auch mal nach, wie viele von den etwa 9000 über Hundertjährigen noch tatsächlich leben.

Griechenland führt den Kampf gegen die Schuldenkrise an vielen Fronten. Jetzt rückt Athen Sozialbetrügern auf den Leib. Für Tausende tote Griechen werde Rente gezahlt, sagte Arbeitsministerin Louka Katseli der Tageszeitung Ta Nea. So erhielten allein 4500 inzwischen verstorbene Angestellte im öffentlichen Dienst noch Geld, was die Steuerzahler jährlich mehr als 16 Millionen Euro koste. Nun richte das Ministerium den Blick auf die etwa 9000 über Hundertjährigen. "Wir überprüfen gerade, wie viele von ihnen noch leben", sagte die Ministerin. Sozialbetrug ist in Griechenland weitverbreitet und wird durch die schlechte Buchführung der Behörden erleichtert.

Protesters are seen through an European Union flag, in front of the parliament building during a rally against a new austerity package at Constitution square in Athens

Viele Griechen melden den Tod ihrer Angehörigen nicht an die Rententräger - und kassieren darum weiter die Rente.

(Foto: REUTERS)

Starker Widerstand in der Bevölkerung

Viele Griechen melden den Tod ihrer Angehörigen nicht an die Rententräger, um weiter das Geld zu erhalten. Der Kampf gegen den Sozialbetrug sei eine Möglichkeit zum Sparen, ohne dass die Bevölkerung zusätzlich belastet werde, sagte Katseli. "Haushaltskonsolidierung ohne soziale Kosten ist machbar, wenn Wille, Durchhaltevermögen und Effizienz vorhanden sind", sagte sie. Das Arbeitsministerium muss von 2012 bis 2015 jährlich etwa acht Milliarden Euro sparen.

Aus der schwarz-gelben Koalition in Berlin kam Kritik an den Zuständen bei den griechischen Rentenzahlungen. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, handelsblatt.de: "Die Tatsache der Rentenzahlung an über 4500 verstorbene Bedienstete ist ein neues Detail des unglaublichen Skandals griechischer Regegierungspolitik und Misswirtschaft." Sie sei ein überzeugender Beweis dafür, "wie dringend es ist, die griechischen Finanzen bis in jeden Winkel auf den Prüfstand zu stellen, bevor auch nur ein Cent bereitgestellt wird."

Frank Schäffler, Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion sagte handelsblatt.de: "Haftung und Verantwortung müssen in Europa wieder zusammengehören."

Dagegen warnte der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick vor "jeder Form von Überheblichkeit" gegenüber Griechenland: "Abgabenbetrug zu Lasten der Ehrlichen gibt es auch in Deutschland und anderen Teilen der EU." Es sei ein gutes Zeichen, dass der griechische Staat Missstände nun aufdecke und abzustellen versuche.

Noch an diesem Montag will die griechische Regierung informell über weitere Kürzungen im Volumen von 6,4 Milliarden Euro allein in diesem Jahr beraten. Ministerpräsident Giorgos Papandreou will den Plan dann dem politischen Rat seiner regierenden Pasok-Partei am Dienstag vorstellen.

Am Mittwoch könnte sich das Kabinett dann auf die Sparmaßnahmen verständigen und diese an das Parlament weiterleiten. Doch in der Bevölkerung wächst der Widerstand: Am Sonntag protestierten etwa 80.000 Menschen auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament gegen das Sparprogramm.

Private Gläubiger werden wohl beteiligt

Ein zweites Rettungspaket wird notwendig, weil sich der bisherige Plan nicht halten lässt, dass Griechenland ab dem Frühjahr 2012 an den Kapitalmarkt zurückkehrt. Bleibt der Weg wegen zu hoher Zinsen länger versperrt, würde bis Ende 2013 ein Haushaltsloch von 65 Milliarden Euro aufreißen.

Ein Jahr später wären es schon 132 Milliarden Euro. Das seit gut einem Jahr laufende Kreditprogramm ist bereits 110 Milliarden Euro schwer. Deutschland ist mit 24,4 Milliarden Euro daran beteiligt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt derweil nach Worten ihres Sprechers Steffen Seibert die Forderung von Finanzminister Wolfgang Schäuble nach einer Beteiligung privater Gläubiger an möglichen weiteren Finanzhilfen für Griechenland.

Klar sei aber, dass es eine abgestimmte Position der Bundesregierung erst geben könne, wenn der Bericht der Experten von IWF, EU und EZB über die Sanierungs-Fortschritte Griechenlands gelesen und analysiert worden sei. Ein Sprecher Schäubles sagte, es stehe noch nicht fest, ob Griechenland ein weiteres Hilfsprogramm benötige und, wenn ja, unter welchen Regeln. Hilfen müssten nicht zwangsläufig unter dem Regime des provisorischen Euro-Rettungsschirms EFSF laufen.

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